Es ist eine simple Schlussfolgerung: Selbst SAP wird in den kommenden Jahren nicht annähernd so viele Neukunden finden, um das prognostizierte Wachstum zu erreichen. SAP-Finanzvorstand Luka Mucic hat sich auf neue, hohe Umsatzziele festgelegt, aber im Detail nicht verraten, wo die Geldquelle liegt – nur so viel wollen SAP-Chef Christian Klein und Luka Mucic verraten: Die Cloud soll es richten!
Und anlässlich der virtuellen Hausmesse Sapphire assistierte den beiden Vorständen der Aufsichtsratsvorsitzende Professor Hasso Plattner: „Die ganze Idee der Cloud-Systeme bedeutet eine gigantische Verbesserung.“ Plattner war bisher der Mahner, Innovator und kon-struktive Kritiker – niemals war er aber Träger und Verkünder einer SAP-Marketingbotschaft.
Dieses Jahr war die SAP-Hausmesse nicht nur ein perfekt inszenierter Online-Event, sondern unter Leitung des neuen Vorstandsmitglieds Julia White auch eine großartige Werbeveranstaltung – ganz ohne Widersprüche und perfekt choreografiert. Den SAP-Bestandskunden sollte diese Harmonie und Strahlkraft skeptisch machen.
Tatsache ist, dass SAP alle echten Werte und Errungenschaften der vergangenen Jahre gelöscht hat und nun einen marketinggetriebenen Neuanfang probiert: Rise or Fall with SAP! Ein Beispiel: Ex-Technikvorstand Vishal Sikka verkündete einst auf der Sapphire „real Realtime“ und bewarb damit ganz im Sinn von Hasso Plattner und seiner Hana-Datenbank das Realtime Enterprise.
Die Vision des Realtime Enterprise hatte somit ein starkes Fundament, die Hana-Datenbank-Plattform. Christian Klein und seine Vorstandsmitglieder haben sich auf das Intelligent Enterprise eingeschworen – Basis für diese Vision? Fehlanzeige!
Nachdem SAP das Programm Leonardo de facto abgekündigt hat und die Partnerschaft mit Nvidia momentan im Sand verläuft, gibt es bei SAP keine Basis für das Intelligent Enterprise. Bei den Themen künstliche Intelligenz, Machine Learning, Blockchain und IIoT ist SAP auf Kooperationen und Zukäufe angewiesen – eigene Kernkompetenz gibt es nicht.
Was macht Christian Klein grundsätzlich falsch? Er hat überall den Fuß in der Tür, aber keine eigenen Kompetenzfelder. Das überragende Alleinstellungsmerkmal „Realtime Enterprise“ hat er leichtfertig aufgegeben. Selbst bei anerkannten Zukunftsthemen wie Quantencomputing ist SAP nur stiller Mitläufer. Zwar ist SAP ein Gründungsmitglied des Quantum Technology and Application Consortium. Damit soll die Grundlage für eine erfolgreiche Industrialisierung des Quantencomputings in Deutschland und Europa geschaffen werden.
Dem Konsortium gehören zum Zeitpunkt seiner Gründung die Unternehmen BASF, BMW Group, Boehringer Ingelheim, Bosch, Infineon, Merck, Munich Re, SAP, Siemens und Volkswagen an. Während die meisten Gründungsmitglieder mit euphorischen Pressemeldungen an die Öffentlichkeit traten, ließ SAP eine Anfrage des E-3 Magazins, was man nun im Rahmen dieses Konsortiums plane, unbeantwortet.
Trotz fehlender Kernkompetenz und fehlenden Alleinstellungsmerkmals will SAP in den kommenden Jahren ein Umsatzwachstum erreichen, das nach übereinstimmender Analyse nicht mit Neukunden zu erreichen ist – bleiben als zweite Geldquelle die Bestandskunden.
„Rise with SAP“ soll demnach die gigantische Gelddruckmaschine werden. Expertinnen und Experten aus der SAP- Community haben errechnet, dass bei einem technischen Releasewechsel von SAP Business Suite 7 auf S/4 Hana mit Cloud Subscription und Full User Equivalent (FUE) – also bei einem Eins-zu-eins-Übertrag – danach der jeweilige SAP-Bestandskunde zwischen 20 und 50 Prozent höhere Lizenzkosten trägt.
Diese Kalkulation, die hinter dem geplanten SAP-Wachstum von Luka Mucic steht, passt auf einen Bierdeckel: Die FUE-Transformation auf die SAP-Cloud-Plattform soll den Umsatz deutlich erhöhen. Somit ist auch erklärbar, warum SAP das Embrace-Abkommen vorrangig mit Microsoft aufgekündigt hat. Eine Transformation mit den eigenen On-prem-Lizenzen in die MS-Azure-Cloud hat keine positive Auswirkung auf den SAP-Umsatz selbst.
FUE ist der Schlüssel für den zukünftigen SAP-Erfolg. Aber die Bestandskunden können sich wehren und müssen keinen Eins-zu-eins-Übertrag akzeptieren. Wer seine On-prem-Lizenzen konsolidiert und harmonisiert, kann mittels FUE bis zu 20 Prozent seiner Lizenzbasis einsparen.
Klingt einfach, ist aber kompliziert: Ein intensiveres Studium der FUE-Transformationsregeln ist die Voraussetzung. Dieser Ungehorsam gegenüber SAP wird den Konzern nicht umbringen, aber Luka Mucic wird seine Umsatzziele adaptieren müssen.
Die Schweizer Großbank UBS hat Mitte Juni die Einstufung für SAP nach der mehrtägigen Sapphire auf „neutral“ mit einem Kursziel von 121 Euro belassen. UBS-Analyst Michael Briest blickt in einer Studie auf eine bevorstehende Analystenveranstaltung, in der die wichtigsten Aussagen gegenüber den Kunden nochmals zusammengefasst und die für 2025 gesteckten Finanzziele näher erläutert werden sollten: Rise or Fall with SAP!