Die Mogelpackung Hana & S/4
S/4 wurde von SAP Anfang 2015 an der New York Stock Exchange präsentiert und bis heute ist nicht klar, was sich hinter diesem Schrägstrich-Akronym verbirgt.
Die einen glauben, dass es sich um neue ERP-Funktionen auf Basis der In-memory-Computing-Datenbank Hana handelt. Demnach beherrscht S/4 ein wenig Buchhaltung (Simple Finance) und etwas Logistik.
Aufgrund von Hana und neuer Programmierung läuft das, was läuft, rasend schnell. Der technische Fortschritt kommt in die Buchhaltung und ermöglicht einen Rechnungsabschluss in Rekordzeit. Was mit der gewonnenen Zeit geschehen soll, hat SAP noch nicht verraten.
S/4 hingegen soll laut SAP-Chef Bill McDermott die neue, simple ERP-Welt sein. Laut SAP-Technikvorstand Bernd Leukert sind auch schon alle „alten“ SAP-Industrielösungen S/4-zertifiziert.
Was nun? Ist S/4 das neue ERP des 21. Jahrhunderts oder alter Wein in neuen Schläuchen – also ein ERP/ECC 6.0 mit Hana als Unterbau und Fiori als optischem Aufputz?
Den Deus ex Machina spielt Professor Hasso Plattner persönlich: S/4 ist revolutionär, aber kompatibel zur R/3-Vergangenheit. Die Lösung heißt Hana: Diese Datenbank ist nicht nur ein schickes In-memory-Computing-Exemplar, sondern auch eine traditionelle SQL-Datenbank.
Hana ist eine Maschine mit vielen Gesichtern – Schlangenköpfen –, ähnlich vielleicht der mythologischen Sagenfigur Medusa.
Sie war einmal betörend schön. Dann wurde Medusa von Pallas Athene im Tempel beim Liebesspiel mit Poseidon überrascht. Athene war echauffiert, sodass sie Medusa in das Ungeheuer mit dem Schlangenkopf verwandelte, als das die Welt sie kennt.
Diese Metamorphose kann auch für Hana stehen. Denn einst war Hana eine betörend schnelle Datenbank und S/4 sollte ein schlankes, einfaches ERP-System werden, heute ist Hana eine alles verschlingende Plattform und S/4 ein nicht zu verifizierendes ERP.
Hana trägt mannigfaltige Datenbankmaschinen in sich, wovon die SQL-Engine noch die harmloseste ist. Es gibt eine Graph-Engine und mehrere Maschinen für die Verwaltung der zeilen- und spaltenorientierten Speicherung im Memory des Servers.
Hinzu kommen Funktionen für Kompression und Dekompression, Textsuche und neuronale Netze. Der Schlangenkopf der Medusa ist ein kaum hinreichender Erklärungsversuch für Hana.
Bei genauerem Hinsehen steckt in S/4 der alte ERP/ECC-6.0-Kern von S/7 (SAP Business Suite 7) – technisch erklärbar, weil Hana auch eine normale SQL-Datenbank wie Oracle und IBM DB2 ist.
Wer als SAP-Bestandskunde S/4 verwenden will, muss zuerst einen Obolus von 9.000 Euro nach Walldorf überweisen. Ob dadurch S/4 zum rechtlichen, technischen und organisatorischen Nachfolger von S/7 wird, weiß nur Vater Zeus alias Professor Plattner.