Die Technik-Falle
Lumira ist tot. An der Beliebtheit des On-premise-BI- und Analytic-Werkzeugs kann es nicht gelegen haben. In der SAP-Zentrale in Walldorf erzählt man sich, dass Technikvorstand Bernd Leukert persönlich der Totengräber sei.
Von SAP-Chef Bill McDermott angehalten, den Umsatz und Deckungsbeitrag im Fokus zu behalten, opferte Leukert die Weiterentwicklung von Lumira zugunsten von SAP Analytics Cloud.
McDermott ist ein genialer Verkäufer und er fordert immer wieder noch höhere Umsatzquoten. Bernd Leukert ist Techniker und seit seinem ersten Berufstag bei SAP beschäftigt. Er konnte sich in der Vergangenheit erfolgreich gegen das Verkaufs-, Umsatz- und Deckungsbeitrag-Diktat von McDermott wehren.
Offensichtlich hat ihn nun der SAP-Chef gebrochen. Verbündete wird Bernd Leukert im Vorstand nicht mehr finden – alle sind auf „Vertrieb“ getrimmt. Vielleicht bekommt Leukert etwas Trost bei seinem Mentor Gerd Oswald, der im Mai dieses Jahres in den SAP-Aufsichtsrat gewählt wird.
Naturgemäß gibt es eine mächtige Institution und kluge Menschen, die Lumira Designer vor dem endgültigen Untergang hätten retten können: Der Anwenderverein DSAG hat das Wissen und die Mittel, im Namen der SAP-Bestandskunden fehlerhafte Entwicklungen bei SAP zu korrigieren.
Nach R/3 kam R/3 Enterprise auf Drängen und Bitten des Vereins. Ähnliches hätte man nun wieder bewirken können. Man blieb erstaunlich regungslos. Lediglich auf den Technologietagen 2018 erwähnte DSAG-Technikvorstand Ralf Peters kurz die Misere und lobte den eigenen Verein für einen ausgehandelten Aufschub um etwa 18 Monate.
Eine weitere „Baustelle“ hat Peters auf den Technologietagen 2018 in Stuttgart erst gar nicht erwähnt: AnyDB. Das für viele SAP-Bestandskunden so wichtige S/4-Projekt und noch vor wenigen Jahren vom Anwenderverein heftig geforderte AnyDB-Konstrukt war dieses Jahr nicht einmal eine Erwähnung wert – obwohl im Publikum über 2000 Techniker saßen, deren Aufgabe es auch ist, Investitionsschutz für das laufende ERP-System zu gewährleisten.
Hana ist eine wichtige und erfolgreiche Innovation – aber es sollte auch anders gehen. Es existieren Tausende SAP-Instanzen mit MS-SQL-Server, DB2 und Oracle sowie Abap-Modifikationen. Investitionsschutz für diese stabilen und getesteten Systeme mit einer S/4-Roadmap und AnyDB wäre das Mindeste, was der Anwenderverein DSAG für seine Mitglieder tun könnte.
Nicht gegen Hana, aber für die digitale Transformation! Ein Investitionsschutz basierend auf S/4 mit AnyDB würde Ressourcen und Lizenzen für wichtige IoT-Aufgaben frei machen.
Die digitale Transformation ist nicht mehr umkehrbar. Die CIOs brauchen dafür frei verfügbare Budgetmittel. Solange SAP die Ressourcen ihrer Bestandskunden mit einer unflexiblen S/4-Hana-Roadmap blockiert, wird zwar der Aktienkurs von SAP steigen, aber die Performance und Effizienz der Bestandskunden sinken. Hier wäre der Verein DSAG gefordert, für die Anwender Hana-Alternativen zu verlangen und durchzusetzen.
Aber nicht einmal auf einem technischen Fachkongress schaffte es DSAG-Technikvorstand Ralf Peters, die brennenden Technikprobleme anzusprechen, an denen SAP vollkommen unschuldig ist: Meltdown und Spectre.
Diese Security-Herausforderungen sind der CPU-Architektur geschuldet, sollen aber erhebliche Auswirkungen auf die Datenbank-Performance haben – was nun? Statt einer aktiven und produktiven Diskussion mit dem anwesenden SAP-CTO Björn Goerke wurde das Thema nicht einmal angedeutet.
CTO Goerke, vom E-3 Magazin auf mögliche Auswirkungen für SAP-Bestandskunden angesprochen, antwortet ausweichend. Er wisse von keinen Auswirkungen und Problemen.