Information und Bildungsarbeit von und für die SAP-Community

SAP-Alternative 

Viele Jahre galt die Expertenmeinung, dass es zu SAP keine Alternativen geben kann, weil kein anderer Softwareanbieter ähnliche betriebswirtschaftliche Komplexität beherrscht. Diese Aussage gilt noch immer! Was aber, wenn die SAP-Bestandskunden selbst die Alternative sind?
Peter M. Färbinger, E3-Magazin
17. August 2023
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Die R/2-Alternative und SAPs Ende 

Nur noch wenige SAP-Community-Mitglieder erinnern sich an das Beinahe-Ende von SAP vor über 30 Jahren: Das erfolgreiche Mainframe-Produkt SAP R/2 stand am Gipfel seines Erfolgs. Die meisten großen Industriebetriebe aus dem Pharma- und Chemiebereich besaßen zu dieser Zeit IBM-Mainframes oder kompatible Maschinen von Siemens und Comparex. SAP R/2 war damals der Software-Shootingstar. Es war eine IT-Revolution, die von den fünf SAP-Gründern initiiert wurde. Es war ein Paradigmenwechsel im Umgang mit IT und der Herangehensweise an betriebswirtschaftliche und organisatorische Herausforderungen. Die Unternehmen reorganisierten mit R/2 ihre Aufbau- und Ablauforganisationen. 

Getragen vom R/2-Erfolg und der technischen Weiterentwicklung wie Ethernet-LAN von Xerox und Minicomputer von Hewlett-Packard, Digital Equipment Corporation (DEC) und IBM mit S/36 sowie S/38 (später dann AS/400) entstand bei SAP in Walldorf der R/2-Nachfolger R/3. Schnell fanden sich neue SAP-Kunden für R/3. Aber die R/2-Anwender blieben vorerst skeptisch und zögerten mit dem Releasewechsel – was fast zum Kollabieren und Ende von SAP führte. 

SAP, aber selbst gemacht

SAP wollte den Wechsel auf R/3 beschleunigen und drohte den R/2-Kunden mit Einstellung der Wartung. Hier hatte aber SAP unter Führung von Hasso Plattner die Rechnung ohne den Wirt gemacht! Die großen R/2-Anwender aus der Pharma- und Chemieszene wollten sich nicht erpressen lassen und drohten SAP mit einem Gegenkonzept: Die betroffenen Konzerne waren mächtig genug, um eine realistische Alternative zu schaffen. Man vereinbarte, eine eigene Entwicklungs- und IT-Servicegesellschaft als Gemeinschaftsunternehmen zu gründen und anschließend die R/2-Wartung, Lizenzen und Weiterentwicklung an diese Firma zu übergeben. Die Verträge mit SAP würde man kündigen. Abap-Tabellen lassen sich letztendlich auch in Eigenregie pflegen. 

Hasso Plattner kapituliert 

Eine vielleicht erfolgreiche R/2-Weiterentwicklung als Industrielösung für den Pharma- und Chemiebereich wäre ein Desaster für SAP geworden. Nicht nur die entgangenen Wartungsgebühren, auch der Imageschaden hätte SAP schwer zugesetzt. Hasso Plattner modifizierte die R/2-R/3-Roadmap und verschaffte damit den großen Konzernen mehrere Jahre für die Planung eines Releasewechsels auf R/3. Die Idee einer eigenen Servicegesellschaft wurde fallen gelassen. Es herrschte wieder Frieden in der SAP-Community. 

Kann sich SAP-Geschichte wiederholen? 

SAP-Chef Christian Klein hat alle Versprechungen der Vergangenheit gegenüber seinen Bestandskunden und Partnern gebrochen: Es wird keine hybriden Cloud-Systeme geben. Wer bei einem Hoster oder Hyperscaler in der Cloud ist, aber keinen Rise- oder Grow-Vertrag besitzt, der ist von zukünftigen Entwicklungen weitgehend ausgeschlossen. 

Was Klein bei seinem radikalen Plan vielleicht übersehen hat: Es gibt große und loyale SAP-Bestandskunden, die On-prem-Systeme betreiben müssen, weil das SAP-Softwareangebot nur on-prem verfügbar ist. Was nun, Christian Klein mit BRIM? SAP Billing und Revenue Innovation Management (BRIM) gibt es nur als On-prem-Version. BRIM ist bei der Schweizerischen Post im Einsatz, die unter anderem Clearingstelle für über 150 weltweite Postgesellschaften ist. Ohne BRIM würden aktuell die Schweizerische Post und sehr viele Postservices stillstehen!  

Und BRIM ist für SAP eine Cashcow, weil hier nach Umsatz abgerechnet wird. Sägt Christian Klein an dem Ast, auf dem er noch sitzt? Nach aktueller Lesart würde die On-prem-Anwendung BRIM in Zukunft von allen substanziellen SAP-Weiterentwicklungen wie KI/ML, Green Ledger und Ähnlichem ausgeschlossen sein. 

Selbst mit viel gutem Willen und jeder Menge an Rise- und Grow-Verträgen erscheint es nahezu unmöglich, ein S/4-BRIM-System in die Private oder Public Cloud der SAP zu transferieren. Wenn Christian Klein nicht sehr schnell einen Kompromiss anbietet, wie es Hasso Plattner vor über 30 Jahren tat, dann könnte die Frage nach einer SAP-Alternative aus Sicht und unter Beteiligung der Bestandskunden wieder aktuell werden. 

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Peter M. Färbinger, E3-Magazin

Peter M. Färbinger, Herausgeber und Chefredakteur E3-Magazin DE, US und ES (e3mag.com), B4Bmedia.net AG, Freilassing (DE), E-Mail: pmf@b4bmedia.net und Tel. +49(0)8654/77130-21


1 Kommentar

  • Vielen Dank Hr. Färbinger für den Artikel, er trifft den Nagel auf den Kopf!

    Wir erleben bei unseren Kunden eine große Unzufriedenheit mit der SAP Cloud Strategie. Wir hoffen, dass die DSAG und die SAP Kunden auf die SAP einwirken, um die SAP zum Umdenken zu bewegen.

    Wir leben von der SAP und unseren SAP Betriebs- und Oursourcingkunden. Bin aber gespannt, welche On Premise Alternativen, Sie vorstellen.

    Gruß aus Würzburg
    Bernhard Weimann, TakeASP AG

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Die Arbeit an der SAP-Basis ist entscheidend für die erfolgreiche S/4-Conversion. 

Damit bekommt das sogenannte Competence Center bei den SAP-Bestandskunden strategische Bedeutung. Unhabhängig vom Betriebsmodell eines S/4 Hana sind Themen wie Automatisierung, Monitoring, Security, Application Lifecycle Management und Datenmanagement die Basis für den operativen S/4-Betrieb.

Zum zweiten Mal bereits veranstaltet das E3-Magazin in Salzburg einen Summit für die SAP-Community, um sich über alle Aspekte der S/4-Hana-Basisarbeit umfassend zu informieren.

Veranstaltungsort

Mehr Informationen folgen in Kürze.

Veranstaltungsdatum

Mittwoch, 21. Mai, und
Donnerstag, 22. Mai 2025

Early-Bird-Ticket

Verfügbar bis Freitag, 24. Januar 2025
EUR 390 exkl. USt.

Reguläres Ticket

EUR 590 exkl. USt.

Veranstaltungsort

Hotel Hilton Heidelberg
Kurfürstenanlage 1
D-69115 Heidelberg

Veranstaltungsdatum

Mittwoch, 5. März, und
Donnerstag, 6. März 2025

Tickets

Reguläres Ticket
EUR 590 exkl. USt
Early-Bird-Ticket

Verfügbar bis 24. Dezember 2024

EUR 390 exkl. USt
Veranstalter ist das E3-Magazin des Verlags B4Bmedia.net AG. Die Vorträge werden von einer Ausstellung ausgewählter SAP-Partner begleitet. Der Ticketpreis beinhaltet den Besuch aller Vorträge des Steampunk und BTP Summit 2025, den Besuch des Ausstellungsbereichs, die Teilnahme an der Abendveranstaltung sowie die Verpflegung während des offiziellen Programms. Das Vortragsprogramm und die Liste der Aussteller und Sponsoren (SAP-Partner) wird zeitnah auf dieser Website veröffentlicht.