Haus bauen
Man investiert in eigenen Grund und baut fünfzehn Jahre an seinem Haus. Der Garten ist gepflegt, das Auto steht in der Garage. Mit der Zeit will man die Pflege und Administration an einen Dienstleister abgeben, der Grund und Haus übernimmt – aber nicht nur Pflegegebühr, sondern plötzlich auch Miete verlangt.
Klingt verrückt, ist aber so. Mit der Hana Enterprise Cloud (HEC) versucht SAP ein sehr aggressives Rundum-sorglos-Paket zu verkaufen, auch bei uns im Haus wurde man schon vorstellig – es war peinlich!
Die neue SAP-Vertriebsstrategie gliedert sich in Produktgruppen: Es gibt eine Verkaufsmannschaft für Enterprise Support, eine für On-premise-Aufgaben und auch für HEC.
Es ist ein Desaster, denn die jungen Damen und Herren haben durchwegs eine abgeschlossene Fachhochschul- oder Uni-Ausbildung, aber kaum Erfahrung vom wirklichen Leben, der SAP-Community und den Bedürfnissen der Bestandskunden und Partner.
Früher war der SAP-VB ein Berater und Partner, heute ist er bestenfalls ein Sprachrohr, das die aktuellen Listenpreise kennt. Historie, Technik, Community sind den jungen VBs fremd.
Somit war auch der Versuch natürlich erfolglos, uns für HEC zu interessieren – nicht einmal ein produktives Gespräch über Cloud Computing im Allgemeinen war möglich.
HEC ist somit der momentane Rohrkrepierer in Walldorf – und nicht nur ich sehe es so, auch an meinem SAP-Stammtisch ist die Meinung ganz ähnlich.
„Kaufsoftware ist so zukunftsträchtig wie eine VHS-Kassette“
zitierte ich in meiner Kolumne vom Juni dieses Jahres einen Londoner Berater.
Vielleicht hat Kaufsoftware keine Zukunft, wer aber Lizenzen besitzt, sollte diese unter keinen Umständen hergeben.
Von einem Gartner-Analysten habe ich das oben erwähnte Hausbeispiel: Warum soll man jahrelang in Lizenzen investieren, sich damit einen Besitzstand aufbauen und am Ende alles „verschenken“ und wieder zurück zu einem Mietmodell?
Nein, den Grund und das Haus, das ich erwirtschaftet und gepflegt habe, werde ich sicher nicht mehr freiwillig hergeben. Das HEC-Modell ist hiermit gescheitert – aber vielleicht nicht ganz sinnlos.
Der erwähnte Gartner-Analyst empfiehlt zwei Handlungsoptionen: erstens die vorhandenen Lizenzen und deren Wartung nutzen, um die Cloud-Subskription deutlich zu senken.
Damit würde man etwa zehn Prozentpunkte mehr als die aktuelle SAP-Pflegegebühr zahlen und wäre noch immer Größenordnungen unter den HEC-Listenpreisen!
Zweitens: Bevor man mit oder ohne eigene Lizenzen in die Cloud geht, ist unbedingt eine Exit-Strategie auszuarbeiten. Es mag gute Gründe für das Cloud Computing geben, aber nichts in der IT ist für die Ewigkeit geschaffen – eines Tages wird man die Wolke verlassen wollen oder müssen. Für diesen Tag X ist unbedingt Vorsorge zu treffen!
Leider ignoriert unsere SAP diesen Umstand vollkommen und auch die lieben Kollegen der DSAG hinterfragen und diskutieren ein mögliches Exit-Szenario kaum.
Rat und Tat gibt es bei Gartner, die schon einmal empfehlen, mit dem ganzen SAP-Support und Releasewechsel auszusetzen, etwa zu Rimini Street zu wechseln sowie abzuwarten und zu beobachten, wie Walldorf die S/4-Hana-Konsolidierung hinbekommt.
Was ist los in Walldorf?
Hinreichend bekannt ist, dass Vorstand Gerd Oswald diesen Sommer endgültig ausscheidet. Sein designierter Nachfolger ist seit Jahresbeginn der umsichtige und erfahrene Michael Kleinemeier.
Hier scheint das meiste geordnet und geregelt zu sein. Ganz anders ist die Situation im technischen Bereich: Mit viel Glück und zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort konnte der ehemalige Oswald-Zögling Bernd Leukert nicht nur schnell ins globale Managing Board einziehen, sondern auch durch den überraschenden Abgang von Vorstand und CTO Vishal Sikka den Job des Technikvorstands beerben.
Aber er konnte sich dort nicht festsetzen und etablieren!
Nun droht Gefahr von Steve Singh: Er kam zu SAP durch die Übernahme von Concur, konnte sich schnell positionieren und ist nun im SAP-Vorstand angelangt, wo er offiziell für die neuen Wachstumsbereiche von SAP verantwortlich ist – was immer SAP-Chef Bill McDermott darunter verstehen will.
Auf der Sapphire dieses Jahr wurde deutlich, wohin Singh will. Er beansprucht das gesamte Cloud Computing exklusive S/4 für sich.
Er leitet die Entwicklung, definiert die Konzepte und die Märkte. Damit ist aber Bernd Leukert auf on-premise, Hana und S/4 reduziert, was heute noch den weitaus größten Umsatz für SAP generiert, aber die Zukunft liegt laut Bill McDermott im Cloud Computing und den Business Networks wie Concur, Ariba, Fieldglass, Hybris etc. Steve Singh will für SAP die Kunden von Microsoft, Amazon und Google.
Momentan scheint SAP kein innovatives Thema zu klein, zu komplex oder zu ertragsschwach.
Lediglich die Attribute Hana-Plattform und Cloud Computing scheinen unumstößlich gesetzt zu sein – alles andere steht zur Diskussion. Hoffentlich nicht auch die alten R/3-Bestandskunden, die noch immer für die Gewinne der Walldorfer verantwortlich sind.