Embrace 2.0
Das große Bild erklärt das Geschehen hinter dem Vorhang. Microsoft- Deutschland-Geschäftsführerin Sabine Bendiek wechselt zu SAP nach Walldorf in der Funktion des neuen Personalvorstands – sagt man, offiziell. Naturgemäß ist das Supertalent und die Spitzenmanagerin Sabine Bendiek in der Funktion des SAP-Personalvorstands vollkommen unterbeschäftigt und überqualifiziert. Sie kann mehr! Sie wird für ihren Vorstandschef Christian Klein demnach noch viele weitere Aufgaben übernehmen. Und Klein braucht Bendieks Wissen und Erfahrung sehr dringend.
Die erste Aufgabe wird die Reparatur von Embrace sein: Genau genommen kam die Cloud-Umarmung Embrace nie wirklich zum Fliegen. Die Idee war gut. Das Unvermögen und die Eifersucht größer. Es war nie klar, ob SAP nun ihre Liebe unter den drei Hyperscalern Microsoft, AWS und Google gleich verteilte oder ob es heimliche Nebenabsprachen gab.
Aus Sicht der SAP-Community gab es ein sehr einseitiges Bild: SAP und Microsoft waren das Liebespaar schlechthin und AWS sowie Google bestenfalls die Brautjungfern. Tatsache ist, dass Microsoft und SAP im deutschsprachigen Raum sehr eng zusammenarbeiteten und einige Leuchtturmprojekte erfolgreich realisierten sowie zusammen mit Partnern ausgiebig darüber informierten.
Unterm Strich scheinen sich die Bemühungen für SAP und Microsoft nicht gelohnt zu haben: Anfang dieses Sommers gab es bereits Kritik in der Partner-Community, dass der Aufwand zu hoch und das Endresultat zu mager wären. Nach den internen Plänen von SAP und Microsoft wechseln noch immer zu wenige SAP-Bestandskunden auf Hana und S/4 und in der Folge dann in die Azure-Cloud von Microsoft. „SAP auf Azure“ ist zwar ein logischer, aber kein zwingender Grund!
In Hollywood gibt es Fortsetzungen von Filmen, wenn diese ganz besonders erfolgreich waren. In der IT gibt es 2.0-Produkte, wenn der erste Anlauf spektakulär scheiterte. Vor vielen Jahren verkündeten Professor Hasso Plattner und Ex-SAP-Technikvorstand Vishal Sikka, dass es bei der Datenbank Hana niemals Versionsnummern geben wird, weil Hana einem Continuous-Improvement-Prozess unterliegt.
Einige Jahre später präsentierte der neue SAP-Technikvorstand Bernd Leukert in Barcelona auf der SAP TechEd zur großen Überraschung Hana 2. Und vielleicht wird der aktuelle SAP-Technikvorstand Jürgen Müller schon bald Hana 3 präsentieren (siehe Interview in dieser Ausgabe).
Seit Ende dieses Sommers arbeitet man in Walldorf an Embrace 2.0 – es gilt zu retten, was zu retten ist! Und hier kommt durch einen glücklichen Zufall Sabine Bendiek ins Spiel, die zu Beginn des kommenden Jahres von der Microsoft-Seite auf die SAP-Seite in den Vorstand nach Walldorf wechseln wird. Theoretisch könnte dann Bendiek mit sich selbst das neue Embrace-2.0-Abkommen ausdiskutieren und etwas Ähnliches wird sie auch für ihren neuen Chef Christian Klein machen müssen.
Für SAP-CEO Klein ist diese Personalentscheidung ein einzigartiger Glücksfall. In der Vergangenheit hat E-3 Autor „Noname“ (siehe Seite 16) immer wieder den Wissensabfluss aus Walldorf kritisiert. SAP gelang es lange Zeit nicht, die klugen Köpfe zu halten und neue Topmanager zu engagieren. Diese Pechsträhne scheint nun mit Sabine Bendiek unterbrochen zu sein. Hier kommen Wissen und Erfahrung in den SAP-Vorstand, was dieser dringend braucht.
Niemals wurden das Engagement und das umfassende sowie detaillierte Wissen der Vorstände Christian Klein, Jürgen Müller und Thomas Saueressig kritisiert. Aber eine Gegenüberstellung der erfolgreichen Karrieren der drei existierenden SAP-Vorstände zu den Arbeitsstationen von Sabine Bendiek zeigt jedem, dass der berühmte Blick über den Tellerrand aktuell in Walldorf fehlt – nun aber durch Bendiek abgesichert erscheint: Vor ihrer Zeit bei Microsoft hatte Bendiek verschiedene Managementpositionen inne, darunter Nixdorf, Siemens Nixdorf, McKinsey, Earlybird Venture Capital, Dell und EMC.
Bendiek ist auch Mitglied des Aufsichtsrats von Schaeffler. Jürgen Müller und Thomas Saueressig fehlt es an Erfahrung und Weitblick, das ist keine Kritik, sondern Tatsache, wenn man die Lebensläufe vergleicht!
Offensichtlich plant SAP mit Bendiek Großes – nicht nur die Reparatur von Embrace!
„Mit Sabine Bendiek haben wir eine außergewöhnliche Führungskraft gefunden, die nicht nur unsere laufende Transformation vorantreiben kann, sondern auch über umfassende operative Erfahrung verfügt“, lobt begeistert Professor Hasso Plattner, Vorsitzender des SAP-Aufsichtsrats.
Bendiek soll Mitte 2021 zusätzlich die Rolle des Chief Operating Officer übernehmen und dann sollte Embrace 2.0 bereits in trockenen Tüchern sein. Ihr Vorgänger als SAP COO war Christian Klein und somit hat Hasso Plattner ein hervorragendes Back-up geschaffen und viel Kompetenz in den SAP-Vorstand implementiert.