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Individuell im SAP-Standard

Warum die Rückkehr zum SAP-Standard und Individualität durch kundenspezifische Anpassungen keine Gegensätze sein müssen, klärt Christoph Windheuser, Director Business Value Consulting beim Low-Code-Spezialisten OutSystems.
Outsystems
E-3 Magazin
11. Februar 2022
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Viele SAP-Bestandskunden überlegen, dem Rat von SAP zu folgen und zum Standard zurückzukehren, um die Transformation auf S/4 Hana zu vereinfachen und zu beschleunigen. Doch ist der Preis, der dafür zu zahlen ist, es wert? Schließlich gehen dabei die vielen individuellen Anpassungen und Eigenentwicklungen – Abap-Modifikationen im Z-Namensraum – verloren, in die so viel investiert wurde, um die Einzigartigkeit der Unternehmen und ihrer Prozesse abzubilden und zu unterstützen – ein unschätzbarer Wert im Wettbewerb.

E-3: Herr Windheuser, zurück zum SAP-Standard und dabei die individuellen Anpassungen beibehalten? Wie soll das gehen?

Christoph Windheuser, OutSystems: Das mag auf den ersten Blick wie ein unüberwindbarer Gegensatz erscheinen – ist es aber in Wahrheit gar nicht. Der Kern unseres Ansatzes ist folgender: Die wichtigen individuellen Anpassungen an der SAP-Lösung eines Unternehmens werden identifiziert und anschließend extern in unserer Low-Code-Entwicklungsplattform nachgebaut. Auf diese Weise werden die Individualisierungen, die den Transformationsprozess auf eine neue SAP-Generation, aber auch laufende Wartungsarbeiten oder das Einspielen von Sicherheitspatches deutlich verlangsamen können, quasi ausgegliedert. Was bleibt, ist der weitestgehend saubere SAP-Standard, der dann deutlich leichter migriert werden kann. Durch die Nachbildung der Anpassungen per Low-Code können diese auf der anderen Seite künftig auch viel einfacher und schneller gewartet und weiterentwickelt werden. Die Anbindung der mit Low-Code entwickelten Anpassungen an SAP erfolgt über Schnittstellen.

Christoph Windheuser, Director Business Value Consulting beim Low-Code-Spezialisten OutSystems, erklärt die Orchestrierung von SAP mit einer Low-Code-Entwicklungsplattform.

E-3: Welche Schnittstellen besitzt das OutSystems-Entwicklungssystem denn zu den Abap-Tabellen eines ECC 6.0, Hana und S/4?

Windheuser: Der Austausch zwischen SAP und OutSystems erfolgt auf Basis der SAP Business Application Programming Interfaces, BAPIs genannt. Für diese bieten wir zahlreiche Standard- sowie benutzerdefinierte SAP-Funktionen, auf die Anwender in unserer Plattform Zugriff erhalten. Somit lassen sich auch komplexe SAP-Schnittstellentypen mit leicht einsetzbaren Parametern abbilden. Alle importierten BAPI-Definitionen werden als visuelle Elemente zur Verfügung gestellt. So können sich Anwender diese dann auf eine grafische Entwicklungsoberfläche ziehen und ganz nach Bedarf mit weiteren Logikteilen anordnen. Abap-Tabellen hingegen werden über den SAP Netweaver Gateway als OData-Quellen zur Verfügung gestellt. Beide Varianten werden von SAP unterstützt und im SAP Business Hub beschrieben.

E-3: Wie wird die Releasefähigkeit der Entwicklungen sichergestellt?

Windheuser: Da die Funktionen, welche die Schnittstellen nutzen, durch unsere Plattform zur Verfügung gestellt und damit auch verwaltet werden, bleiben diese automatisch jederzeit aktuell. Solange alle SAP-Funktionen also über die offiziellen Schnittstellen aufgerufen werden, ist die Releasefähigkeit kontinuierlich gesichert.

E-3: Wie und wo sind die entwickelten Apps lauffähig? Stand-alone? Im eigenen On-prem-Namensraum? Auf der SAP BTP?

Windheuser: Die mit OutSystems entwickelten Anwendungen können sowohl in der Cloud als auch on-premises betrieben werden. Die Entwicklung selbst erfolgt in der OutSystems-Umgebung – die wiederum ebenfalls on-premises, als Infrastructure-as-a-Service oder in unserer verwalteten OutSystems-Cloud mit Hosting über AWS bereitgestellt wird. Letztere Variante ist derzeit übrigens die geläufigste. Für ein Hosting innerhalb der SAP-Business-Technology-Plattform bieten wir keine Unterstützung.

E-3: Welche Laufzeitumgebungen brauchen die Apps für eine SAP-Cloud-Installation bei den Hyperscalern?

Windheuser: Hier sind wir maximal flexibel. Die OutSystems-Anwendungen können ganz nach Bedarf in jeder Cloud-Umgebung der Hyperscaler bereitgestellt werden, von Google über AWS bis hin zu Azure oder Alibaba.

E-3: Gibt es spezifische Function-Calls für die Hana-Plattform?

Windheuser: Der Zugriff auf die Hana-Plattform ist entweder über das Hana-.Net-Interface oder über OData-Dienste möglich, die mit dem Hana-Modellierer erstellt werden, um Hana-Tabellen zur Verfügung zu stellen. Die Tabellen innerhalb der Hana-Datenbank selbst können dann zum einen über Ado.Net abgerufen werden. Zum anderen besteht die Möglichkeit, innerhalb des Hana-Modellierers eine OData-Service-Schicht über der Tabelle zu legen. OutSystems erhält dann über OData Zugriff.

E-3: Welche Gründe können angeführt werden, dass ein SAP-Bestandskunde nicht mehr in Abap und/oder Java programmieren soll?

Windheuser: Aus meiner Sicht bestehen hier mehrere Gründe. Der erste wäre die Amortisierungsdauer. In einer visuellen Full-Stack-Entwicklungsumgebung lassen sich Anwendungen mit einem Bruchteil des Aufwands entwickeln, bereitstellen und warten, der für die Anwendungserstellung auf klassischem Wege notwendig gewesen wäre. Zweitens können die Anwendungen in verschiedensten Client-Formaten – von Web- bis hin zu mobilen Apps – zur Verfügung gestellt werden, beispielsweise als Progressive Web Apps oder native iOS- oder Android-Apps. Und drittens spielt auch der Fachkräftemangel eine Rolle: Abap-Entwickler sind branchenunabhängig schwer zu finden, schwer auszubilden und im Endeffekt schwer zu halten. Low-Code-Entwicklung ist demgegenüber deutlich kosten-effektiver und macht es möglich, auch eher unerfahrene Entwickler recht schnell in die Lage zu versetzen, Anwendungen erstellen zu können, die auf SAP-Daten und -Prozesse zurückgreifen.

E-3: Welche Kooperationen und Zertifizierung gibt es zu SAP?

Windheuser: Unsere Plattform ist vollständig für SAP zertifiziert und stellt somit die erforderlichen SAP-Konnektoren und -Integrationen zur Verfügung. Alle Validierungen und Sicherheitseinstellungen in SAP werden an die in der OutSystems-Plattform erstellten Schnittstellen vererbt. Damit die Integrationslogik in jedem Fall korrekt funktioniert, verfolgt die Low-Code-Plattform alle gegenüber SAP durchgeführten Transaktionen nach, sodass Fehler bei Bedarf visuell aufgespürt und behoben werden können.

E-3: Gibt es wesentliche Unterscheidungskriterien zu anderen No-Code/Low-Code-Plattformen bzw. den entsprechenden Lösungen von SAP?

Windheuser: Was uns unterscheidet, können am Ende nur die Kunden beurteilen. Ich will mich hier darauf beschränken, kurz zu beschreiben, was wir können: Mit unserer Plattform bieten wir Kunden eine unabhängige Lösung. Das bedeutet unter anderem, dass die Unternehmen mithilfe unserer Plattform echten ausführbaren HTML-, CSS-, Java-Script- und .Net-Code erzeugen, den sie unabhängig von der OutSystems–Plattform nutzen können. Damit arbeitet unsere Lösung nicht nur ohne Vendor-Lock-in, sondern bietet Anwendern auch die Möglichkeit, vollständig auf den erzeugten Code zuzugreifen und diesen bei Bedarf mit eigenem Code beliebig zu ergänzen und zu erweitern. Damit lässt sich die jeweilige Applikation ohne Beschränkungen auf die bestehenden Bedürfnisse hin zuschneiden. Das Zusammenspiel von Anwendungen mit SAP über die BAPIs ist ein nativer Bestandteil der OutSystems–Plattform und ermöglicht den Anwendern damit auch komplexe Integrationen in ihre SAP-Welt. Auch bezogen auf Design und Benutzerfreundlichkeit sind die Entwickler mit OutSystems flexibel: Sie können das „Look and Feel“ der erstellten Lösungen ganz so gestalten, wie die Nutzer dies wünschen und benötigen.

Zukünftige Add-ons und App-Entwicklung müssen im SAP-Standard bleiben, dennoch aber einfach und effizient sein.

E-3: Können OutSystems-Apps mit dem SAP SolMan verwaltet werden?

Windheuser: Generell ist OutSystems nicht im SAP-Ökosystem beheimatet. Das Application Lifecycle Management erfolgt vielmehr nativ über unsere Plattform. Es stehen jedoch verschiedene Integrationspunkte bereit, die sich in die bestehende Continuous-Integration- bzw. Continuous–Delivery-Pipeline des Kunden einklinken.

E-3: Gibt es für OutSystems-Apps ein Testmanagement und Transportsystem zum Produktivsetzen?

Windheuser: Ja, das gibt es. Wir bieten ein natives Transportmanagement zwischen der Entwicklung des Kunden, den Testprozessen und der Produktivumgebung. Falls weitere Umgebungen benötigt werden, lassen sich diese jederzeit hinzubuchen.

E-3: Welche Vorteile ergeben sich über die Ablösung von Anpassungen hinaus für SAP-Kunden?

Windheuser: Über die Anpassungen hinaus können bei Bedarf auch weitere, kunden- und mitarbeiterorientierte Geschäftsprozesse und Geschäftslogiken außerhalb von SAP jederzeit flexibel mit Low-Code entwickelt werden beziehungsweise auf den SAP-Prozessen aufgesetzt werden, um etwa die Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen oder Abläufe für Mitarbeiter zu automatisieren. Ein Beispiel hierfür wären ergänzende mobile Apps für den Außendienst oder spezielle Portale für Lieferanten. So profitieren Anwender weiterhin von der Verlässlichkeit und Sicherheit der etablierten SAP-Prozesse, während gleichzeitig die Anforderungen heutiger Anwender nach Benutzerfreundlichkeit und Flexibilität erfüllt werden.

E-3: Läuft das nicht langfristig auf die Ablösung von SAP hinaus?

Windheuser: Sich im Wettbewerb flexibel und schnell durch individuelle Services und Apps abheben zu können stellt sich in der digitalen Wirtschaft als entscheidender Wettbewerbsvorteil dar. Ganz besonders im deutschsprachigen Raum, wo der Fachkräftemangel auch im SAP-Umfeld immer größer werden wird. Daraus folgt jedoch nicht, dass deshalb das Herz der Unternehmens-IT überflüssig wird. Und dieses Herz schlägt bei den allermeisten Unternehmen jetzt und in Zukunft in SAP. OutSystems hilft dabei, es fit zu halten. Das ist unsere Rolle. Viele SAP-Bestandskunden brauchen in S/4 viele der alten Buchungskreise und Geschäftsobjekte nicht mehr. Warum sollten sie diese Last weiter mit sich mitschleppen? Schlank, agil und individuell ist die Zukunft. Die Rückkehr zum SAP-Standard in Kombination mit unserer Low-Code-Plattform ist der richtige Weg in diese Zukunft.

E-3: Danke für das Gespräch.

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Die Arbeit an der SAP-Basis ist entscheidend für die erfolgreiche S/4-Conversion. 

Damit bekommt das sogenannte Competence Center bei den SAP-Bestandskunden strategische Bedeutung. Unhabhängig vom Betriebsmodell eines S/4 Hana sind Themen wie Automatisierung, Monitoring, Security, Application Lifecycle Management und Datenmanagement die Basis für den operativen S/4-Betrieb.

Zum zweiten Mal bereits veranstaltet das E3-Magazin in Salzburg einen Summit für die SAP-Community, um sich über alle Aspekte der S/4-Hana-Basisarbeit umfassend zu informieren.

Veranstaltungsort

Mehr Informationen folgen in Kürze.

Veranstaltungsdatum

21. und 22. Mai 2025

Early-Bird-Ticket

Verfügbar bis 1. März 2025
€ 490 exkl. USt.

Reguläres Ticket:

€ 590 exkl. USt.

Veranstaltungsort

Hotel Hilton Heidelberg,
Kurfürstenanlage 1,
D-69115 Heidelberg

Veranstaltungsdatum

Mittwoch, 5. März, und
Donnerstag, 6. März 2025

Tickets

Regular Ticket
EUR 590 exkl. USt
Early-Bird-Ticket
EUR 490 exkl. USt
Veranstalter ist das E3-Magazin des Verlags B4Bmedia.net AG. Die Vorträge werden von einer Ausstellung ausgewählter SAP-Partner begleitet. Der Ticketpreis beinhaltet den Besuch aller Vorträge des Steampunk und BTP Summit 2025, den Besuch des Ausstellungsbereichs, die Teilnahme an der Abendveranstaltung sowie die Verpflegung während des offiziellen Programms. Das Vortragsprogramm und die Liste der Aussteller und Sponsoren (SAP-Partner) wird zeitnah auf dieser Website veröffentlicht.