McDermott und Plattner auf Linie
Was weiß Professor Plattner über die Probleme im SAP-Vorstand? Was berichtet ihm auf der einen Seite SAP-Chef Bill McDermott und auf der anderen Seite Aufsichtsrat Gerd Oswald?
Ende vergangenen Jahres sah es für Gerd Oswald sehr gut aus, seine langfristige Strategie schien Erfolg zu haben:
Er selbst wurde am 1. Januar dieses Jahres Mitglied des SAP-Aufsichtsrats und Bernd Leukert war auf dem Weg zum Service- Vorstand der SAP.
Vor sehr langer Zeit hat Gerd Oswald unter anderem zwei Personen für seine Nachfolge als SAP-Service-Vorstand ausgewählt und begonnen, sie auszubilden:
Michael Kleinemeier und Bernd Leukert.
Kleinemeier versuchte zwischenzeitlich außerhalb der SAP-Community sein Glück, während Bernd Leukert zielstrebig auf dem Weg in den SAP-Vorstand war.
Dann kam das Missgeschick mit „Plattner- Ziehsohn“ und Technikvorstand Vishal Sikka. Zwischen Plattner und Sikka herrschte Uneinigkeit über eine zukünftige Hana-Strategie.
Über Nacht brauchte SAP einen neuen Technikvorstand und Leukert war bei der Hand. Oswald stand ohne Nachfolger da und musste seinen Vorstandsvertrag verlängern.
Kollege Bernd Freytag von der Frankfurter Allgemeinen führte in Walldorf mit SAP-Chef Bill McDermott Anfang April ein Interview.
McDermott:
„Unser Aufsichtsratsvorsitzender Hasso Plattner und ich sind vollständig auf einer Linie.“
Was nur heißen kann: Entweder will Plattner die Probleme bei SAP nicht sehen, oder McDermott informiert ihn nicht wahrheitsgemäß. In Walldorf jedenfalls herrscht Entsetzen über die Passivität des Aufsichtsratsvorsitzenden Plattner.
Warum duldet Professor Plattner diesen Wissensabfluss? SAP CTO und President SAP Cloud Platform Björn Goerke; Ex-Technikvorstand und Servicevorstand Bernd Leukert; zahlreiche Hana- und Abap-Spezialisten, darunter ein ganzes Hana-Labor in Kalifornien mit 250 Mitarbeitern; und jetzt auch noch Cloud-Business-Vorstand Rob Enslin.
„In den USA sind ganze Standorte dichtgemacht worden und es fehlten von heute auf morgen Ansprechpartner. Da ist viel Kredit verspielt worden“
sagte SAP-Betriebsratsmitglied Eberhard Schick der Nachrichtenagentur Reuters.
Insider sehen bereits Parallelen zum unglücklichen Ex-SAP-Chef Léo Apotheker, auch dieser, wie McDermott, ein brillanter Verkäufer. Apothekers Fokus galt dem Umsatz und neuen Business Opportunities.
Beziehungspflege zu den Bestandskunden, dem Anwenderverein DSAG oder zu den eigenen Mitarbeitern war weniger seine Sache. Nach wenigen Monaten im Amt musste er abtreten und ging zu HP, wo er aber auch nicht glücklicher agierte.
Bill McDermott agierte lange Zeit mit mehr Fingerspitzengefühl. Die Hybris verleitete ihn aber zu unlogischen Schritten: Warum kaufte er Qualtrics für etwa 7 Milliarden Euro, ohne damit ein Alleinstellungsmerkmal zu erringen? Qualtrics ist eine erfolgreiche Firma, aber bestenfalls die Hälfte wert, meinen viele Finanzanalysten.
Warum wurde nicht der sehr erfahrene Björn Goerke Nachfolger von Technikvorstand Bernd Leukert, sondern der junge und unerfahrene Jürgen Müller, für den selbst die Fußabdrücke von Leukert viel zu groß sind: Traditionell führt in Hannover der SAP-Technikvorstand Bundeskanzlerin Angela Merkel über den Messestand.
Dieses Jahr musste Vorstand und Chief Operating Officer Christian Klein einspringen, der ein hervorragender Finanz- und Organisationsmanager, aber kein Techniker ist.
Warum musste Bernd Leukert von einem auf den anderen Tag das Unternehmen verlassen? Ohne Vorwarnung? Jeder in Walldorf weiß, dass Leukert für den neuen Job als Servicevorstand bestens geeignet gewesen wäre – wesentlich besser als für den Technikvorstand.
Er wurde ja auch von Servicemann Oswald ausgebildet! Anfang dieses Jahres präsentierten Kleinemeier und Leukert gemeinsam die Ziele der SAP-Serviceorganisation. Michael Kleinemeier berichtete über Vergangenes und plante seinen Ruhestand für Ende dieses Jahres.
Bernd Leukert sprach motiviert über zukünftige Pläne. Die Mitarbeiter waren sehr zufrieden – nur offensichtlich Bill McDermott nicht, der nach dem Rauswurf nicht einmal ein paar lobende Worte für Leukert übrig hatte. Diese Aufgabe musste Plattner übernehmen – McDermott schwieg!
Dann das erwähnte Interview in der Frankfurter Allgemeinen, nachdem auch Cloud-Business-Vorstand Rob Enslin hingeschmissen hat.
„Wenn zwei Vorstände, die zusammen fünfzig Jahre für SAP gearbeitet haben, nach langer Zeit etwas Neues planen, dann ist das völlig normal“
erklärte McDermott in dem FAZ-Interview.
Zusammen mit Björn Goerke muss SAP einen Top-Executive-Wissensabfluss von 80 Mannjahren verkraften, wenn man die Rechnung von McDermott fortsetzt.
Fake News: Der Stellenabbau und die Personalrochaden im Vorstand sind nicht freiwillig, wie McDermott behauptet. Hier gibt es Leichen im Keller, von denen Professor Plattner noch nichts weiß.
Abwarten, ob Bill McDermott dieses Jahr bei SAP überlebt, denn im Vorstand gibt es ein Problem: Abschluss der Integration der Cloud-Zukäufe in den SAP-ERP-Kern.
Bernd Leukert hat es als Ex-Technikvorstand nicht geschafft, Jürgen Müller wird es nicht schaffen, Rob Enslin hat es versprochen und nun liegt der Ball bei Nichttechniker und Vorstand Christian Klein.