DSAG-Technologietage 2025: Die SAP-Exitstrategie


Die Technologietage 2025 der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) standen unter dem Motto: Call, Raise or Fold? Dem Pokerspiel entlehnt, steht Call für mögliche Lösungsansätze für Unternehmen, die ihre eingesetzten SAP-Systeme nutzen wollen und nur so weit investieren, wie es notwendig ist. Raise bezeichnet die durchdachten, nachhaltigen und strategischen Entscheidungen, insbesondere im Hinblick auf die neue SAP-Zielstrategie und die Implementierung neuer (Cloud-)Techniken. Und Fold steht für die Option, nach intensiver Prüfung zu passen und nach einer Alternative zu suchen – somit eine SAP-Exitstrategie.
Noch nie zuvor hat der Anwenderverein DSAG ein mögliches Ausstiegsszenario so deutlich angesprochen wie bei den Technologietagen 2025 in Wiesbaden. Es kamen weit über 3000 Kongressteilnehmer, um sich über die Zukunfts- und Tragfähigkeit von SAP zu informieren. Rein formal und statistisch haben viele SAP-Bestandskunden einen S/4-Vertrag in der Schublade oder Hana und S/4 partiell customized. Überzeugt von der neuen ERP-Welt sind jedoch die wenigsten. Dieses Dilemma hat auch SAP erkannt und Anfang dieses Jahres dem zehn Jahre alten S/4 eine „neue“ Business Suite nachgeschoben. Mit Programmen wie Customer Evolution und SAP for Me versucht der ERP-Weltmarktführer seine Vormachtstellung zu retten. Mehr über die S/4-Conversion in Zeiten des „End of Mainstream Maintenance“ gibt es auf dem SAP Competence Center Summit am 21. und 22. Mai in Salzburg.
Großer Move? Partner D atabricks
Der Name „Business Suite“ soll ein erfolgreiches Produkt-Label aus der On-prem-Ära reaktivieren. In ihrer Ganzheitlichkeit soll die „neue“ Business Suite auf die Cloud übertragen werden. Die Business Technology Platform (SAP BTP) bildet dabei unverändert das zentrale technische Fundament dieser neuen Business Suite und soll eine entscheidende Rolle spielen, u. a. bei der Integration der verschiedenen SAP-Lösungen. Die SAP Business Data Cloud (BDC) schließlich soll eine systemübergreifende Harmonisierung und Nutzung der SAP-Daten ermöglichen.
„Wir sehen aber auch, die Konkurrenz schläft ja nicht, wenn wir jetzt mal die Business Data Cloud nehmen“, erklärt Sebastian Westphal, DSAG-Vorstandsmitglied für Technologie. „Und wenn ich mir anschaue, was das Unternehmen, für das ich arbeite, heute schon an datenzentrierten Architekturen aufgebaut hat, dann ist der Weg, den SAP jetzt einschlägt, aus meiner Sicht vielleicht nicht die letzte Patrone. Denn mit einer klassischen Architektur und Lösung wie einer Bridge können Sie natürlich auf Dauer mit den hochperformanten und auch subventionierten Lösungen der Hyperscaler nicht mithalten. Und deswegen halte ich diesen großen Move, mit Databricks einen Partner reinzunehmen, der ja eigentlich aus dem Open-Source-Umfeld kommt und sich in allen Hyperscalern wiederfindet, nicht wirklich für das letzte Wort.“

wenn mit SAP alles aus einer Hand kommt.”
Sebastian Westphal, Fachvorstand Technologie, DSAG
Die Business Data Cloud kann aus DSAG-Sicht zum größten Strategiewechsel von SAP seit S/4 werden. Das von SAP in Aussicht gestellte Zielbild soll die heute fragmentierten Datenstrukturen harmonisieren. Das ist eine enorme Herausforderung: Denn nicht nur will SAP stärker als bisher die betriebliche Verantwortung für die Integration und Bereitstellung einheitlicher Datenmodelle übernehmen – vielmehr geht es bei der BDC um nichts Geringeres als die Transformation von Bestandslandschaften in eine zukunftsfähige, cloudzentrierte Architektur, für On-prem- und Public-Cloud-Kunden gleichermaßen. Diese künftigen Datenprodukte müssen zeitnah, verlässlich und nutzbar, sowohl technisch als auch kommerziell, geliefert werden. Die systemübergreifende Datenharmonisierung ist essenziell, um eine Data-as-a-Product-Philosophie zu ermöglichen. Allerdings haben die Anwenderunternehmen vielfach schon moderne Data-Lake(house)-Architekturen implementiert. Der Erfolg der BDC wird also auch davon abhängig sein, wie gut sie sich in diese Architekturen integriert und SAP-Daten ohne technische und kommerzielle Restriktionen bereitstellt.
Datenmanagement für die Zukunft
Auf den DSAG-Technologietagen 2025 in Wiesbaden äußert sich Sebastian Westphal im E3-Gespräch auch technisch detailliert: „Wenn Sie mit Spark arbeiten, gehen Sie eher auf Python als auf klassische Programmiersprachen. Das ist schon der richtige Move. Ob der rechtzeitig genug kommt, ob der leicht genug adaptierbar ist, das ist jetzt die kritische Fragestellung. Und wenn das nicht gelingt, dann werden die Kunden weiterhin in andere Architekturen ausweichen, die noch weiter ausbauen. Und dann wird SAP ein Nischendasein an der Stelle führen. Das ist ein sehr auskömmliches Nischendasein mit einem klaren Fokus auf SAP-only-Architekturen. Aber das, was wir eigentlich brauchen – nämlich ein übergeordnetes Datenmanagement im Hinblick auf das, was in den nächsten Jahren kommt –, da wird der Zug dann irgendwann abgefahren sein. Insofern halte ich das aus Unternehmenssicht auch für essenziell, dass SAP diesen Weg einschlägt. Wir haben aber heute auch in der Pressekonferenz gehört, da ist noch einiges unklar, da ist noch einiges offen und deswegen ist das Urteil noch nicht final gefällt.“
Eine SAP-Exitstrategie steht somit als weißer Elefant im Raum. Es ist kein Geheimnis, dass sich die SAP-Community umzuorientieren beginnt – was auch aufgrund der aktuellen Angebotslage kein Problem sein sollte: Nur eine Woche nach der SAP-Präsentation der BDC und der vertiefenden Partnerschaft gemeinsam mit Databricks kündigte der neue SAP-Partner eine weitgehend ähnliche vertiefende Partnerschaft mit Confluent an. Die SAP-Bestandskunden sind somit in keiner Weise an SAP gebunden, wenn es um die Nutzung von Databricks-Services geht, die ergänzend, wie DSAG-Technikvorstand Sebastian Westphal im E3-Interview betont, bei allen Hyperscalern verfügbar sind.
Confluent, ein Pionier im Bereich Datenstreaming, und Databricks, das Daten- und KI-Unternehmen, kündigten im ersten Quartal eine umfassende Erweiterung ihrer Partnerschaft an. Durch die Kombination der vollständigen Datenstreaming-Plattform von Confluent mit der Data-Intelligence-Plattform von Databricks können Unternehmen Echtzeitdaten für KI-gestützte Entscheidungen nutzen. Die neuen Integrationen zwischen Confluents Tableflow und Databricks Unity Catalog werden eine Datensteuerung und -kontrolle über operative und analytische Systeme hinweg sicherstellen. Delta Lake ist eine von Databricks entwickelte formatunabhängige Speicherebene, die ursprünglich für Streaming-Anwendungsfälle mit schnellen Schreibvorgängen konzipiert wurde. Inzwischen ist es das aFm weitesten verbreitete Lakehouse-Format: Mit einer täglichen Datenverarbeitung von über 10 Exabyte hat es sich in großem Maßstab bewährt. Durch die Kombination von Tableflow und Delta Lake sind Betriebsdaten nun sofort im umfangreichen Delta-Lake-Ökosystem verfügbar. Kunden von Confluent und Databricks können beliebige Engines oder KI-Tools wie Apache Spark, Trino, Polars, DuckDB und Daft auf ihre Daten in Unity Catalog anwenden.
Am Ende entscheidet der Kunde
Sebastian Westphal ergänzt: „Die Kunden werden es am Ende entscheiden und ich denke, da werden wir im nächsten Jahr um die gleiche Zeit sehr viel weiter sein. Und was das Thema Business Suite angeht: Ich glaube, das ist gar nicht so neu. Ich glaube, wenn man den Ankündigungsstaub sacken lässt, dann wird man sehen, das ist ja der Weg, den SAP heute und auch gestern schon eingeschlagen hat. Am Ende geht es ja darum: Was ist der Mehrwert eines Herstellers, wenn seine Lösungen bestmöglich miteinander funktionieren? Harmonisiert im Betrieb, harmonisiert in der Integration mit einem durchgängigen Identity Management und Security Standards.“

Nahtlose Integration gefordert
Mit der angekündigten Geschäftsstrategie beim Business-Unleashed-Event im Februar setzt SAP auf die Kernelemente Prozesse, Daten und KI mit dem Ziel, effiziente Prozessketten bereitzustellen. Zudem werden auch in der Cloud immer mehr End-to-End-Prozesse angeboten, indem auf Basis der BTP die unterschiedlichen Technologie-Stacks und Cloud-Services vereint werden. „Auch wenn SAP unbestritten an der Harmonisierung und Integration des Lösungsportfolios arbeitet, ist eine konsistente Architektur der Schlüssel zum Erfolg für die avisierte Business Suite. Dafür ist es notwendig, dass SAP die Produktlandschaft kontinuierlich weiter harmonisiert und konsequent einheitliche Standards umsetzt, z. B. bei den Datenmodellen und den Identity- und Security-Services. Denn eine Suite braucht per Definition die nahtlose Integration der darin enthaltenen SAP-Lösungen, einheitliche Betriebsmodelle und auf dem Weg dorthin klare Migrations- und Umsetzungsstrategien“, so DSAG-Technikvorstand Sebastian Westphal.
Zudem erwartet die SAP-Community eine modulare Business Suite, die sich flexibel an Unternehmensanforderungen anpassen lässt und ohne großen Aufwand und Kosten in übergreifende Unternehmensarchitekturen zu integrieren ist. „Und bei einer Suite muss natürlich auch der kommerzielle Vorteil klar ersichtlich werden, wenn mit SAP alles aus einer Hand kommt. Sowohl technisch als auch wirtschaftlich – also transparente Kostenstrukturen und Vertragsmodelle“, sagt Westphal. Da nicht zu erwarten ist, dass eine Business Suite alle heutigen Anwendungsfälle abdecken kann, braucht es im Rahmen der SAP-Clean-Core-Strategie eine langfristige Unterstützung von Partnerlösungen. Gerade die vielfach eingesetzten Add-ons sollten auf Basis von stabilen, langfristig gültigen Zertifizierungsbedingungen einsetzbar bleiben – was vor dem Hintergrund der S/4-Wartungszusage von SAP bis 2040 im gemeinsamen Interesse der Partner, Anwenderunternehmen und SAP selbst liegt. Geht diese Rechnung auf oder kommt es, wie eingangs erwähnt, zu einem Pokerspiel mit Fold? Das steht für die Option, nach intensiver Prüfung zu passen und nach einer Alternative zu suchen – somit eine SAP-Exitstrategie.

verwaltet und eine nahtlose Verbindung zu externen Daten herstellt.
Hybride Szenarien im Vormarsch
„Ich glaube, wir sehen schon eine Abkehr vom Betrieb eines SAP-Systems im eigenen Rechenzentrum“, analysiert Sebastian Westphal im E3-Interview. „Wir sehen auf der anderen Seite Szenarien, wo bei kritischen Produktionsprozessen vor Ort installiert wird und nicht in der Public Cloud, die im Zweifelsfall Hunderte Kilometer entfernt ist. Wir haben die Diskussion beim Adobe Document Service gesehen, wo man festgestellt hat: Hochperformante Druckprozesse können nicht auf die Latenz Rücksicht nehmen und warten, sondern in dem Moment, wo in der Produktion gelabelt wird, muss es funktionieren. Also ja, ich bin der festen Überzeugung, wir werden hybride Szenarien weiterhin sehen.
Hybride Landschaften wird es weiterhin geben. Alles in eine Public Cloud? Das erwarte ich sowieso nicht. Ich glaube aber schon, dass wir in den nächsten Jahren nur noch Managed Infrastrukturen sehen werden. Aber ich glaube, aus reinen Kostenaspekten wird es bei skalierbaren Lösungen bleiben.“ Werden diese Voraussetzungen geschaffen und mit klarem Business-Nutzen umgesetzt, werden Business Suite, Business Technology Platform und die Business Data Cloud für die Anwenderunternehmen nicht zu einer Wette mit unbekanntem Ausgang, sondern im besten Fall zum „Royal Flush“ oder auch erfolgreichem SAP-Exit.
2 Kommentare
B.Rater
Der Erfolgsfaktor wird ein funktionierendes Partner-Ökosystem sein, das die Worthülsen zum Leben bringt. Partner, die nicht durch ständiges Anpassen der SAP Strategie Unsummen für Fortbildung ausgeben und in einem schwierigen Marktumfeld auch noch Geld verdienen können.
Hoffen wir, dass auf den Höhenflug der SAP Aktie nicht irgendwann der tiefe Fall kommt.
Peter M. Färbinger, E3-Magazin
Die SAP-Partner-Community war von Bginn an eine erfolgsentscheidende Komponente und SAP-Mitgründer Dietmar Hopp war und ist immer ein Team-Player! Leider vergessen die aktuell Verantwortlichen manachmal diese erstklassige SAP-Vergangenheit.