Haben Google, Alibaba und AWS noch eine Chance?
Mit „Embrace“ hat SAP ein Programm aufgelegt, das den Bestandskunden einen Weg in die Cloud der Hyperscaler aufzeigen soll. Für die Optik werden Microsoft, Amazon, Google und Alibaba gleichberechtigt genannt.
Im wirklichen Leben ist die singuläre Partnerschaft zwischen Microsoft und SAP längst beschlossen: Der US-Analyst Josh Greenbaum war Anfang November auf der Microsoft-Hausmesse Ignite.
Er kam mit der Botschaft zurück „The Ultimate Enterprise Software Alliance: How SAP and Microsoft Plan to Take over the Enterprise Software Market“.
Warum Microsoft und SAP? Es gibt zwischen den Unternehmen eine weit zurückreichende Geschäftsbeziehung – de facto war Microsoft seit Beginn des R/3-Erfolgs mit Windows und SQL dabei.
Amazon und Google sind erfolgreich geworden mit der Philosophie „Not invented here“. Hardware und Software wird im eigenen Haus nach den eigenen Vorstellungen entwickelt, das hat hinsichtlich Organisation, Unabhängigkeit und Deckungsbeitrag enorme Vorteile – macht aber Kooperationen mit anderen IT-Konzernen komplex bis kompliziert.
Während Amazon den „Rauswurf“ der letzten Oracle-Datenbank aus seinem Cloud-System feiert, verbündet sich Microsoft mit Suse Linux.
Die neue Offenheit und Transparenz von Microsoft macht es SAP und seinen Bestandskunden leichter, auf die Cloud-Plattform Azure zu vertrauen.
Aufgrund des Skaleneffekts wird AWS preiswerter bleiben und Google aufgrund der enormen Research-Investitionen wahrscheinlich innovativer – aber eine „Ultimate Enterprise Software Alliance“ traut man offenbar nur SAP und Microsoft zu.
Googles Trumpf im Enterprise-Markt heißt Rob Enslin. Der ehemalige SAP-Vorstand weiß um die Wünsche und Nöte der SAP-Bestandskunden bestens Bescheid. Im DACH-Raum war sein erstes öffentliches Auftreten ein veritabler Fehlstart.
Google inszenierte sich in München am letzten Tag des DSAG-Jahreskongresses, als die SAP-Community sich selbst in Nürnberg feierte. Mit so wenig Respekt wird Google hierzulande keine Erfolge verbuchen.
AWS ist aufgrund seiner Cloud-Potenz für viele SAP-Experten noch vollkommen unberechenbar. Dem ehemaligen Online-Buchhändler wird organisatorisch und technisch viel zugetraut, aber strategisch ist AWS schwer einzuschätzen:
Ist die SAP-Community für AWS ein ernsthaftes Betätigungsfeld? Oder lässt AWS seine SAP-Anwender bei zu geringer Marge wieder fallen wie eine heiße Kartoffel?
Alibaba ist im Gegensatz zu den nordischen Ländern im deutschsprachigen Raum kaum existent. Ob das strategisch oder zufällig ist, lässt sich aufgrund der Geheimniskrämerei des chinesischen Konzerns nicht verifizieren.
Zwischen SAP selbst und Microsoft gibt es zahlreiche Verbindungen und Verschränkungen, sodass sich viele SAP-Bestandskunden aufgehoben fühlen in einem stabilen Netz.
Neben einer gemeinsamen und erfolgreichen R/3-Vergangenheit gibt es auch in der Gegenwart Vereinbarungen, die über Hana in der Azure-Cloud hinausgehen:
Vor über einem Jahr wurde die Open Data Initiative von Microsoft, SAP und Adobe zur Synchronisation eines CRM-Datenmodells vorgestellt. Ex-CEO Bill McDermott persönlich hat diesen SAP’schen Meilenstein gegen Salesforce initiiert – wahrscheinlich in der Hoffnung, sein wenige Monate zuvor auf der Sapphire 2018 in Orlando präsentiertes C/4 zu retten.
McDermott wurde disruptiv durch die Co-CEOs Jennifer Morgan und Christian Klein abgelöst. Der Staub hat sich gelegt, sodass zum Jahresende eine Analyse möglich wird: Ist Microsoft das bessere SAP?
Bekommt SAP den doppelten Releasewechsel – Hana und S/s4 – auf die Reihe, dann bleibt SAP im Back-Office auch die kommenden 25 Jahre gesetzt.
Weil der S/4-Releasewechsel jedoch mit einer neuen Deadline de facto nicht 2025 stattfinden wird, sondern lebensverlängernde Maßnahmen für SoH (Suite on Hana) bei SAP selbst und bei den Anwendervereinen ASUG und DSAG diskutiert werden, verliert SAP andere wichtige Bereiche aus dem Blickwinkel.
Nebenbei ist SAP mit dem Erreichen einer stabilen Hana-Plattform und der Vorbereitung auf Hana 3 sowie deren Deadline 2025 vollständig ausgelastet.
Des einen Leid, des anderen Freud! Microsoft heißt SAP auf der Azure-Plattform herzlich willkommen und überweist dafür in den kommenden drei Jahren gerne 70 Millionen Euro.
Die Chancen für Microsoft sind gewaltig, weil SAP keine Ressourcen mehr hat, Leonardo und C/4 schnell genug weiterzutreiben, siehe Deadline 2025.
Jede KI- und IoT-Erweiterung zum SAP-Kernsystem ist bei Azure besser aufgehoben. Die Microsoft-Angebote sind nicht nur preiswerter, sondern auch umfassender – und originär:
Während SAP sich in Sachen KI bei Nvidia bedienen muss, hat Microsoft entweder selbst entwickelt oder auf die Open-Source-Community vertraut. C/4 ist dem Microsoft-CRM in fast allen Belangen unterlegen und natürlich auch Salesforce.
Der US-amerikanische Analyst Josh Greenbaum prophezeit bereits eine Ablöse von C/4 durch Dynamics CRM auf Basis der erwähnten Open Data Initiative von Microsoft, SAP und Adobe.
SAP im Back-Office und Microsoft im Front-Office auf Basis der Cloud-Plattform Azure könnte „The Ultimate Enterprise Software Alliance“ werden. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, weil es eine Win-win-win-Situation wäre.
Gewinnen würden nicht nur die SAP-Bestandskunden, sondern auch Microsoft durch den erfolgreichen Eintritt in den Enterprise-Software-Markt und natürlich SAP, weil sich dann der ERP-Weltmarktführer endlich wieder auf seine einzigartigen Kernkompetenzen konzentrieren könnte.