BRIM, SD, BW und Fiori
Eine moderne Systemlandschaft und SAP-Architektur bei der Schweizerischen Post
Immer dann, wenn es eben nicht um Dienstleistungen und Massendaten geht, wie etwa die Einkleidung der Postbeschäftigten oder bei typischen internen Beschaffungsprozessen, kommt SD zum Einsatz. Alle Dienstleistungen, die nicht greifbar sind, werden über BRIM fakturiert. So koexistieren beide SAP-Lösungen in den unterschiedlichsten Bereichen nebeneinander als hybride Abrechnungsmöglichkeiten. Teilweise werden auch nur einzelne Module von BRIM im Zusammenspiel mit SD genutzt. „Was viele nicht wissen: SAP BRIM kann für einfache Kalkulationen auch auf das Pricing im SD zugreifen“, kommentiert Christoph Granig die hybriden Einsatzmöglichkeiten. „Für komplexere Anwendungsfälle steht das CC, Convergent Charging, als Modul in der BRIM-Kette zur Verfügung.“
Reports auf Knopfdruck
BRIM bildet als End-to-End-Lösung in SAP den ganzen Prozess Order-to-Cash oder Offer-to-Cash ab. Dadurch ist alles nachvollziehbar und transparent über die gesamte Prozesskette: Kommt von irgendwo eine Verbrauchseinheit herein, kann bis in die Buchhaltung zum FI- oder CO-Beleg navigiert werden. Der Anwender hat in einem System die komplette Navigation von vorn bis hinten. Zudem ist das Billing-System extrem schnell auf der Hana-Datenbank, Prozesse wie etwa die Auswertung offener Posten, die vorher teilweise mehrere Stunden brauchten, erledigt BRIM in wenigen Sekunden. „Wir haben bei der Post den Anspruch gehabt, dass alles, was in einem Buchungskreis buchhalterisch gebucht wird, über das Nebenbuch von SAP BRIM laufen muss, also FI-CA. Wir wollten keinesfalls einmal ins FI-AR, andererseits ins FI-CA buchen, das wäre ein Chaos für die Mitarbeiter im Debitorenmanagement“, weiß Christoph Granig.
Am Ende laufen alle BRIM-Daten in ein zentrales Reporting-System, wo früher drei BW-Systeme im Einsatz waren. So haben die Mitarbeiter in der Forderungsbewirtschaftung heute auch nur einen Kunden im Nebenbuch. Dadurch wird eine 360-Grad-Kundensicht über alle Dienstleistungen erreicht, die mit einem Kunden erwirtschaftet werden. Das ermöglicht ein zentrales Reporting, Mahn- und Fakturierungsläufe laufen innerhalb weniger Minuten durch, da bekommt jeder CFO glasige Augen. Letztlich entlastet BRIM auch die IT-Abteilung mit Analyse- und Report-Anfragen. Da alle Daten zentral in einer Datenbank vorliegen, können sie recht schnell analysiert und ausgewertet werden.
„Sicher konnten früher schon auf Knopfdruck bestimmte Reports erstellt werden, aber ich hatte da elf Systeme, musste elf Mal klicken, in BRIM ist das eben nur ein Klick“, meint Philipp Muri. Anschließend mussten die elf Reports noch nebeneinandergelegt und abgeglichen werden, weil in jedem System für ein und denselben Kunden andere Stammdaten und Kundennummern angelegt waren. Ähnlich gab es auch bei den Kostenarten, Produkten usw. in den unterschiedlichen Systemen andere Bezeichnungen. „Auswertungen waren damals wie so eine Art Puzzle für Manager“, so der IT-Experte. Und auch ein Verkäufer, der sich vor einem Kundenbesuch nochmals eine Gesamtsicht über den Kunden verschaffen wollte, musste im schlimmsten Fall bis zu elf Kolleginnen und Kollegen fragen.
„Wenn wir da jetzt alles in einem System haben – ein Knopfdruck und der Report liegt vor, im besten Fall noch online am System –, dann ist der Verkäufer optimal für das Kundengespräch gerüstet“, so Philipp Muri, der sich über diese Entlastung der Verkaufs- und Finanzabteilung freut.
Dadurch, dass wir jetzt im S/4 Core und im Billing-System die gleiche Basis und auch die gleichen Stammdaten integriert haben, wird der Fakturierungsprozess viel einfacher und spürbar schneller, um neue digitale Dienstleistungen flexibel abrechnen zu können.
Philipp Muri, Geschäftspartner ERP, Schweizerische Post
Intuitiv in die Zukunft mit dem Fiori-Launchpad
Eine Herausforderung war auch die gleichzeitige Einführung von SAP Fiori mit S/4. Christoph Granig: „Wir waren mit dem Post-Projekt die Ersten in der Schweiz, die mit dem Hana-Umstieg gleichzeitig Fiori mit SAP BRIM eingeführt haben.“ Wer die Vorreiterrolle übernimmt, muss immer wieder Unwägbarkeiten in Kauf nehmen, denn nicht alles funktioniert auf Anhieb und auch nicht alle benötigten Funktionen sind auf dem Launchpad verfügbar. In den Fachbereichen war auch nicht bei allen die Begeisterung auf Anhieb groß, hatten sich viele doch seit Jahren an ihre GUI-Oberfläche gewöhnt. „Wir sehen natürlich, dass jüngere Leute, die den Umgang mit Apps gewohnt sind, sofort Fiori als mobiles Frontend akzeptieren. Es ist aber auch nachvollziehbar, dass ein Buchhalter, der 25 Jahre in Client-Server-Masken arbeitet, sich schwer damit tut“, sagt Markus Hägele, der das Problem der Akzeptanz kennt. „Aber wir sollten es auch von der anderen Seite betrachten: Wenn wir weiterhin mit starren GUI arbeiten würden, können wir dafür kaum noch junge Menschen begeistern, bei uns anzufangen.“
Die Anwender wurden mit der neuen, intuitiven Arbeitsoberfläche vertraut gemacht, ab einem Stichtag wurde im Launchpad gearbeitet. Die Anwender wurden von allen Seiten ernst genommen mit ihren Anforderungen und ihren Ängsten, konnten ihre Bedenken äußern und sogar noch Einfluss auf das Design nehmen. Dazu waren eigens UIX-Designexperten von der SAP im Projekt mit an Bord. „Bei den Fioris ist zu unterscheiden, ob es sich um echte Fioris oder um eingebettete GUI-Transaktionen handelt. Bei den echten Fioris gibt es solche, die gut funktionieren, und welche, wo das Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist“, erklärt Christoph Granig. Fehlende Funktionalitäten oder Bugs wurden im Laufe des Projekts an die SAP gemeldet und in den meisten Fällen erhielt man eine Lösung: „Die Abstimmung mit der SAP hat wunderbar geklappt und die gelieferten Lösungen überzeugten schließlich auch skeptische Anwender.“
„In den vergangenen beiden Jahren haben wir rund 200 Incidents bei der SAP gemeldet, um Fehler auszubessern und unsere Anforderungen einzukippen“, so BRIM-Experte Christoph Granig. Da sei die enge Zusammenarbeit mit der SAP von enormem Vorteil. Inzwischen stehen ein paar Standardreports im BRIM-Umfeld auch in Fiori zur Verfügung. In einer Art Monitoring Cockpit lassen sich mit einem Knopfdruck beispielsweise Fakturierungsvorrat oder offene BITs (Billable Items) zum Monatsabschluss anzeigen.
Markus Hägele zeigt sich begeistert: „Ich muss sagen, dieses Launchpad ist ein Traum, Fioris haben uns in die moderne App-Welt katapultiert.“ Aber wie überall, wenn Änderungsprozesse kommen, gibt es Menschen, die sich anpassen können, andere eben nicht. „Die Verwendung von SAP Fiori ist alternativlos. Man muss den Weg gehen, sonst gehört man irgendwann zum alten Eisen.“
Nach der Pflicht die Kür
Auch andere Teilbereiche haben inzwischen zu BRIM mit ihren Abrechnungen gewechselt. Mit der in SAP integrierten Billing-Lösung konnte bei der Schweizerischen Post eine einheitliche Fakturierungsplattform geschaffen werden, wo sich jeder erdenkliche Service, der sich nicht als Produkt oder Material fassen lässt, automatisiert und flexibel verrechnen lässt. „Auch die klassischen Prozesse im Nebenbuch wie Mahnen, Zahlwesen, Ratenpläne, Verzinsung, Inkasso, also die nebenbuchhalterischen Prozesse, sind harmonisiert“, so Markus Hägele, der sich mit dem bisher Erreichten zufrieden zeigt. „Letztlich nutzt heute jeder Bereich Standardprozesse in SAP BRIM.“ Es hat sich auch sonst mit S/4 Hana vieles verbessert. Ein Beispiel ist das Vertragsdatenmanagement: In SAP ERP hat man für die Vertragsdaten immer ein CRM gebraucht, jetzt ist das sozusagen embedded. „Das nennt sich SOM, Subscription Order Management, und wir nutzen das auch im Filialgeschäft, quasi als Mini-CRM für die Verwaltung von Verträgen und Vertragsstammdaten.“
Und en passant hat das BRIM-Team auch noch ein zentrales Rechnungsformular für Logistikservices etabliert, sodass heute so wenig wie möglich separate Fakturierungsformulare erzeugt werden müssen und auch kein Wildwuchs von selbst erstellten Formularen entsteht. „Was nützt es, wenn die Fakturierung jetzt automatisiert und extrem schnell durchläuft und hintenraus die Rechnungsformulare unübersichtlich und fehlerhaft sind?“, gibt Markus Hägele zu bedenken.
Stand heute wurden bereits drei BW-Systeme und drei Fakturierungslösungen vollständig abgelöst sowie die Fakturierungsprozesse von drei Logistiksystemen übernommen und harmonisiert. „Ganz am Ziel sind wir damit immer noch nicht, wir haben neben BRIM nach wie vor weitere Fakturierungssysteme im Einsatz und dadurch an vielen Ecken Abstimmungsarbeiten“, erklärt Philipp Muri. „Unser ganz großes Ziel ist es, mit SAP BRIM eine einheitliche, zentrale und schlanke Lösung über möglichst viele Geschäftsbereiche zu realisieren.“
Die größte Umstellung steht nämlich noch bevor: die Ablösung des internen Postfakturierungssystems KUREPO (KUndenREchnungPOst). Das System wird für den Teil des Brief- und Paketgeschäfts genutzt, welcher nicht über die Filialpartner geht. Über eine Schnittstelle werden schon jetzt die Erlösdaten in BRIM übernommen, durchgeschleust und verbucht. Damit ist der erste große Schritt gemacht, um dieses große Fakturierungssystem komplett nach SAP BRIM überführen zu können. Doch bis die komplette Preis- und Konditionslogik wie auch Stammdatenlogik in der Fakturierungsplattform drin sind, braucht es noch einige Jahre. „Da kann die Billing-Lösung dann ihre wahre Stärke zeigen. Die Umstellung wird mindestens die nächsten fünf Jahre benötigen“, konkretisiert Markus Hägele. „Da werden wir wahrscheinlich alle BRIM-
Module einsetzen.“
Wohin sich die Schweizerische Post in Zukunft auch noch entwickeln wird, mit SAP BRIM ist sie bestens dafür gerüstet. Auch künftige digitale Services und neue Abrechnungsmodelle lassen sich sehr schnell und flexibel integrieren und automatisiert verrechnen und vielleicht gibt es ja schon bald DaaS, Drohne as a Service, oder RaaS, Roboter as a Service.
BRIM, eine Lösung und ihre Geschichte
SAP BRIM hat bereits einen langen Weg hinter sich: Über die Jahre hat sich nicht nur die Lösung flexibel und dynamisch weiterentwickelt, sondern auch ihr Name. So waren die Kernfunktionalitäten der heutigen Universallösung lange Zeit unter dem Titel SAP Hybris Billing bekannt. In der Ursprungsversion wurden die herkömmlichen Abrechnungen beispielsweise aus SAP SD und diversen Branchenlösungen erstellt. Hintergrund war, den gestiegenen technologischen Anforderungen hinsichtlich Datenverarbeitungsgeschwindigkeit, zu bewältigendes Datenvolumen und Flexibilität (konfigurierbar, modular und branchenneutral) gerecht zu werden. Die Kernkomponenten des modular aufgebauten SAP BRIM sind:
- Convergent Mediation by DigitalRoute
- Subscription Order Management (SOM)
- SAP Business Suite 7 bzw. S/4 Hana mit Vertragskontokorrent (SAP FI-CA) und darin enthaltenem Convergent Invoicing (SAP CI)
- Convergent Charging (SAP CC)