SAP-Cloud-Doppelwumms
Strategieupdate von SAP-Chef Christian Klein
Der SAP-CEO Klein hat wieder einmal alles richtig gemacht: Zu Beginn des neuen Jahres verschickte er an alle Mitarbeiter ein motivierendes und mahnendes E-Mail. Ein Paradigmenwechsel bei der SAP-Strategie wird den ERP-Weltmarktführer in eine Reihe mit Microsoft, IBM, Amazon, Oracle und Google stellen. Dafür werden die Disziplin, das Können und der Mut der gesamten SAP-Mannschaft notwendig sein.
Christian Klein will den ERP-Weltmarktführer in den Bereichen Cloud Computing und künstliche Intelligenz (KI) zum führenden IT-Unternehmen formen. Das wird ein gewaltiger Kraftakt, denn bisher bestand das Alleinstellungsmerkmal von SAP in den betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Geschäftsprozessen. Nun soll aber massiver Technikeinsatz das Überleben und den Profit sichern. Christian Klein hat dazu die zwei IT-Bereiche Cloud und KI ausgewählt.
Cloud-Doppelwumms
Damit Cloud Computing auch für SAP ein Erfolgsmodell wird, hat SAP-Chef Klein seinen Vorstand reorganisiert. Vorstandsmitglied Thomas Saueressig soll zukünftig für die Kundenzufriedenheit und Effizienz verantwortlich sein und damit ein positives Kundenerlebnis in der Cloud realisieren, während das neue Vorstandsmitglied Muhammad Alam die Aufgaben von Thomas Saueressig übernehmen wird und die Cloud-Lösungen weiterentwickeln soll.
Das Ziel für beide Vorstandsmitglieder, Saueressig und Alam, wird die Überzeugungsarbeit bei den SAP-Bestandskunden sein, dass die Public Cloud das beste aller möglichen Betriebsmodelle ist. Der moralische Weckruf durch das E-Mail von SAP-Chef Christian Klein zielt in erster Linie auf die europäische Vertriebsorganisation. In Europa ist die Hoffnung auf einen nachhaltigen Cloud-Erfolg im vergangenen Jahr geschmolzen wie der Schnee im Frühjahr. Das Konzept S/4-Public-Cloud existiert in Europa nur in marginalen Dosierungen.
Die ganze Hoffnung der SAP ruht nun auf dem amerikanischen Markt. In den USA sind alle IT-Anwender dem Thema Cloud Computing gegenüber wesentlich offener und positiver eingestellt. Es mag somit auch nicht verwundern, dass das neue SAP-Vorstandsmitglied Muhammad Alam zuvor 17 Jahre bei Microsoft in den USA arbeitete und auch jetzt noch sein SAP-Büro in den USA unterhält.
Cloud-Hoffnungsmarkt USA
Bereits Ende vergangenen Jahres begann SAP mit ausgewählten SAP-Partnern in den USA zu kooperieren, um das Thema Public Cloud zumindest in diesem Markt zum Erfolg zu führen. Ein mit den Gesprächen vertrauter SAP-Partner bemerkte jedoch, dass SAP nicht umhinkommen wird, einen großen US-amerikanischen Industriekonzern mit entsprechenden Benefits vom S/4-Public-Cloud-Konzept zu überzeugen, damit mit dieser Referenz das Eis gebrochen werden kann.
Denn wenn auch der US-Markt wesentlich positiver dem Thema Cloud Computing gegenübersteht, so gilt diese Sympathie nicht unbedingt auch für SAP, sondern vorrangig für die Hyperscaler plus Oracle und IBM. SAP als ERP-Weltmarktführer ist auf den technischen Gebieten wie Cloud Computing und KI ein Anfänger und Mitläufer.
Ein Cloud-Chef ohne Mannschaft
Das Motivationsmail von Christian Klein zu Beginn des neuen Jahres und noch vor dem traditionellen FKOM, Field Kick-off Meeting, war richtig und logisch. Ob es Wirkung zeigen wird, bleibt jedoch offen, denn eine Untersuchung aus dem vergangenen Jahr hat gezeigt, dass nur etwa die Hälfte der SAP-Mitarbeiter dem obersten Leitungsgremium vertraut. Das E-Mail von Klein könnte somit das Schicksal erleiden: Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, siehe Johann Wolfgang von Goethe (1749 bis 1832).
Aktuell lässt sich bei SAP Deutschland nur ein verhaltenes Echo auf Kleins E-Mail wahrnehmen. Viele Mitarbeiter ziehen es vor, die Köpfe einzuziehen, in Deckung zu gehen, externe Auftritte zu stornieren und abzuwarten, was von den großen Plänen am Ende des Tages übrig bleibt. Der Versuch, die Public Cloud in die Köpfe der europäischen Bestandskunden zu bringen, dauert nun schon zu lange: Verschleißerscheinungen und Resignation sind erkennbar. Und neue Themen wie die SAP’sche Business Technology Platform werden nicht offen und überzeugend kommuniziert.
Rettungsanker BTP
SAP hat die Kompetenz und das Wissen, noch einmal den ERP-Markt zu revolutionieren. Dafür braucht Christian Klein aber eine Mannschaft, die mutig, enthusiastisch und selbstkritisch in den Markt und zu den Bestandskunden geht. Mit dem „Werkzeug“ Business Technology Platform könnte eine Trendwende gelingen. Dazu braucht es jedoch einen langen Atem und Begeisterung.
Die SAP Business Technology Platform ist noch kein Selbstläufer, aber das war der legendäre SAP SolMan des damaligen Vorstandsmitglieds Gerd Oswald auch nicht. SAP-Vorstand Oswald hatte jedoch den Mut, die Ausdauer und die Strategie, aus dem SolMan ein einzigartiges SAP-Erfolgsmodell zu formen. Ähnliches könnte mit BTP passieren, wenn alle SAP-Mitarbeiter diszipliniert, mutig und strebsam an das eigene Unternehmen glauben – wie es Christian Klein in seinem Neujahrsmail eingefordert hat.