Himmel oder Hölle
Die Cloud-Gebete von SAP-Chef McDermott erinnern an religiösen Fanatismus. Naturgemäß ist er Bekehrer und Getriebener. Er will seine Bestandskunden aus den Fesseln des eigenen Rechenzentrums befreien und sie ins gelobte Land führen: Hana Enterprise Cloud, SAP Cloud Platform, SuccessFactors etc.
Jeder Weg in die Cloud erscheint ihm legitim. Und wenn es nicht die eigene Cloud ist, dann darf es auch das Himmelreich eines Partners sein. Der Erfolg ist überschaubar:
Im Mai 2017 stand Bill McDermott wieder einmal auf der Sapphire-Bühne in Orlando, USA. Nachdem er das Cloud Computing immer wieder in höchsten Tönen gelobt hatte, durfte SAP-Technikvorstand Bernd Leukert den Cloud-Partner Google präsentieren.
Obwohl diese Partnerschaft erst wenige Tage alt war, konnten SAP und Google bereits einen Referenzkunden vorweisen: Sovanta, das Unternehmen von Professor Claus Heinrich, der von 1996 bis 2009 Mitglied des Vorstands der SAP AG war.
Es ist verständlich, dass man auf dem mühsamen und gefährlichen Weg in das Himmelreich vorerst Freunde und Kollegen fragt, ob sie als Wegbegleiter zur Verfügung stehen. Neun Monate später sollte aber die himmlische Heerschar bereits angewachsen sein – aber in der SAP’schen Google-Cloud findet sich immer noch Arvato aus Heidelberg als einzige Referenz für die SAP-Bestandskunden, die diesem Weg ja folgen sollten.
Als Bekehrer für ein Leben in der Cloud scheint Bill McDermott somit wenig Argumente und nur geringe Überzeugungskraft zu besitzen. Vielmehr wird er getrieben von Marktkräften, denen SAP hilflos ausgeliefert ist.
SAP hat für das eigene Cloud-Angebot keine Skalierungseffekte, was entweder hohe Preise und Kosten oder geringen Deckungsbeitrag bedingt. Preislich und flächendeckend hat SAP somit keine Chance gegen Google, Amazon und Microsoft weltweit und in Deutschland gegen Telekom und Atos.
Liegt der Fokus jedoch nicht auf dem Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern einer möglichen IoT-Spezialisierung, dann wiederum muss SAP sich Siemens, Bosch, PSI und anderen geschlagen geben.
Aus dem Himmel in die Hölle wurde McDermott jetzt von den eigenen Bestandskunden und der Anwendervereinigung DSAG verjagt. Viele SAP-Anwender wollen auch in Zukunft ihr HR/HCM-System im eigenen Rechenzentrum sicher verwahrt wissen.
Der Weg mit den sensiblen Personaldaten in die SAP’sche Cloud „SuccessFactors“ erscheint den Bestandskunden offensichtlich nicht als himmlisches Paradies, sondern als Abstieg in die Hölle.
McDermott hat versucht zu überreden, zu drohen, zu vernebeln – es hat nicht gewirkt: Der Wunsch der eigenen Bestandskunden war ihm letztendlich ein Befehl. Auch nach 2025 wird es ein SAP-HCM-System für die auf der Erde verbliebenen Server geben.
HCM braucht ein stabiles Fundament, festen Boden unter den Füßen und ist somit in den meisten Fällen im eigenen Rechenzentrum am besten aufgehoben. Der Cloud-Eiferer McDermott hatte also ein Einsehen:
HCM wird nicht in den Nebeln des Cloud Computings verschwinden oder als Fata Morgana „SuccessFactors“ die SAP-Bestandskunden weiter in die Irre führen.