Was will SAP? AWS? HCP? CAL?
Offiziell bin ich noch Head of CIO-Group, aber dem Gefühl nach bin ich Direktor eines Flohzirkus.
„Du musst Pluralismus akzeptieren und lernen, damit umzugehen“
meint meine Frau und berichtet von ihren Sitzungen im Kulturverein.
„Auch wir haben eine Hierarchie mit Vereinsvorstand etc.“
erklärt sie mir liebevoll und bringt dann zahlreiche Beispiele, wo der Schwanz mit dem Hund wedelt.
Auf den Punkt gebracht: Die „Innovationen“ der SAP korrumpieren unsere Planung.
Vor etwa einem Jahr war der Ruf der SAP-Community nach einer Roadmap der SAP unüberhörbar. Auch viele meiner Kollegen forderten verbindliche Entwicklungspläne.
SAP tat, was der Konzern in einer solchen Situation immer macht: Er hörte auf seine Bestandskunden und produzierte und veröffentlichte unzählige Roadmaps – Quantität erschlägt Qualität.
Seitdem herrscht Chaos. Es erscheint nahezu unmöglich, diese gefühlt Tausenden SAP-Dokumente zu konsolidieren. Und der Wert jedes einzelnen Dokuments ist äußerst begrenzt: Bereits Q2 und Q3 für 2017 ist laut SAP-Roadmaps ferne Zukunft. Wie soll ein CIO hier eine verbindliche IT-Planung 2020 beim Vorstand abliefern?
Selbst ein regelmäßiger Besuch der Sapphires bringt keine Klarheit. Einmal soll alles Richtung Hana Enterprise Cloud (HEC) gehen, dann werden wieder die On-premise-Versionen bevorzugt ausgeliefert.
„Cloud first“ heißt jedoch für SAP nicht, dass man hier einen Schwerpunkt setzt, sondern lediglich, dass die Wolke in Zukunft mehr Umsatz bringen muss.
Somit existieren vollkommen unsynchronisiert HEC, HCP (Hana Cloud Platform) und CAL (Cloud Appliance Library).
Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass SAP die Bestandskunden mit ihren Lizenzen in die eigene Cloud locken will – dann gibt es auch keine Schwierigkeiten mehr mit NetWeaver Foundation for Third Party (indirekte Nutzung). Aber jetzt wurde ganz groß und laut eine Hana-Partnerschaft mit Amazon Web Services (AWS) verkündet!
Und man gestattet AWS zu behaupten, dass der SAP-Bestandskunde hier das beste und leistungsfähigste Hana-Cloud-Angebot findet. Was wird nun aus HEC und HCP? Was will SAP?
Während der AWS-Präsentation wurde HCP mit keiner Silbe erwähnt, dafür kam das lange totgeschwiegene CAL wieder zu neuen Ehren. Offensichtlich findet sich das CAL-Framework neben Vora auf der AWS-Plattform.
Soll nun wirklich Amazon die bessere Cloud für SAP-Bestandskunden sein? Wir haben strenge Regeln für die Cloud-Nutzung ausgearbeitet, dazu gehört auch AWS.
Für den Einkauf und die globalen Projektverantwortlichen ist es zwar eine Herkulesaufgabe, Budgetpläne für die Cloud-Nutzung zu erstellen, aber der Amazon-Service ist valide und in vielen Nischen sehr hilfreich.
Dennoch bleiben die meisten Projekte aufgrund der mannigfaltigen Services und weltweit unterschiedlichen Preise immer ein Sprung ins kalte Wasser.
Mittlerweile gibt es spezialisierte Agenturen, die ausschließlich Kalkulationsmodelle anbieten und betreiben, damit letztendlich eine fundierte Cloud-Budgetplanung entsteht. Unnötig zu erwähnen, dass in allen Fällen HEC und HCP am oberen Ende der TCO sind.
SAP holt sich also mit AWS einen mächtigen Mitbewerber ins Boot und unser SAP-Stammtisch fragt sich, was für eine Strategie die Walldorfer verfolgen.
Da muss ich nicht zweimal überlegen, dass ich im Zweifelsfall eher mit den eigenen Lizenzen zu AWS gehe, bevor ich alles – inklusive meiner On-premise-Lizenzen – in die SAP Cloud bringe.
Für uns ist ohnehin die Private Cloud auf Basis einer converged Infrastructure der einzig gangbare Weg. Unsere globale IT-Infrastruktur ist vor 18 Monaten mit dem vorerst letzten europäischen Rechenzentrum fertiggestellt worden.
Dimension, Skalierbarkeit, Agilität und Energiebedarf passen, sodass unsere converged Infrastructure und Private Cloud einen sicheren Hafen hat – und die Analysten von Gartner haben uns schon vor drei Jahren dringendst empfohlen, niemals unsere On-premise-Lizenz- und Serviceverträge zu kündigen.