Hybride SAP BTP
SAP BTP ist mehr als eine S/4-Plattform
Der Sprachgebrauch von SAP vermittelt den Eindruck, dass BTP eine Ergänzung für S/4 sei, um weiterhin Modifikationen, Add-ons, Abap-Programmierung und KI zu realisieren. Das ist ein Irrtum, denn BTP ist viel mehr als das. Das Clean-Core-Konzept mäandert irgendwo zwischen S/4 und BTP. Modifikationen und ERP-Add-ons begleiten die SAP-Bestandskunden seit R/2. Die SAP-Programmiersprache Abap hat in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Mit Cloud Computing auf Basis der Business Technology Platform steht nun der nächste Paradigmenwechsel an. Abap-Programme waren stets auf On-prem-Systeme ausgerichtet. Für ein Zielsystem sind die existierenden Modifikationen und Add-ons kaum mehr zu gebrauchen. Aber es gibt Abap-Spracherweiterungen und SAP BTP, um auch Cloud-Systeme bedienen zu können.
In einer Umfrage der DSAG e. V. im Ressort Financials geben 47 Prozent der Befragten an, ERP Central Component (SAP ECC) noch einzusetzen, während 42 Prozent S/4-On-prem (Classic Edition) nutzen. Die Nutzung der S/4-Cloud-Angebote ist mit einem Anteil von acht Prozent für die Private Edition und drei Prozent für die Public Edition hingegen unterrepräsentiert. Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die Erkenntnisse des DSAG-Investitionsreports 2024. Für die Teilnehmenden der Ressort-Umfrage ist es daher essenziell, dass SAP die On-prem-Kunden nicht zugunsten der Entwicklungen von Innovationen in der Cloud vergisst.
Kein Widerspruch: BTP, ECC und SAP-On-prem
Die befragten On-prem-User aus dem DSAG-Ressort machten unmissverständlich klar, dass für sie auch in der S/4-Welt On-prem gesetzt bleibt. 39 Prozent wollen ihre Zielarchitektur in S/4-On-prem (Classic Edition) sehen, während 24 Prozent mit Rise with SAP in die S/4 Cloud Private Edition migrieren werden. 5 Prozent setzen auf Grow with SAP und damit auf die S/4 Cloud Public Edition. Besonders interessant ist jedoch, dass fast ein Viertel der an der Umfrage teilnehmenden ECC-User noch unentschieden ist, wie die Zukunft aussehen soll. Das ist vor dem Hintergrund des nahenden Wartungsendes 2027 bzw. 2030 mit der Extended Maintenance bemerkenswert. Die Lizenzthematik ist wenig transparent und es fehlt an Investitionssicherheit. Das ist ein entscheidender Punkt, denn aus Applikationssicht muss klar sein, wie die Innovationsstrategie von SAP aussieht.
Neben vielen anderen Dingen, die man beachten muss, besteht ein sogenannter Rise-Vertrag aus mindestens zwei Teilen: dem Conversion-Teil, also dem Umzug in die Cloud, und der Cloud-Subskription, also dem Mietvertrag für die Cloud. Das ist nicht unwichtig, denn dadurch muss der SAP-Bestandskunde mindestens zwei SAP-Rechnungen begleichen.
Rise-Change-Management with SAP
Der DSAG-Jahreskongress 2024 in Leipzig hat gezeigt, dass sich einige SAP-Bestandskunden für Rise entscheiden werden. Das Rise-Change-Management ist jedoch nicht trivial und auch von der bereitgestellten SAP-Mannschaft abhängig. SAP-Mitarbeiter sind unterschiedlich ausgebildet und haben unterschiedliche S/4-Kenntnisse. SAP-Bestandskunden, die Pech haben, bekommen ein wenig erfahrenes Rise-Team von SAP zugeordnet. Das kann für den Rise-Weg des Unternehmens eine Sackgasse bedeuten. Der Anwender ist laut Rise-Vertrag dennoch zur Zahlung der Cloud-Subskription verpflichtet – auch bei einem Projektstopp. Der Mietvertrag für die Cloud ist einzuhalten! Oder man bleibt mit BTP in der bewährten ECC-Welt.
Die BTP stellt mit der Integration Suite und Applikationen wie der SAP Document Reporting Compliance (DRC), Cloud Edition konkrete Lösungen bereit, um den Kern des ERP-Systems gezielt zu erweitern. Das BTP Guidance-Framework und das Discovery-Center stellen wichtige Informationsquellen dar, um die Möglichkeiten ausschöpfen zu können. Des Weiteren wurde vom Anwenderverein erfragt, in welchen Bereichen sich die Unternehmen die BTP als multifunktionale Schnittstelle vorstellen können. Die vier meistgenannten Antworten sind: als Schnittstelle zu standardisierten Third-Party-Lösungen, zu speziellen Eigenentwicklungen bzw. Fremdlösungen, zu SAP-Public-Cloud-Lösungen oder zu branchenspezifischen Lösungen, beispielsweise für Finanzdienstleistungen oder das Immobilienmanagement. Hier überrascht auch nicht, dass die Mehrheit der DSAG-Mitglieder vor allem die Konnektivität zu Drittsystemen im Fokus hat.
SAP Clean Core als BTP-Turbo
Die Clean-Core-Strategie wird durch BTP unterstützt und bietet darüber hinaus weitere Services und Lösungen in Bezug auf die Modernisierung und Flexibilisierung von SAP-Landschaften. Die Clean-Core-Strategie hat das klare Ziel, den ERP-Kern, also die S/4-Lösungsmodule, so unverändert wie möglich zu halten. SAP-Bestandskunden haben in der Vergangenheit insbesondere ihre Werteflüsse betreffend umfangreiche individuelle Entwicklungen und Anpassungen – also Customizing mit Abap – vorgenommen, um geschäftsspezifische Anforderungen abzudecken. Es ist deshalb mehr als nachvollziehbar, dass noch spezifischer Klärungsbedarf herrscht, wie die Zukunft der ERP-Prozess- und Lösungsarchitektur aussehen kann.
Aus der Perspektive von SAP ist es begrüßenswert, dass mehr als die Hälfte der teilnehmenden ECC-User die BTP als wesentlichen Bestandteil für künftige Applikationen betrachtet oder bereits nutzt. Insgesamt gaben jedoch 44 Prozent aller von der DSAG Befragten, also auch derer, die bereits auf S/4 gewechselt haben, an, noch unentschlossen zu sein, ob sie die BTP als Cloud-Plattform mit den entsprechenden Lösungen und Services nutzen werden oder andere Wege beschreiten werden.
Obschon diverse DSAG-Umfragen bereits ergeben haben, dass die BTP als Plattform unstrittig ist, scheinen die Anwender in Bezug auf die Unterstützung durch Services und Applikationen auf der BTP noch unentschlossen zu sein. Es kann angenommen werden, dass die Informationsbasis noch nicht ausreichend ist. In diesem Zusammenhang ist auf den Steampunk und BTP Summit 2025 in Heidelberg am 5. und 6. März hinzuweisen, wo die SAP-Community das Plattformthema verhandelt. Anmeldungen sind hier möglich und eine Woche später treffen sich auch in Heidelberg die Partner auf Einladung der SAP zu einem BTP-Diskurs.