Sapphire einst und jetzt
Im Jahr 2006 fand in Paris die Sapphire statt und auf der Bühne standen der damalige SAP-Chef Professor Henning Kagermann und sein Technikvorstand Shai Agassi. Die Geschichte ist für die schnelllebige IT-Szene ururalt, aber SAP hat eine sehr erfolgreiche und bedeutende Historie und die aktuellen Erfolge beruhen auf den Verdiensten der Vorväter wie Professor Hasso Plattner, Peter Zencke, Gerd Oswald, Professor Henning Kagermann und der Technikvorstände Shai Agassi und Vishal Sikka.
Unter Leitung von Shai Agassi entwickelte SAP ein ERP-Repository, das mittels ESA, Enterprise Service Architecture, in R/3 eingebunden wurde. ESA war eine Infrastruktur, die über einen Servicebus interne und externe Objekte verbinden sollte. Letztendlich war es eine mächtige Kommunikationsarchitektur für das SAP’sche ERP. Keine schlechte Idee von Kagermann und Agassi.
Der ESA-Haken an der SAP-Strategie bestand in dem unangenehmen Umstand, dass zur selben Zeit die IT-Mitbewerber Microsoft, IBM, Oracle und andere mehr ein ähnliches Konzept aufbauten und dieses SOA nannten, Service-oriented Architecture. Weil SOA ein offenes Konzept war, fand es schnell Gefallen bei den Anwendern.
Nun hatte SAP wieder einmal ein geniales Konzept, stand aber vollkommen isoliert vom Rest der IT-Szene da. Es war leicht zu prognostizieren, dass das SAP’sche ESA keine Chance gegen das allgemeine SOA hatte. Diese Erkenntnis kam den beiden SAP-Vorständen Kagermann und Agassi am Vorabend der Sapphire 2006 in Paris. Über Nacht wurden alle Präsentationen von ESA auf SOA umgefärbt und am nächsten Tag redeten Henning Kagermann und Shai Agassi munter von der Sapphire-Bühne über SOA, als hätte es ESA nie gegeben.
Dieses Jahr wiederholte sich ein ähnliches Kunststück auf der Bühne der Sapphire 2023 Barcelona: SAP-Chef Christian Klein verkündet den Verkauf von Qualtrics und betont die Wichtigkeit von Customer Experience. Er verspricht hybride Landschaften und behauptet, dass letztendlich alles in der Private Cloud enden wird. Er betont die Wichtigkeit der SAP-Partner für die digitale Transformation und schließt gleichzeitig diese durch fehlende Schnittstellen bei der BTP, SAP Business Technology Platform, aus. Christian Klein widerspricht sich ungeniert und wurde somit ein würdiger Nachfolger von Professor Henning Kagermann und Technikvorstand Vishal Sikka.
Es ist das gute Recht des SAP-Chefs, einmal erworbene Unternehmen wieder zu verkaufen, besonders wenn es gelingt, dies mit Gewinn zu tun. Der Kauf von Qualtrics war nicht unumstritten, auch der Verkauf wirft Fragen nach der SAP’schen Strategie auf, denn Christian Klein redet viel über die nachhaltige Bedeutung von Customer Experience, der Kernkompetenz von Qualtrics. Was nun? Das Thema ist wichtig, aber das dafür notwendige IT-Werkzeug wird verkauft. Christian Klein hätte die Möglichkeit gehabt, auf der Sapphire in Barcelona den Widerspruch aufzuklären – er tat es nicht.
Bei seiner Sapphire-Pressekonferenz in Barcelona betonte Christian Klein nachdrücklich die Wichtigkeit der SAP-Partner, aber die allermeisten Partner bekommen davon nur wenig zu spüren. Für die S/4-Conversion sind ausgewählte Partner als Steigbügelhalter mitunter sinnvoll. Wenn es aber nach der Vision von Christian Klein geht, dann endet jede digitale Transformation in der Public Cloud. Dort regiert SAP absolut und braucht wahrlich keine Partner mehr.
Abap-Modifikationen waren immer eine Erfolgsgarantie für das SAP’sche ERP. Individuelle Anpassungen brachten den SAP-Bestandskunden den gewünschten Mehrwert. Zukünftig sollen die Modifikationen und Add-ons auf der Business Technology Platform erfolgen mit Steampunk, Build und weiteren SAP-Werkzeugen. Einen nachhaltigen Steampunk-Mehrwert wird es jedoch nur in einer Private-Cloud-Umgebung, also einem On-prem-Betriebsmodell, geben. Das muss kein Nachteil für SAP-Bestandskunden sein.