Interessenkonflikte @ Sapphire & HV
Beide Veranstaltungen sollten die Meinung, den Zustand und die Strategie der SAP konsolidieren. In Orlando auf der Sapphire hält zuerst Bill McDermott und am zweiten Tag Hasso Plattner jeweils eine Keynote, in der sie ihre Sicht der Dinge darlegen: McDermott aus operativer Sicht und mit viel Lob für seine eigene Arbeit; Hasso Plattner aus strategischer Sicht und als SAP-Übervater mit vielen wohlgemeinten Ratschlägen für seinen Vorstandsvorsitzenden Bill McDermott.
Beide Sapphire-Vortragende halten im Anschluss eine jeweils eigene Pressekonferenz ab, auf der Analysten und Journalisten ihre Fragen stellen können. Hinweis: Das E-3 Magazin gehört nicht zu den vorgelassenen und akkreditierten Medien. Wir beobachten das Geschehen in Orlando und Mannheim jeweils per Live-Videostream.
Zu beobachten ist seit vielen Jahren, dass die Fragen der Analysten und Journalisten immer „zahmer“, vorsichtiger und belangloser werden. Weil sich die Fragesteller mit Namen und Medium vorstellen sollen, lässt sich noch ein zweiter Umstand ausmachen: Die von SAP eingeladenen Medien gehören immer weniger zur internationalen Elite.
Während vor einigen Jahren die führenden Analysten wie Gartner und IDC noch ihre besten Mitarbeiter nach Orlando schickten und diese sehr gute, pointierte und auch kritische Fragen stellten, hörte man in diesem Jahr überwiegend Fragen von der Regionalpresse: Welche Bedeutung Indien nun für SAP habe? Etc.
Was wollten die Aktionärsvertreter in Mannheim wissen? Auch hier ein ähnliches Bild: Kritische und konstruktive Fragen standen in der Vergangenheit auf der Tagesordnung. Aber offensichtlich: „Geld macht blind“ (siehe auch Bericht über die SAP-Hauptversammlung in der Ausgabe Juni 2019 auf Seite 53).
Dieses Jahr waren die Fragen verfehlt (Beschäftigt sich SAP mit Quanten-Computing?) oder oberflächlich (Was kostet der Abgang der Vorstandsmitglieder Bernd Leukert und Rob Enslin den Konzern?) oder naiv (Wie viele produktive SAP-Bestandskunden gibt es in Deutschland?).
Wo liegt das Problem? Was ist der Interessenkonflikt?
Will man die Meinung und Sichtweise der SAP durch Fragen in Orlando und Mannheim verifizieren, ergibt sich immer das gleiche Bild: n plus 1. Stellt man n-mal die gleiche Frage, gibt es n plus eine Antwort. Es gibt nicht jedes Mal die gleiche Antwort, sondern immer wieder eine neue Antwort plus die persönliche Meinung der Auskunftsperson.
Wer, so wie die E-3 Redaktion, zwei Wochen vor dem PC-Bildschirm mit „Cola und Pizza“ verbringt, um alle Videostreams zu konsumieren, ist am Ende nicht gescheiter, sondern verwirrter – bestenfalls genauso klug wie zuvor.
Das Beispiel Integration: Vorstand Christian Klein erklärt in einem Interview, dass SAP eventuell ein bis zwei Jahre zurückliegt; in Orlando sagt er, dass alle Integrationsaufgaben bald gelöst sein könnten;
SAP-Chef Bill McDermott geht in Orlando auf das Thema erst gar nicht ein, erklärt aber in Hannover, dass Qualtrics eigenständig bleibt; und Professor Hasso Plattner hat wieder seine eigene Meinung, er empfiehlt, Brücken zwischen den einzelnen SAP-Silos und Inseln zu bauen.
Auf eine konsolidierte, nachhaltige und transparente Meinung der SAP zu den wichtigsten Zukunftsthemen wird man noch warten müssen. Oder sind Orlando und Hannover die falschen Orte für richtige Antworten?