Sapphire Europa 2018
SAP-Chef Bill McDermott mag zwar ein Haus in Heidelberg haben, aber glauben Sie mir, das ist nicht besser oder schlechter als eine Präsidentensuite in einem 5-Sterne-Hotel.
„Es muss nicht jeder mit einem chaotischen Büro wie deinem glücklich sein“ meint meine Frau, die es in den eigenen vier Wänden auch sehr gerne aufgeräumt und sauber hat.
„Das Genie beherrscht das Chaos, der Dumme hält Ordnung“, ist meine Antwort – ohne Bill mit seinem sterilen Zweitwohnsitz zu nahe treten zu wollen.
Wie schon oft an dieser Stelle betont und geschrieben: Die Wurzeln der SAP und der betriebswirtschaftlichen IP liegen in Europa. Eine globale Trend-Veranstaltung in Europa wäre die logische Antwort auf die Geschichte und Zukunft von SAP.
Stattdessen reist McDermott mit seinem Wanderzirkus Sapphire lediglich dorthin, wo die Umsatzerwartungen am höchsten sind. Europa wird hingegen mit „indirekter Nutzung“ gemolken. Es ist eine Kosten-Nutzen-Rechnung: Warum in Europa eine Sapphire veranstalten, wenn die Lizenzeinnahmen ohnehin sprudeln.
Unser SAP-Stammtisch kennt mittlerweile nur noch ein Thema: indirekte Nutzung! Wir haben uns köstlich amüsiert über die verrückte Idee von Chefredakteur Färbinger, dass zukünftig auch Bots basierend auf Leonardo Machine Learning eine SAP-Professional-User-Lizenz brauchen.
Und wenn die Bots dann wirklich intelligent werden und kreative Lösungen vorschlagen, brauchen sie eine Developer-User-Lizenz um 6000 Euro? Was aber real erscheint, ist das Damoklesschwert „indirekte Nutzung“ über Anwendungen wie IoT, M2M, Blockchain etc. Interessant ist – auch wieder auf Europa bezogen –, dass die einschlägigen Gruppierungen wie DSAG und IA4SP so wenig gegen diese Existenzbedrohung unternehmen.
Hier werden Innovation und Wachstum korrumpiert: Wer heute nicht mehr die am besten geeigneten Lösungen wählen kann, sondern vom SAP’schen „Lizenzterror“ geführt wird, bleibt wahrscheinlich in der digitalen Transformation als Verlierer übrig.
Eine befriedigende Antwort bezüglich eines vertikalen Lizenzmodells wird es von SAP dieses Jahr nicht mehr geben – auch wenn meine Freunde vom Verein DSAG eine Lösung versprochen haben. Jetzt läuft das Jahresendgeschäft und niemand hat Zeit, Lust und Laune, sich mit einem neuen Lizenzmodell die Finger zu verbrennen.
SAP ist zu einem globalen Unternehmen geworden. Hier wiegen die Wünsche und Probleme der Europäer nur noch wenig: kein neues Lizenzmodell, keine Sapphire, kein Beziehungsmanagement.
Man spürt das Fehlen von Gerd Oswald, die einjährige Verlängerung von Michael Kleinemeier ist keine Offenbarung und Technikvorstand Bernd Leukert steht auf verlorenem Posten. Rettung für Europa ist nicht in Sicht.
Und meine Frau meint fragend: „Ihr seid aber auch ein globaler Konzern?“ Ja, mein eigenes SAP-Reich erstreckt sich über alle Kontinente. Wir haben aber klare Strukturen und Verantwortlichkeiten.
Wir agieren als IT-Abteilung transparent und agil – und wir respektieren die Wünsche unserer Anwender. Hier könnte SAP viel lernen, um auch langfristig das Geschäft abzusichern, denn AWS, Google und Microsoft haben das bessere Cloud-Angebot; Siemens, Bosch, General Electric verstehen viel mehr von IoT und M2M; Machine Learning und Blockchain gibt es woanders schneller und preiswerter.
Die Zukunft von SAP:
eine radikale Kurskorrektur mit einer Kick-off-Sapphire in Europa oder ein beliebiger IT-Anbieter von vielen!
Mit der Cloud hat es begonnen: Es gibt kaum ein IT-Unternehmen, das nicht auf den Cloud-Hype aufgesprungen ist. Nun bekommt man IoT überall angeboten – von NetApp bis Bosch.
SAP Leonardo ist nicht schlechter als die unüberschaubare Anzahl an IoT-Lösungen – aber auch nicht besser. Ähnliches gilt für Machine/Deep Learning. SAP ist im KI-Bereich sehr engagiert, aber Microsoft, Google und Amazon haben auch ihre Hausaufgaben gemacht.
Das ERP-Alleinstellungsmerkmal hat SAP in vielen Bereichen – CRM, Logistik, Produktion etc. – leichtfertig verspielt. Aktuell versucht man mit einer Wiederbelebung von Abap auf der Cloud Platform so etwas wie Themenführerschaft und Alleinstellung zurückzugewinnen. Ob dieses Vorhaben aufgeht, bleibt abzuwarten. Wir haben noch genügend Abap-Spezialisten, die sich über diesen Trend freuen.