Eine neue SAP-Cloud-Qualität
Der Cloud-Erfolg der SAP
Für den Aktienmarkt, die Investoren und vielleicht auch für die SAP-Mitarbeiter selbst muss die SAP-Führung, also Aufsichtsrat und Vorstand, als genialer ERP-Olymp erscheinen: Mit einem Produkt, das zu seiner Geburtsstunde ein reines On-prem-System darstellt, erobert SAP-Chef Christian Klein die Herzen der Aktionäre und verhilft dem SAP-Aktienkurs zu einem Allzeithoch – Respekt und Gratulation.
Das Nachsehen haben wieder einmal die SAP-Bestandskunden und Partner, von denen aber viele die SAP’sche Falle und Einbahnstraße noch nicht erkannt haben. Mit Massenentlassungen und Cloud-Hysterie hat SAP-Chef Christian Klein punktgenau den Zeitgeist getroffen. Am Tag der SAP-Bilanzpressekonferenz erreichte der Aktienkurs die unvorstellbare Höhe von 160 Euro – nochmals: Gratulation und Respekt.
Mit Lift und Shift zum SAP-Erfolg
Respekt verdient sich SAP-Chef Klein, weil er den aktuellen Erfolg mit einem Produkt geschafft hat, das vor vielen Jahren als On-prem-Nachfolger der SAP Business Suite geplant war. Damals, als S/4 von Ex-CEO Bill McDermott, dem Aufsichtsratsvorsitzenden Professor Hasso Plattner und Ex-Technikvorstand Bernd Leukert (aktuell Vorstandsmitglied der Deutschen Bank) in New York vorgestellt wurde, war keine Rede von Cloud Computing. SAP versuchte gerade das Cloud-Desaster von Business ByDesign zu verdauen. Somit wollte von der Wolke niemand etwas hören und wissen!
Weil aber die Hyperscaler immer erfolgreicher wurden und Cloud-native-Anbieter den ERP-Markt betraten, musste auch SAP reagieren und cloudready werden. Die Lösung war ein Lift und Shift des in Planung befindlichen S/4 Hana. Die Datenbank Hana in der Cloud zu positionieren war keine besondere Herausforderung und gelang dem damaligen Technikvorstand Vishal Sikka in kurzer Zeit.
S/4 als Cloud-Metamorphose
S/4, als Produkt einer erfolgreichen ERP-On-prem-Generation, war weit entfernt von einem Cloud-native-Produkt. Naturgemäß hatte SAP keine Chance, einen jahrelangen Rückstand gegenüber Salesforce, Service Now und Workday aufzuholen. Dennoch musste der ERP-Weltmarktführer dem Markt, den Bestandskunden, den Partnern und den Investoren ein Cloud-System präsentieren.
Die Metamorphose war ein Lift-und-Shift-Ansatz sowie ein Code-Splitting in Private Cloud (Ex-On-prem-System) und Public Cloud (fast cloudnative). Das Chaos war perfekt, aber die Aktionäre und die Finanzanalysten befriedigt: Jetzt hatte auch SAP das erwartete Cloud Computing.
Aktienkurs vor Qualität
Die unglückliche Situation ergibt sich aus zwei Faktoren: S/4 war nie als Cloud-System konzipiert und ohne Cloud Computing gibt es offensichtlich kein Überleben am Finanzmarkt und in der IT-Szene.
Der Zwang zum Cloud Computing hat nicht nur abenteuerliche SAP-Lizenzangebote und Subskriptionsmodelle hervorgebracht, sondern auch die Qualität des SAP’schen ERP-Systems massiv beschädigt. Ohne Rücksicht auf Aktionäre und Finanzanalysten wäre ein Zurück zum Ursprung angesagt. SAP hat das Potenzial und das Wissen, ein cloudnatives S/4 Hana zu bauen. Aktuell werden aber viele erfahrene Mitarbeiter entlassen, weil SAP-Chef Christian Klein dem vermeintlichen Trend KI hinterherläuft, statt das SAP’sche Potenzial mit Signavio und LeanIX zu heben.
Zurück zum Ursprung: Der Aktienkurs würde wieder einmal in den Keller gehen, aber die Qualität des SAP’schen ERP würde wachsen. Die Gewinnmaximierung steht einer konstruktiven Qualitätsoffensive im Weg.