Erfolgsfaktor Partner-Ecosystem
E-3: Was waren Ihrer Erfahrung nach für Anwender bislang die Hauptmotivationsgründe, in Richtung Hana zu wechseln?
Hinrich Mielke: Die drei Hauptgründe, die wir bei unseren Kunden sehen, sind: Zum einen haben Kunden in einem PoC Performancevorteile von Hana festgestellt und möchten die Technologie produktiv nutzen.
Dies sind Projekte, die oftmals mit einem engen Zeitrahmen aufgesetzt sind. Denn wenn der Fachbereich einmal gesehen hat, was möglich ist, möchte er nicht lange warten.
Für einige Kunden waren die Lizenzkosten des Wettbewerbs bei den Datenbanken ein Anlass, sich intensiv mit Hana zu beschäftigen. Eine weitere Gruppe von Kunden hat im Rahmen des üblichen Application-Lifecycle-Managements beschlossen, der Strategie der SAP zu folgen, und steigt geplant auf Hana oder gleich S/4 Hana um.
E-3: Die DSAG fordert von der SAP, nutzbringende Business Cases des Hana-Einsatzes klar darzustellen und zu kommunizieren. Sehen Sie das auch so?
Mielke: Nutzbringende Use Cases können sich sehr kundenindividuell darstellen. Hier befindet sich der Prozess der Ideenfindung und -realisierung erst am Beginn der Entwicklung.
So kann beispielsweise der Handel bei der Logistik über die üblichen Parameter hinaus auch das Wetter, die aktuelle Staulage und regionale Kampagnen der Wettbewerber berücksichtigen.
Wer sich als Kunde einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten möchte, muss hier in Vorleistung und muss selbst entsprechende Investitionen leisten und kann nicht auf das Ausrollen der Use Cases durch die SAP warten.
Ein Projekt für einen Prototyp zusammen mit dem Business kann kurzfristig aufgesetzt werden, und es kann die Kreativität sprühen und es lassen sich Verprobungen durchführen.
E-3: Mit welchen Herausforderungen haben sich SAP-Bestandskunden bei einer SAP-Klassik-Hana-Transition vor allem auseinanderzusetzen?
Mielke: Hier gibt es zwei Aspekte. Zum einen ist es sinnvoll, die internen SLAs zum Betrieb der SAP-Systeme zu überdenken. Durch eine Erweiterung oder höhere Kundennähe der Geschäftsprozesse ergeben sich oftmals ganz andere Anforderungen als bisher manifestiert.
Aus neuen SLAs ergeben sich dann gegebenenfalls veränderte Anforderungen an die Architektur, die Betriebsprozesse und das Supportmodell. Zum Zweiten ist die Transition zu Hana ein willkommener Anlass, den bestehenden Custom Code einer gründlichen Bewertung zu unterziehen im Hinblick auf Altlasten, nicht mehr genutzter Funktionalität und potenziellem Code Pushdown.
Das heißt, Nutzung der In-memory-Computing-Funktionalität von Hana. Durch das Code Pushdown lassen sich gewaltige Performancegewinne erzielen, die sich auf das gesamte System, also auch auf nicht veränderte Bereiche auswirken.
E-3: Neue Anwendungen, veränderte Business Cases, neue DB- und Systemlandschaft, geänderte Betriebsprozesse kommen auf Unternehmen beim Hana-Wechsel zu. Wie gelingt es hier, strukturiert und effizient vorzugehen? Gibt es einen Königsweg oder Masterplan?
Mielke [lacht]: Nutzen Sie externe Beratung und bereits gemachte Erfahrungen von anderen! Nein, ernsthaft: Man muss nicht jedes Rad selbst erfinden, dafür gibt es Beratungshäuser.
Der Königsweg beginnt mit einer engen und fortlaufenden Abstimmung mit dem Business zu den Use Cases und den daraus entstehenden oder sich veränderten SLAs.
Daraus folgert der Masterplan mit Architektur, Betriebsprozessen, Custom-Code-Management und strukturiertem Change Management. Dieser Masterplan wird dann im Rahmen des üblichen Dienstentstehungsprozesses umgesetzt.
Der Umstieg auf Hana ist somit auch eine einmalige Chance, das Serviceportfolio der IT strukturiert zu modernisieren und dichter an das Business zu binden.
E-3: Mit Hana ändern sich SAP-IT-Landschaften und -Betriebsprozesse, gleichzeitig kommt das Cloud Computing – vor allem auf Basis von OpenStack – immer stärker auf. Wie haben das SAP-Bestandskunden einzuordnen?
Mielke: Jeder CIO (Chief Information Officer) sollte das Thema OpenStack aus Eigeninteresse aktiv vorantreiben. Als Kunde bleibe ich damit flexibel und kann Cloud-Anbieter austauschen.
Langfristig hat OpenStack das Ziel, IT-Environments so weit zu abstrahieren, dass Kunden völlig unabhängig von Dienstleistern, deren Standort und Infrastruktur sind; die Trennung zwischen verschiedenen Kundensystemen ist dabei sichergestellt.
Kurz gesagt: OpenStack kann für die Cloud das werden, was der x86-Prozessor für Beschaffung von Hardware ist: Vergleichbarkeit und Austauschbarkeit sind gegeben. Darüber hinaus ist die übergreifende Managebarkeit avisiert.
E-3: Hana war der Anfang. Daraus wurde eine Plattform. Andere Technologien ergänzen das SAP-Angebot. Bitte bewerten Sie kurz aus strategischer Sicht folgende Technologien – OpenStack …
Mielke: OpenStack ist strategisch sehr entscheidend, denn es ermöglicht mittelfristig die Unabhängigkeit von Infrastrukturanbietern für Hardware, Storage, Netzwerk und auch Virtualisierung.
Die Agilität steigt – dem Wunsch vom „Software defined Rechenzentrum“ kommt man näher –, Lizenzkosten für entsprechende Managementsoftware können reduziert werden und Cloud-Anbieter werden austauschbar.
E-3: Hadoop …
Mielke: Hadoop ist die strategische Erweiterung von Hana mit High-
End-High-Performance in Richtung Big Data im Petabyte-Bereich mit gleichzeitig kostengünstiger Infrastruktur. Die Kombination aus beiden wird interessante neue Use Cases ermöglichen, wie zuvor skizziert.
E-3: Linux …
Mielke: Linux ist etabliert und reif für den Enterprise-Einsatz, ist gesetzt und „here to stay“.
E-3: Wie beurteilen Sie das Linux-Wissen und die Akzeptanz von Open Source in der SAP-Community?
Mielke: Das Linux-Wissen ist bei dem Großteil der Kunden gegeben, zum einen durch eine SAP-on-Unix-Historie oder die bereits vorhandenen Linux-Applikationen.
Open Source wird von Kunden akzeptiert, wenn eine stabile Community und das aktive Engagement namhafter Firmen gegeben sind. Dies mag bei der strategischen Prüfung des Einsatzes eines potenziell neuen Produktes etwas aufwändiger sein als bei dem Produkt eines etablierten Herstellers, ist jedoch kein Hinderungsgrund mehr. Die Unabhängigkeit und oftmals geringeren Lizenzkosten wiegen diesen Aufwand leicht wieder auf.
E-3: Mit S/4 eröffnen sich für SAP-Anwender viele neue Möglichkeiten – IoT, Big Data, Mobile-Einbindung, erweiterte Analyse- und ERP-Funktionen. Wann lohnt sich für Unternehmen der S/4-Umstieg?
Mielke: Eine Planung des Masterplans, wie zuvor aufgezeigt, sollte zeitnah beginnen. Will sich mein Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten, sollten as soon as possible Prototypen, möglicherweise in der Cloud, aufgesetzt werden.
Zeigen diese den gewünschten Effekt, wird der Umstieg auch so schnell wie möglich durchgeführt. Andernfalls bietet sich der Umstieg im Rahmen des üblichen Application-Lifecycle-Managements an, eingebettet in den Masterplan. So ist ein Kunde für die neuen Möglichkeiten vorbereitet. In jedem Fall ist ein früher Beginn des Prozesses besser als ein Aufschieben.
E-3: SAP-Kunden können wählen: S/4- Hana-Nutzung on premise, Einsatz im Rahmen der Private Managed Cloud oder Verwendung via Public Cloud Subscription. Eine Qual der Wahl?
Mielke: Dies wirkt nur auf den ersten Blick wie eine Qual. Zum einen kann das Bereitstellungsmodell gewählt werden, das am besten zur Aufgabenstellung passt.
Zum anderen wird durch OpenStack die Möglichkeit gegeben, verschiedene Bereitstellungsmodelle flexibel zu orchestrieren, wie man so schön sagt. OpenStack ist hier erst am Beginn der Entwicklung, die Möglichkeiten werden mit zunehmender Weiterentwicklung noch stark erweitert.
E-3: Welche Möglichkeiten sehen Sie für Outsourcer?
Mielke: Outsourcer stehen an einem Scheideweg. Die Konkurrenz durch die Cloud ist sehr stark. Durch Industrialisierung müssen die eigenen Kosten sinken.
Hier ist eine frühzeitige und intensive Beschäftigung mit OpenStack wichtig – weil sich so auch der Hardwareeinsatz reduzieren lässt. Es gibt zwei Differenzierungsmerkmale zu Cloud-Anbietern:
Es ist wichtig, die eigene Flexibilität nicht zu verlieren und gegenüber einem Cloud-Anbieter immer die Nase vorne zu haben sowie dem Kunden Lösungen anzubieten, die Amazon, Google und Microsoft nicht anbieten können oder wollen.
Andererseits: wenn sich der Unternehmenssitz der Zentrale in Deutschland/Europa befindet, um so zumindest rechtlich nicht der amerikanischen Legislative – Stichwort: Patriot Act – zu unterliegen.
E-3: Wie werden sich Hana und S/4 aus Ihrer Sicht bei den SAP-Bestandskunden weiter durchsetzen? Was kann oder muss die SAP für eine weitere Marktverbreitung beisteuern?
Mielke: Ein wichtiger Faktor wird sein, dass SAP das Partner-Ecosystem aktiv hegt und pflegt. Dies war einer der Erfolgsfaktoren bei der Verbreitung von SAP R/3.
Die Partner haben ein starkes Vertrauensverhältnis zum Kunden. Sie dienen als Multiplikatoren und können Fragen der Kunden beantworten, Vorbehalte ausräumen und Wege in einem Umfang ebnen, wie es SAP selbst aufgrund der Manpower nicht leisten kann.
Partner können ebenfalls auch Bereiche und Zielgruppen bedienen, die SAP nicht abdeckt, und somit die Marktdurchdringung von S/4 Hana deutlich erhöhen.