S/4 wächst mit viel Kritik
DSAG-Investitionsreport 2023
Der Griff zur Preis- und Konditionenliste (PKL) der SAP, um eine weitere ERP-Herausforderung zu lösen, ist nicht mehr selbstverständlich. Laut der jährlichen DSAG-Investitionsumfrage geht SAP in die richtige Richtung, aber es gibt auch viele Bereiche, wo die DSAG-Mitglieder deutliche Kritik äußern. Der Anwenderverein DSAG hat die Erwartungshaltung diesbezüglich an SAP kommuniziert – nämlich eine ganzheitliche, allen Anwenderunternehmen zuträgliche Regelung, die nicht auf pauschalen jährlichen Erhöhungen basiert. Im Rahmen der DSAG-Keynote bei den ausgebuchten Technologietagen im vergangenen März in Mannheim wurde seitens der Interessenvertretung der Appell laut, dass SAP davon absehen solle, die 3,3-prozentige Preiserhöhung auch für die Cloud-Services anzusetzen, die abgekündigt sind. „Wenn Kunden für bereits abgekündigte oder nicht weiter gewartete Cloud-Lösungen noch mehr zur Kasse gebeten werden, erzeugt das einen negativen Eindruck vom Hersteller – und das kann aus DSAG-Sicht kein Ziel von SAP sein“, so DSAG-Vorstandsvorsitzender Jens Hungershausen.
“Wenn Kunden für abgekündigte Cloud-Lösungen zur Kasse gebeten werden, erzeugt das einen negativen Eindruck.”
Jens Hungershausen, Vorstandsvorsitzender DSAG
Als Reaktion auf das derzeitige Wirtschaftsklima wollen die CEOs ihre Kosten senken und das Umsatzwachstum ankurbeln. Das geht aus dem 26. jährlichen Global-CEO-Survey von PwC hervor, bei dem im Oktober und November vergangenen Jahres 4410 CEOs in 105 Ländern befragt wurden. 52 Prozent der CEOs geben an, die Betriebskosten zu senken, während 51 Prozent die Preise erhöhen und 48 Prozent ihr Produkt- und Dienstleistungsangebot diversifizieren. Mehr als die Hälfte gibt jedoch an, dass sie in den nächsten zwölf Monaten nicht plant, ihre Belegschaft zu reduzieren.
Bob Moritz, Global Chairman von PwC, sagt:„Eine unbeständige Wirtschaft, die höchste Inflation seit zehn Jahren und geopolitische Konflikte haben dazu beigetragen, dass der Pessimismus der CEOs so hoch ist wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. CEOs auf der ganzen Welt bewerten ihre Betriebsmodelle neu und senken die Kosten, doch trotz dieses Drucks stellen sie ihre Mitarbeiter weiterhin in den Mittelpunkt, wenn es darum geht, Fachkräfte im Zuge der Great Resignation zu halten. Die Welt verändert sich unaufhaltsam und die Risiken für Organisationen, Menschen und den Planeten werden weiter zunehmen. Wenn Unternehmen nicht nur florieren, sondern auch die nächsten Jahre überleben wollen, müssen sie den doppelten Imperativ, kurzfristige Risiken und betriebliche Anforderungen zu minimieren, sorgfältig mit langfristigen Ergebnissen abwägen – denn Unternehmen, die sich nicht wandeln, werden nicht überlebensfähig sein.“
Business Suite 7 vs. S/4 Hana
Für die SAP-Investitionen in diesem Jahr relevant ist dennoch die Business Suite, bei sechs Prozent für hohe Investitionen und bei 22 Prozent für mittlere Investitionen. In S/4 planen 28 Prozent hohe und 38 Prozent mittlere Investitionen. Trotz der Erkenntnisse von PwC, die Betriebskosten zu senken, überrascht die Investitionsbereitschaft der DSAG-Mitgliedsunternehmen nicht, denn bis 2027 und spätestens 2030 müssen Unternehmen von ihrem alten ERP-System zu S/4 Hana wechseln. Dann fallen ältere Systeme aus der Wartung!
„Für S/4-Hana-Projekte im Besonderen und Transformationsprojekte im Allgemeinen gilt: Je nach Komplexität können Migrationsprojekte mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Eine echte Transformation erfordert, dass neue Technologien evaluiert und eingeführt sowie Prozesse neu gedacht werden“, so Jens Hungershausen. Darüber hinaus müssten bei Migrationsprojekten oftmals alter Code bzw. bestehende Prozesse ersetzt und Stammdaten bereinigt werden. Der Industrieverband sieht SAP hier in der Pflicht, die Partner stärker zu befähigen, bei Migrationsprojekten adäquat zu unterstützen.
„2027 klingt noch fern. Der Aufwand, der mit einer solchen Migration verbunden ist, darf dennoch nicht unterschätzt werden. Hier brauchen Unternehmen starke Partner mit ausreichenden Ressourcen an ihrer Seite“, urteilt Jens Hungershausen. Die notwendige Verfügbarkeit von Partnern für die kurze Zeitspanne bis 2027 wird zu einer zusätzlichen externen Herausforderung für den Projekterfolg. Die Unternehmen sind daher zum Handeln aufgefordert.
Cloud-Umfeld und Preise
In diesem Investitionsreport wurde auch erstmals nach einer Einschätzung zur Preispolitik von SAP im Cloud-Umfeld gefragt. Als zufrieden bezeichnen sich lediglich fünf Prozent. 20 Prozent beurteilen ihren Status mit weder zufrieden noch unzufrieden, 26 Prozent der Befragten machten keine Angaben. „Natürlich lässt sich bei diesem Ergebnis nicht verschweigen, dass damit bei fast der Hälfte die Preispolitik von SAP nicht auf Gegenliebe stößt. Das sehe ich aber als ein grundlegendes Problem, das die Kundenunternehmen mit allen Anbietern von Cloud-Lösungen haben“, bringt Jens Hungershausen das Ergebnis auf den Punkt. Und er ergänzt: „Die geplante jährliche Preiserhöhung für SAP-Cloud-Dienste hat für viel Kritik bei den DSAG-Mitgliedern gesorgt. Wir sind davon überzeugt, dass verlässliche Mechanismen für die Preisentwicklung benötigt werden. Auch deshalb sind diese Werte wie ein Echo einer bereits im vergangenen Jahr gezeigten Reaktion der SAP-Kunden. Eine jährliche wiederkehrende Erhöhung der Preise erschwert Unternehmen den Weg in die Cloud.“
Das IT-Budget der befragten Unternehmen steigt im Vergleich zu 2022 bei 54 Prozent, bei 26 Prozent bleibt es gleich und bei 15 Prozent sinkt es. Die SAP-Budgets steigen bei 52 Prozent, bei 31 Prozent bleiben sie gleich und bei 15 Prozent sinken sie. „Der Aufwärtstrend bei den IT-Budgets sowie den Budgets für SAP-Lösungen, der bereits letztes Jahr zu erkennen war, setzt sich auf annähernd gleichem Niveau fort. Das spricht für Zuversicht bei den Unternehmen, dass Krisensituationen gut gemeistert werden“, fasst DSAG-Vorstandsvorsitzender Jens Hungershausen zusammen. Damit ergibt sich in der deutschsprachigen SAP-Community ein differenziertes Bild zu den globalen Erkenntnissen aus der PwC-Studie.
Eine weitere Frage dreht sich um die digitale Transformation und die Fortschritte der Unternehmen. Im vergangenen Jahr wurde diese Frage nicht gestellt, sodass der Vergleich zu 2021 herangezogen werden muss. Sehr weit sind fünf Prozent, als weit bezeichnen sich 39 Prozent, der identische Wert wie 2021. Nicht sehr weit sehen sich 52 Prozent, eine Steigerung um zwei Prozentpunkte im Vergleich zum Report vor zwei Jahren. „Das spricht dafür, dass die Unternehmen während der Pandemie andere Prioritäten gesetzt haben und vielleicht auch angesetzte Digitalisierungsprojekte zunächst aufgrund der existierenden Unsicherheiten zurückgestellt hatten“, so Jens Hungershausen. Gefragt nach den eingesetzten SAP-Lösungen liegt ERP/ECC 6.0 bzw. die SAP Business Suite mit 79 Prozent weiter deutlich in Führung vor S/4 On-prem mit 41 Prozent.
Es folgen S/4 Private Cloud mit acht Prozent und S/4 Public Cloud mit drei Prozent. Diese Angaben sind mit Vorbehalten zu bewerten: Wie eine Umfrage des E-3 Magazins ergeben hat, sind die Begrifflichkeiten von SAP und in der Community keineswegs konsistent. Immer öfters wird die Private Cloud auch als On-prem-Lösung im eigenen Rechenzentrum oder bei einem Outsourcer, Hoster oder Hyperscaler definiert. Zusammen mit HPE hat SAP hier sogar ein eigenes Private-Cloud-On-prem-Konzept aufgesetzt.
Im Zeitraum von 24. Januar bis 15. Februar 2023 haben sich 265 Teilnehmer im DACH-Raum an der Umfrage beteiligt. Befragt wurden CIOs, CCC-Leiter sowie Ansprechpersonen aus Mitgliedsunternehmen. Dabei wurde nur eine Person pro Mitgliedsunternehmen angeschrieben und zur Teilnahme aufgefordert. Aus Deutschland haben sich 188 DSAG-Mitglieder beteiligt, aus der Schweiz 35 und aus Österreich 31. Aus weiteren Ländern kamen elf Teilnehmende.