Red Hat: Game Changer & Risky Flop
Für Kenner und ältere Semester wird schlagartig die Erinnerung an Léo Apotheker wach. In seiner kurzen Alleinherrschaft bei SAP getraute er sich nicht, ähnlich viel Geld für eine Übernahme auszugeben – aber bei Hewlett-Packard:
Mit elf Milliarden US-Dollar kaufte er als HP-Boss das britische Software-Unternehmen Autonomy. Was für eine Fehlinvestition! Zugutehalten muss man dem armen Apotheker, dass die Richtung stimmig war: HP musste und muss sein Angebot in Richtung weiterer Dienstleistungen und Software-Angebote erweitern, siehe IBM.
IBM versucht seit vielen Jahren, sich aus der Mainframe-Tradition zu befreien, ohne den Mainframe für Bankrott zu erklären. Ein schwieriges Unterfangen, das aber bisher geglückt ist.
Auch wir nutzen Mainframes und das Preis-Leistungs-Verhältnis ist erstaunlich gut. Nun hat IBM seit vielen Jahren Dienstleister und Software-Unternehmen übernommen. Dieses Konglomerat aus unterschiedlichen Kulturen, Technologien und Märkten hinterlässt ein gemischtes Gefühl.
Den großen Erfolg konnte IBM noch nicht einfahren, denn Microsoft, Alibaba, AWS und Google sind agiler und smarter. Selbst der IBM-Hoffnungsträger Watson mutiert immer mehr zum Rohrkrepierer. Oder ist Watson schon tot?
Red Hat erscheint mir jedoch eine Ausnahme zu sein, da ist einerseits der Preis von 34 Milliarden US-Dollar und andererseits die hohe Zahl von 12.500 Mitarbeitern, die nun „blau“ gewaschen werden müssen.
IBM hat eine ähnlich wichtige strategische Übernahme schon einmal an die Wand gefahren: Softlayer, als IBM-Unternehmen, hatte 2013 die Chance, ein Vorläufer der heutigen Hyperscaler wie AWS, Google und MS Azure zu werden.
Der technologische Vorsprung konnte nicht in eine Marktdominanz gewandelt werden. Jetzt soll es mit Red Hat und einem breiten Open-Source-Angebot sowie Hybrid Cloud gelingen.
In der Coverstory vom vergangenen November hat Chefredakteur Färbinger versucht, „Hana on Power“ und damit IBM gut aussehen zu lassen.
Und es stimmt: Die Kombination aus IBM-Power-Hardware, Suse Linux und SAP Hana ist in den allermeisten Fällen mehr zu empfehlen als eine Intel-Plattform.
Und ich denke, dass diese Kombination wahrscheinlich noch die kommenden drei Jahre das Maß jeder Hana-Performance sein wird. Der Power-Prozessor ist eine Big-Data-Maschine.
Niemand hat so viel „Liebe“ in ein Linux-Derivat für Hana investiert wie Suse. Man könnte aus Sicht der SAP-Community die Kombination Suse und Hana auch als „Dream-Team“ bezeichnen.
Um den Erfolg von Suse Linux im Allgemeinen und die Fürsorge für Hana inklusive aller Kinderkrankheiten und Anomalien nicht zu gefährden, braucht Suse dringend eine Kapitalspritze!
Suse wird gegen das neue Open-Source-Dream-Team keine Chance haben. IBM und Red Hat haben das theoretische Potenzial, die Open-Source-Szene für den B2B-Markt neu zu definieren: Das Ziel wird weniger eine Linux-Marktführerschaft als ein sehr breites Cloud- und Open-Source-Angebot sein.
Auch Suse versucht, mehr als „Linux“ zu sein. Das Gebot der Stunde und die Alternative zum SAP-Multicloud-Konzept heißt Hybrid Cloud, damit könnten IBM und Red Hat auch nachhaltig gegen AWS, Google, Alibaba und Azure punkten.
Aus Sicht der SAP-Community und der Bestandskunden ist der Nachteil einer Hybrid Cloud, dass man in vielen Disziplinen unterwegs ist: Ein hybrides Konzept bedeutet Know-how im Bereich on-premise, das eigene Rechenzentrum, genauso wie on-demand (Privat-, Public- und Multicloud).
Wer sich dann noch etwas anfängt mit der SAP Hana Cloud Platform, wird zusätzlich lizenzpflichtig im Sinne der „indirekten“ Nutzung. Zumindest die technische und organisatorische Seite eines hybriden Betriebs werden IBM und Red Hat wahrscheinlich besser beherrschen als jeder andere Public-Cloud-Hyperscaler inklusive der SAP.
Somit könnte eine zukünftige Hybrid Cloud von IBM und Red Hat zum „Game Changer“ werden, wenn auch mit sehr hohem Risikopotenzial.