Nahtlos statt ratlos – SAP-Schnittstellenmigration


Der finnische Chemiekonzern Kemira mit 5000 Mitarbeitenden, 3,6 Milliarden Euro Jahresumsatz, 63 Produktionsstätten und Vertrieb in über 100 Ländern hat den Umstieg auf eine neue digi-tale Zukunftsplattform in der Cloud realisiert. Das Unternehmen hat dabei nicht nur die bestehende SAP-ERP-Welt umfassend digitalisiert und in die S/4 Private Cloud gehoben, sondern auch die globale Integrationslandschaft von SAP Process Orchestration auf SAP Integration Suite umgestellt.
Das Transformationsprojekt trug aus gutem Grund den Namen Leap, da es fünf eng verzahnte Initiativen zeitgleich umsetzte: die SAP-S/4-Transformation, die Neugestaltung des Finanzwesens, die Einführung von SAP Datasphere als Enterprise Data Warehouse, eine Digital-Data-Excellence-Initiative und die Komplettmigration von 363 Schnittstellen auf die SAP Inte-gration Suite. „Zum Zeitpunkt des Go-live handelte es sich dabei nach unserem Kenntnisstand um eine der bis dato größten und komplexesten Schnittstellenmigrationen nach SAP Integration Suite“, ordnet Holger Himmelmann, Consulting Director Enterprise Integration bei cbs, den Umfang ein. Der Big-Bang-Go-live der migrierten Schnittstellen fand zeitgleich mit dem S/4-Go-live statt.
Vom Assessment zur Durchführung
Die Schnittstellenmigration bei Kemira ist eine Blaupause für das cbs Schnittstellenmigrationsprogramm „Integration Suite Uplift“, das einen Standardansatz für die Migration von Schnittstellen von SAP Process Integration / Orchestration auf die SAP Integration Suite definiert. Das Programm stellt eine erfolgreiche Migration sicher, indem es ein umfassendes Schnittstellen-Assessment, eine Roadmap-Definition und schließlich die eigentliche Migration bis hin zum Go-live der Schnittstellen abdeckt. Bereits einige Monate im Vorfeld der Migration begannen cbs-Berater damit, die bestehende Schnittstellenlandschaft zu analysieren und eine Migrations-Roadmap zu erarbeiten. Zunächst wurde eine grundlegende Integrationsstrategie mithilfe der SAP Integration Solution Advisory Methodology (ISA-M) definiert. Die Ergebnisse dieser ersten Phase wurden anhand unterschiedlicher Szenarien verprobt, um ihre Anwendbarkeit zu prüfen und mögliche Ausnahmefälle zu identifizieren.
Vom As-Is zum Replacement
Jeder Schnittstelle wurde ein geeigneter Migrationsansatz zugeordnet, der von einer „As-Is“-Migration ohne technische Anpassungen über einen „Technology Fit“ bis hin zu einem „Redesign“ oder „Replacement“, zum Beispiel mit SAP Pre-Packaged Con-tent, reichte. Außerdem wurde für jede Schnittstelle eine Schätzung des Migrations-aufwands über T-Shirt-Sizes vorgenommen. Mithilfe dieser Ergebnisse und dem konkreten Projektplan für die Migration konnte die Schnittstellenmigration in das Leap-Programm integriert werden. „Wir begannen mit einer High-Level-Vision auf einer einzigen PowerPoint-Folie, die im Grunde eine Systemlandschaft inklusive aller für die Integration relevanten Komponenten zeigte. Während des Assessments haben wir diese Vision gemeinsam mit der cbs konkretisiert, bis wir ein klares Integrationsdesign für -jedes Szenario hatten. Es war großartig zu beobachten, wie unsere anfängliche Idee während der tatsächlichen Migration Realität wurde und wie das cbs-Team die Schnittstellen schrittweise in die vorgesehene Zielarchitektur überführte“, berichtet Miikka Vainionpää, Senior Manager, IT Enterprise Architecture and Integrations bei Kemira.
Während des Assessments identifizierte das Projektteam potenzielle Kandidaten für Schnittstellenerweiterungen und -redesigns, die mit vertretbarem Aufwand während der Migration durchgeführt werden konnten.
Implementierung beschleunigen
Das Ziel bestand nicht darin, eine 1:1-Migration durchzuführen, sondern auch einen Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen, insbesondere im Hinblick auf die Implementierungsgeschwindigkeit zukünftiger Schnittstellen. Durch die Durchführung der Migration als Teil der S/4-Initiative ergab sich die Möglichkeit eines gemeinsamen End-to-End-Tests einschließlich aller Schnittstellen, was die Geschäftsbereiche weniger belastete, da alle relevanten Personen ohnehin verfügbar und dem Projekt zugeordnet waren. Die Schnittstellenmigration erfolgte nach der Devise „Wiederverwendung, wo möglich. Neugestaltung, wo es einen echten Mehrwert erzeugt“. Für Schnittstellen der Kategorie „As-Is“ wurden Mappings aus der SAP Process Orchestra-tion in die SAP Integration Suite importiert und wiederverwendet.
Wesentlich komplexer waren die Tätigkeiten bei Schnittstellen der Kategorien „Technical Fit“ oder „Redesign“: Alle bestehenden Java-Mappings wurden in Groovy–Skripte überführt. Lookups im ERP-Back-end-System innerhalb des Middleware–Mappings, die zuvor über klassische RFC-Aufrufe erfolgten, wurden durch Aufrufe von Standard-OData-Services oder Custom-CDS-Views in S/4 Hana ersetzt. So wurde ein zukunftssicherer und kontrollierter Zugriff auf Daten im S/4 Hana-Backend sichergestellt, der kein Risiko für die Up-grade-fähigkeit des Systems darstellt. XSLT- Mapping-Skripte in vielen bestehenden Schnittstellen wurden wiederverwendet und an die SAP Integration Suite angepasst.
Zusätzlich zur Migration der Kernschnittstellen wurde das SAP API Management als zentraler API-Management-Layer eingeführt, um einen zentralen Zugriffspunkt für API-basierte Integrationsszena-rien zu schaffen. Für alle eingehenden -http–basierten Schnittstellen in das Kemira-Netzwerk wurden entsprechend APIs realisiert, die unternehmensweite Sicherheitsstandards gewährleisten. Klassische Dateifreigaben wurden durch einen Azure Files Service ersetzt, einen Dateispeicher, der einen Webservice-basierten Zugriff auf die Verzeichnisstruktur bietet. All diese Aspekte erforderten zusätzliche Anpassungen an den Schnittstellen, waren jedoch entscheidend, um zu einer sauberen Zielarchitektur zu gelangen. Während der Projektdurchführung war keine Out-of-the-Box-Lösung für Swift-Schnittstellen in der SAP Integration Suite verfügbar. Die cbs-Berater implementierten eine individuelle Lösung mit der Option, diese Schnittstellen zu -einem späteren Zeitpunkt durch von SAP bereitgestellte Inhalten zu ersetzen.
Eine der Hauptherausforderungen während der gesamten Migration bestand da-rin, Redesigns und Verbesserungen an Schnittstellen gegenüber der Wiederverwendung von bestehenden Artefakten in der richtigen Balance zu halten, um einerseits den größtmöglichen Nutzen zu schaffen und andererseits die Migration aller Schnittstellen in der vorgegebenen Zeit und Qualität abzuschließen. Um dies zu erreichen, arbeiteten die Architekten von cbs und Kemira sehr eng zusammen.
Um eine korrekte Umsetzung aller Schnittstellen sicherzustellen, war der Test der migrierten Schnittstellen auf der SAP Integration Suite ein entscheidender Faktor. Aus diesem Grund entschied sich das Projektteam für den Einsatz des Figaf-Test-Tools zur Durchführung von Schnittstellen-Regressionstests. Das cloudbasierte Tool liest Nachrichten aus der bestehenden SAP Process Orchestration und prozessiert sie über die entsprechende Schnittstelle in der SAP Cloud Integration. Dieser Test-ansatz wurde für große Teile der migrierten Schnittstellen verwendet und bot deutliche Vorteile in puncto Testgeschwindigkeit und Nachvollziehbarkeit.
Produktivsetzung
Alle Initiativen des Leap-Programms wurden parallel umgesetzt und in einem Big-Bang-Ansatz nach 15 Monaten Projektlaufzeit live gesetzt – Rekordzeit für eine so umfassende Transformation. Alle 363 Schnittstellen laufen seither stabil auf der SAP Integration Suite, die SAP Process Orches-tration wurde abgelöst. Die durchgeführten Redesigns führten zu einem stabileren und reibungslosen Betrieb, die saubere Gesamtschnittstellenarchitektur zu einem erhöhten Entwicklungstempo für neue Anforderungen. „Kemira hat den Sprung in die Cloud Company geschafft und seine komplette Prozesswelt digitalisiert. Damit hat der Konzern nun eine optimale Ausgangsposition. Mit der implementierten Plattform kann das Unternehmen an alle Folge-Entwicklungen der SAP anknüpfen und ist technologisch immer State of the Art. Das ist ein echter Innovationsvorsprung gegenüber anderen Firmen, die diese Entwicklungsstufe womöglich erst in fünf Jahren erreichen“, erklärt cbs-CEO Rainer Wittwen.
Mit dem Go-live ist die Zusammenarbeit von Kemira und cbs im Umfeld der Inte-gration nicht beendet. Die vertrauensvolle Partnerschaft wird fortgesetzt, indem die cbs bei Kemira ein DevOps-Team aufbaut, das sowohl Neuentwicklungen als auch den produktiven Support für alle Schnittstellen auf der SAP Integration Suite übernimmt. Außerdem wird derzeit von cbs ein umfassendes Konzept zur Integration von B2B–Partnern mit Kemira entwickelt.
Zum Partnereintrag:
