SAP räumt auf
Michael Kleinemeier will mit einem neuerlichen Abfindungsprogramm in seinem Bereich aufräumen – was aus Sicht der offiziellen SAP-Strategie logisch und konsequent ist: Existenzberechtigung in einer zukünftigen SAP-Welt sollen nur noch Open Source – mit Linux, Hadoop, OpenStack etc. – und die eigenen Produkte haben.
Abap-Modifikationen und Add-ons werden dem Fegefeuer übergeben. Es gilt eine reine ERP-Lehre zu entwickeln, die ausschließlich auf der Hana-Datenbank beruhen kann und muss.
In dieser stringenten und monokausalen Hana-S/4-Welt braucht SAP weniger Support-Mitarbeiter: SAP-Vorstand Michael Kleinemeier räumt auf!
In einer ECC-6.0-Welt sind die Kombinationen von Betriebssystemen und Datenbanken nahezu unüberschaubar. Diese offene und bunte Welt ist eine große Herausforderung für SAP. Jede Kombination musste evaluiert und gepflegt werden. Für den SAP-Support eine gewaltige Aufgabe.
Mit zwei Linux-Versionen und einer Datenbank lässt sich ein viel schlankerer Support realisieren. Auf Unix-, Windows-, Oracle-, SQL- und DB2-Experten glaubt man bei SAP verzichten zu können. Von den weltweit knapp 15.000 Service- und Support-Mitarbeitern aus dem Bereich von Vorstand Kleinemeier sollen etwa 1000 Mitarbeiter einem Abfindungsprogramm zum Opfer fallen.
Diese Entwicklung ist nicht ungefährlich, denn noch ist der Ausgang der SAP’schen Wette auf Hana und S/4 offen. Die Unsicherheit nicht nur bei uns im Unternehmen, sondern in der ganzen Community ist sehr hoch.
Eine Evaluierung und Kompensation aller Z-Funktionen, Abap-Modifikationen und Add-ons wird eine gewaltige Herausforderung und viele interne und externe Ressourcen binden. Momentan sind wir personell dafür nicht gerüstet und externe Hilfe können wir nur im Rahmen noch freizugebender Budgets anfordern.
Es ist nicht die Technik, die mir Sorgen bereitet: SAP ist durchaus bemüht, mit Werkzeugen, Tipps und Tricks den S/4-Transformationsprozess zu unterstützen und zu beschleunigen. Es sind die Ressourcen für die Umstellung und Adaptierung der Geschäftsprozesse sowie der enorme Aufwand an Qualitätssicherungsmaßnahmen und Test-Szenarien.
Hier fehlen uns und der ganzen Community erfahrene Experten und engagierte Berater. Ich wagte ein Experiment und habe meinem Sohn einen Job bei uns in einem Transformationsteam angeboten.
Abgesehen davon, dass er nur sehr wenig Lust verspürt, unter seinem Vater zu arbeiten, hat er mir noch eine weitere Erkenntnis offenbart: Er arbeitet als App-Programmierer unter anderem für Apple und ein paar Start-ups in Berlin, auch wenn er sich für Design Thinking und Open Source interessiert, so würde er freiwillig niemals in die „Old Economy IT“ einsteigen, auch wenn diese auf einer der modernsten In-memory-Computing-Datenbanken wie Hana beruht.
Fast hätte ich meinen Sohn für ein kleines Projekt bei uns begeistern können: Wir wollen experimentell den Aufwand erforschen, SQL-basierte Apps in Hana Graph zu transformieren.
Natürlich zeigte er Interesse an der nativen In-memory-Computing-Graph-Processing-Fähigkeit von Hana. Hier öffnet sich eine ganz neue IT-Welt. Auch wenn die Graphentheorie eine alte Informatik-Wissenschaft ist, so sind dennoch die neuen SAP-Werkzeuge wie Graph Viewer und Workspace ein faszinierender Weg, um eine Alternative zu den SQL-Tabellen zu verifizieren.
Kurz zögerte er, aber die Aussicht, in der Old Economy hängen zu bleiben, war ihm eine zu große Gefahr. Lange habe ich mich dann mit unserem Personalvorstand in der Kantine über zukünftige Arbeitsplatzmodelle und Incentives unterhalten – aber das ist eine andere Geschichte.
Die geringe Motivation, in die SAP-Community einzusteigen, ist niemandem vorzuhalten. Das Chaos wächst und der Teamgeist zerbricht. Ich will nicht wieder von den Attacken der SAP-Vertriebsmitarbeiter mit der „Waffe“ der indirekten Nutzung berichten – NetWeaver Foundation for Third Party Applications.
Selbst das von SAP-Chef Bill McDermott und seinem Finanzvorstand Luka Mucic propagierte Cloud Computing wird immer mehr zum unüberschaubaren Bauchladen.
Hana in der Cloud – was ist das? Eine Anwendung mit Amazon EC2, MS Azure, GCP (Google Cloud Platform) oder mit der SAP’schen Cloud? Selbst meine Cloud-Experten tun sich mit einer schnellen Antwort sehr schwer.
SAP versucht, auf allen Hochzeiten zu tanzen, um so den Cloud-Erfolg zu erzwingen. Ich denke, dass diese Strategie nicht die erhoffte Wahlmöglichkeit, sondern lediglich das existierende Chaos vergrößert.
Cloud Computing ist der, logische Schritt – nach Konsolidierung, Automatisierung und Virtualisierung. Aber ohne Strategie und Roadmap werden die Bestandskunden kaum der SAP folgen.
Lediglich von Finanzvorstand Luka Mucic erfährt man die Umsatzziele, aber natürlich keine technischen Lösungen. Hier schweigt Technikvorstand Bernd Leukert: Oder weiß er selbst nicht, was das Beste für seine Anwender ist – Google, Microsoft, Amazon oder SAP?