Standardisierte SAP-Individualität


Informatikpionier Thomas Failer hat mit seinem Unternehmen Data Migration International für die SAP-Community neue Datenwege beschritten. Mit seinem Werkzeug für das Datenmanagement gelingt die S/4-Conversion ohne Vorprojekte.
E3: Viele SAP-Bestandskunden begrüßen die SAP’sche Standardisierung mit dem Thema „Keep the Core Clean“ und wollen dennoch nicht auf Eigenentwicklungen oder Branchenlösungen verzichten.
Thomas Failer, DMI: Und das müssen sie auch nicht. Unsere JiVS-Plattform unterstützt ja nicht nur den Standard, sondern auch individuelle Anpassungen oder Eigenentwicklungen. Dementsprechend arbeiten wir auch daran, den Umstieg von bisherigen Branchenlösungen auf S/4 zu erleichtern und zu beschleunigen und dabei die branchenspezifische Funktionalität zu erhalten. Ich denke hier zum Beispiel an Lösungen im Gesundheitsbereich oder für andere Branchen und Themenfelder. Dort gibt es spezielle Daten und Datenstrukturen. Und da die Migration der Daten bei unserer Plattform stets über den Application Layer erfolgt, müssen wir dafür passende Geschäftsobjekte bereitstellen. Im Bereich Real Estate haben wir diese Business-Objekte bereits realisiert und bei Kunden im Einsatz. Und ich gehe davon aus, dass wir im Sommer 2024 weitere solche branchen- und themenspezifische Geschäftsobjekte in unserem Angebot präsentieren können. Auch hier geht es wieder um Automatisierung und Effizienz.
E3: Stichwort Application Layer – damit unterscheiden Sie sich im Markt deutlich. Welchen Vorteil bietet denn dieser Unterschied?
Failer: Der entscheidende Vorteil besteht für SAP-Bestandskunden einmal darin, dass wir damit ohne Einschränkung die Standard-Migrationswerkzeuge der SAP wie das Migration Cockpit unterstützen können. Die Unternehmen können sich dadurch darauf verlassen, dass die migrierten und transformierten Daten korrekt und vollständig sind. Das bedeutet, sie können selektieren, welche Daten sie in die S/4-Welt übernehmen wollen, und gleichzeitig die Risiken einer Datentransformation, die durch das direkte Schreiben in den Tabellen entstehen können, vermeiden. Denn bisher mussten SAP-Bestandskunden, die kein Risiko eingehen wollten, einen Brownfield-Ansatz wählen und sämtliche Daten und Geschäftsobjekte konvertieren. Mit unserem Ansatz hingegen wird im Grunde jede Transformation ein Greenfield-Projekt.
E3: Das müssen Sie näher erklären.
Failer: Unsere Plattform dient gerade nicht dazu, die Daten direkt vom Quell- und Zielsystem zu migrieren und dabei zu transformieren. Das wäre ja nur ein einmaliger Vorgang und liefe unserem Anspruch zuwider, den gesamten Lebenszyklus von Daten zu managen. Also unterteilen wir die Migration in mehrere Schritte. Zunächst einmal extrahieren wir sämtliche Altdaten aus den Legacy-Systemen und legen sie revisionssicher auf unserer Plattform ab. Die Kunden können dadurch S/4 als Empty Shell implementieren und auf Geschäftsobjektebene an ihre Bedürfnisse anpassen. In der Regel findet in der S/4-Welt vielleicht noch die Hälfte der bisherigen Business-Objekte einschließlich der selbst entwickelten eine sinnvolle Verwendung. Warum sich also damit belasten? Schließlich gibt es viele ehemalige Werke, Standorte oder Buchungskreise nicht mehr. Die S/4-Einführung bietet ja gerade die Chance, alte Zöpfe abzuschneiden und sich auf Innovationen zu konzentrieren, anstatt sich um Altlasten zu kümmern. Parallel dazu und losgelöst von der Applikationsebene können die Kunden auf unserer Plattform die Datenmigration und -transformation vorbereiten.
E3: Wie sieht diese Vorbereitung aus?
Failer: Der wichtigste Schritt ist die Selektion der Daten. Wie viele von den Altdaten brauche ich wirklich? In der Regel nur einen sehr kleinen Teil, vielleicht 5 Prozent von den Transaktions- und 20 Prozent von den Stammdaten; mehr sind für S/4 gar nicht relevant. Darüber hinaus lassen sich die Altdaten bereinigen und korrigieren. Mancher Kunde oder Lieferant wird wegen Schreibfehlern oder unterschiedlicher Adressen fünf Mal im Altsystem geführt. Das ist doch Unsinn.
E3: Es geht somit um Effizienz?
Failer: Der Geschäftsnutzen einer neuen Softwaregeneration wie S/4 ist dann am höchsten, wenn sie gleich mit sauberen und korrekten Daten an den Start geht. Dies umso mehr, wenn die Daten vielleicht sogar aus Umsystemen angereichert werden, also aussagekräftiger sind, wenn sie in die neue Welt übernommen werden. Nur mit sorgsam raffinierten Daten läuft der digitale Motor wie geschmiert! Roh- und verunreinigtes Öl verursachen hingegen Motorschäden. Mit unserer Plattform ist es möglich, ein optimal vorbereitetes S/4-System mit optimal vorbereiteten Daten zu befüllen. So lässt sich das Ziel des datengesteuerten Unternehmens einfach besser erreichen. Unabhängig davon, wie heterogen die bisherige System- und Applikationslandschaft ist und welche Datenmengen vorliegen, können SAP-Bestandskunden ihre S/4-Zukunft mit unserem Ansatz und der Plattform JiVS IMP auf der grünen Wiese loslegen.
E3: Viele SAP-Bestandskunden gehen einen anderen Weg und ächzen unter der Last der Projekte noch vor der eigentlichen Migration und Transformation. Als Beispiel sind hier umfangreiche Archivierungen zu nennen.
Failer: Da sprechen Sie in der Tat einen sehr wichtigen Punkt an und das Beispiel ist hervorragend gewählt. Natürlich wollen die Unternehmen so wenige Daten wie möglich nach S/4 transformieren und versuchen deshalb, einen möglichst großen Teil der Altdaten zu archivieren. Doch sie handeln sich damit zwei große Probleme ein. Zum einen streitet die IT mit den Fachabteilungen, welche Altdaten im unmittelbaren Zugriff bleiben und deshalb migriert werden müssen. Und zum anderen müssen sie die Altsysteme weiterbetreiben, um die archivierten Daten bei Bedarf aufrufen zu können. So bleibt die Systemlandschaft komplex und verschlingt Zeit und Ressourcen für die Legacy-Welt. Hinzu kommt: Diese Legacy-Welt ist nicht nachhaltig, denn sie lässt sich langfristig nicht sicher betreiben. Die Altsysteme fallen aus der Wartung, Sicherheitspatches stehen nicht mehr zur Verfügung und Cyberkriminelle oder -spione bekommen leichtes Spiel.
E3: Was passiert demnach mit den Altsystemen?
Failer: Mithilfe von JiVS IMP hingegen können die Unternehmen sämtliche Altsysteme stilllegen und sparen dadurch in der Regel 80 Prozent und mehr der Betriebskosten ein. Das gilt im Übrigen auch für bereits bestehende ADK-Archive, da unsere Plattform die darin enthaltenen Daten direkt über den Application Layer überspielt. Und dank unseres Turbo-Ex-traktors dauert das nicht Wochen oder gar Monate, sondern Stunden oder Tage.
E3: Gibt es eventuell noch weitere Vorprojekte, auf die SAP-Bestandskunden verzichten können?
Failer: Die einfache Antwort lautet: Sie können im Grunde auf alle Vorprojekte verzichten. Es ist ja nachvollziehbar, dass die Unternehmen Vorhaben wie die Einführung der Hana-Datenbank, des Business-Objekts Geschäftspartner oder des New General Ledger aus rein technischen Gründen vorziehen und dadurch das Transformationsprojekt sozusagen entschlacken wollen. Doch das ist weder nötig noch sinnvoll. IT-Projekte sollten stets auf den Geschäftsnutzen ausgerichtet sein. Wer S/4 und Hana mithilfe von JiVS IMP nur mit den wirklich benötigten Geschäftsobjekten und Daten einführt, reduziert die Komplexität und senkt den Transformationsaufwand massiv. Das gilt genauso für die Einführung des neuen Hauptbuchs oder des Business-Objekts Geschäftspartner.
E3: Wie groß ist denn der Einspareffekt an Zeit und Aufwand durch Ihren Ansatz, wenn auf Vorprojekte verzichtet wird?
Failer: Der ist in der Tat enorm. Mit unserem Ansatz lässt sich der Transformationsaufwand in der Regel um mehr als
50 Prozent senken. Und mithilfe von KI haben wir uns vorgenommen, den Zeitaufwand noch einmal zu halbieren. Zum Beispiel durch eine höhere Automatisierung der Datenbereinigung oder des Mappings.
E3: Danke für das Gespräch.