Nicht besser, aber weiter
Die digitale Transformation ist die Chance, weiter, über den bekannten Tellerrand hinaus, zu denken. Diese Erweiterung des ERP-Horizonts ist die Vision von SAP-Chef Christian Klein. Er motiviert Bestandskunden, Partner und die eigenen Mitarbeiter, ERP nochmals neu zu denken – vielleicht sogar neu zu erfinden. Sein Vorbild? Niemand Geringerer als die fünf SAP-Gründer und deren Freigeist vor fast 50 Jahren.
Aus aktueller Sicht mag es fast trivial erscheinen, was die SAP-Gründer Dietmar Hopp, Hasso Plattner, Claus Wellenreuther, Klaus Tschira und Hans-Werner Hector damals vollbrachten: eine Datenbank als Single Point of Truth, kombiniert mit einigen Anwendungsmodulen und der Möglichkeit, aus jeder Situation durch Drill-down zum Originalbeleg zu gelangen (später funktionierte das bei R/3 mit mehreren Mausklicks).
Damals war es revolutionär, weil die vorherrschende Meinung darin bestand: DV/Org-Probleme werden mit Hardware gelöst! Das war auch der eigentliche Grund, warum Dietmar Hopp und seine Kollegen den Weltkonzern IBM verließen. IBM glaubte an die Kraft der Hardware, damals schon sahen Hasso Plattner und Kollegen die Zukunft in der Software.
IBM hielt noch viele Jahre am Mainframe-Paradigma fest, während kurz nach der Gründung von SAP in Walldorf bis heute die innovativste ERP-Software der Welt entsteht. Professor Henning Kagermann als erster SAP-Chef nach der Gründer- und Eigentümergeneration konnte diesen innovativen Geist einer betriebswirtschaftlichen Standard-Software noch weitertragen.
Léo Apotheker und Bill McDermott sahen ihren Mehrwert im aggressiven Vertrieb und wachsenden Umsatz. Das kurze Intermezzo mit der Doppelspitze Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott konnte an der kommerziellen Ausrichtung des ERP-Weltmarktführers nicht viel ändern.
An Jahren jung, aber offensichtlich bereits mit viel Lebenserfahrung versehen beschreitet nun Christian Klein als SAP-Chef neue Wege:
„Ein Jahr SAP-Chef. Wie Christian Klein den Druck erhöht hat. Der 40-Jährige trimmt den Dax-Konzern auf Kundenfreundlichkeit – und stellt ihn neu auf. Dabei nimmt er alte wie neue Führungskräfte in die Pflicht“, schreibt Christof Kerkmann im Handelsblatt folgerichtig.
Und niemand zuvor hat bei SAP den Begriff „Kundenfreundlichkeit“ ähnlich umfassend und nachhaltig definiert und vorgelebt wie Christian Klein. Es ist nicht mehr das egoistische Streben, einen noch besseren Aktienkurs zu erzielen, sondern das Bestreben, den SAP-Bestandskunden eine sichere Zukunft mit SAP-Software zu garantieren. In der viel beachteten DSAG-Keynote von Mitte Oktober hat Christian Klein nicht nur das Zuhören betont, sondern auch das anschließende Handeln den Zuhörern angeboten und von seinen Mitarbeitern eingefordert – geht das?
Die DSAG-Keynote war am Montagvormittag des 12. Oktobers. Unfreiwillig saß ich an diesem Tag noch kurz vor Mitternacht im Büro und tippte unsere Umsatzsteuervoranmeldung in das Elster-Programm des Finanzamts Traunstein. Das Finanzamt hat ein Update von Elster-Online durchgeführt und SAP Business One Version 9.3 ist damit nicht mehr kompatibel (aktuelle Version ist seit knapp einem Jahr 10). Ich erinnerte mich an die Worte von Christian Klein und schrieb ihm eine kurze Mail: Ich brauche Hilfe!
Zwei Tage später meldete sich SAP-Manager Rainer Zinow bei mir, den ich nun mittlerweile auch schon über zehn Jahre sehr gut kenne, und er erklärte mir, dass SAP aus verständlichen Gründen für Version 9.3 keinen Patch mehr liefern will – aber man würde sich sehr gerne eine pragmatische Lösung überlegen! Journalisten-Bonus, oder?
Drei Tage nach der DSAG-Keynote am Donnerstag bekam ich folgende Mail: „Hallo Peter, die pragmatische Lösung hat sich als umsetzbar erwiesen. Wir werden eine neue Version des Elster-Add-ons für B1 9.3 liefern. Wir brauchen zwei Wochen, um das Add-on zu aktualisieren und ausführlich mit unseren Local Product Experts zu testen. Wir informieren alle deutschen Partner über die Entscheidung in den nächsten Tagen. Viele Grüße, Rainer Zinow.“
Zuhören und handeln – besser hätte SAP die Worte ihres Chefs aus der Keynote nicht unter Beweis stellen können. Es ist sehr beeindruckend, wie sich der ERP-Weltkonzern innerhalb weniger Monate wandeln konnte. Wenn auch der ganze Respekt dem jungen SAP-Vorstandsteam Christian Klein, Jürgen Müller und Thomas Saueressig gehört, so müssen naturgemäß auch die vielen „väterlichen“ Tipps und Tricks von Hasso Plattner und Gerd Oswald mitberücksichtigt werden. Hasso Plattner hat sehr offen und selbstkritisch über die McDermott-Ära referiert und SAP-Aufsichtsrat Gerd Oswald begleitet Christian Klein seit vielen Jahren auf dessen erfolgreichem Karrierepfad.
Nun liegt es an der SAP-Community, die Vorstände Christian Klein, Jürgen Müller und Thomas Saueressig zu fordern, denn sie können nicht nur zuhören, sondern auch liefern. Ich würde mich über weitere Erfolgsmeldungen sehr freuen oder darüber, dabei mithelfen zu dürfen, wenn es einmal hakt. Nutzen Sie meine E-Mail-Adresse pmf@b4bmedia.net oder die Telefonnummer +49 160 4785121, um gemeinsam die SAP-Community erfolgreich und digital zu transformieren.