Killerwettbewerb Digitalisierung
Über den aktuellen Stand der Entwicklung hat E-3 mit Hans-Gerd Schaal, Senior Director SAP Solutions Group EMEA, gesprochen.
E-3: Herr Schaal, wie lautet Ihre Einschätzung zu S/4?
Hans-Gerd Schaal: Der SAP ist in der Tat der große Wurf gelungen. Jahrelang hat sich der Markt gefragt, wie man ein so komplexes und diversifiziertes Produkt wie R/3 in das Internetzeitalter überführt. S/4 Hana ist die Antwort.
E-3: Viele SAP-Bestandskunden sind aber noch skeptisch.
Schaal: Das ist menschlich sehr leicht nachvollziehbar. S/4 Hana ändert fast alles. Und Veränderung macht Angst. Doch Furcht ist ein schlechter Ratgeber und führt dazu, die Chancen aus den Augen zu verlieren.
E-3: Welche sind das?
Schaal: Der Megatrend heißt Digitalisierung. Kleine Start-ups fordern Industrie- ikonen heraus und drohen sie aus dem Markt zu werfen. Das ist ein knallharter Verdrängungswettbewerb.
Die etablierten Unternehmen müssen deshalb schneller und flexibler werden, tragen aber noch viele Altlasten mit sich herum.
E-3: Klingt nach der Quadratur des Kreises.
Schaal: Niemand verlangt die Revolution, auch die Digitalisierung ist eine Evolution, die man allerdings jetzt in Angriff nehmen muss. Die SAP-Bestandskunden müssen nicht in einem einzigen großen Schritt auf S/4 Hana umsteigen, sondern können das phasenweise tun.
Außerdem bietet die neue SAP-Generation alle Implementierungsoptionen: öffentliche wie private Cloud, aber auch on premise.
E-3: Die Frage ist also gar nicht Cloud oder nicht Cloud?
Schaal: Diese Alternative ist konstruiert. Die Zukunft wird hybrid sein. Das Entscheidende an der neuen Softwarewelt ist ihre Einfachheit: auf Infrastruktur-, Prozess- und Anwenderebene. Es ist kein Zufall, dass S/4 Hana und Fiori Hand in Hand gehen.
E-3: Sie folgen also der SAP-Strategie?
Schaal: Ja, das tun wir. Denn die Prinzipien Einfachheit und Flexibilität für die Kunden inklusive der Endanwender sind richtig. Wir drücken das so aus: Simplify Your Platform. Simplify Your Business. Simplify Your Digital Transformation.
E-3: Was heißt das konkret?
Schaal: Wir bieten Lösungen im SaaS-Modell mit einer verbrauchsbasierten Bepreisung nach Art öffentlicher Cloud-Angebote. Dazu zählt etwa unser Archive Center Cloud Edition (vgl. Seite 50).
Das ist ein verschlüsseltes Archiv in der Cloud für SAP-Daten und -Dokumente, für sonstige Dateien und E-Mails, aber auch für Inhalte aus Repositorys mit CMIS-Unterstützung. Die Kunden können es sofort benutzen und über eine einfache Weboberfläche bedienen.
E-3: Sind das die einzigen Cloud-Lösungen?
Schaal: Keineswegs. Unser Flaggschiffprodukt für SAP, Extended ECM, lässt sich ebenfalls in der Cloud betreiben, sowohl in unserer eigenen Cloud-Infrastruktur als auch auf Microsoft Azure.
Ab April nächsten Jahres wird Extended ECM übrigens auch auf Hana laufen, wie es bei unserem Archiv heute schon der Fall ist. Dann entfallen zusätzliche Datenbanklizenzgebühren.
Andere Beispiele wären etwa unser Dokumentenmanagement und Collaboration-Tool in der Cloud, Core genannt, oder unsere Rechnungseingangslösung VIM. Diese hat übrigens die höchste Qualifikation für das Zusammenspiel mit Simple Finance erhalten.
Das heißt, dass die Daten, die VIM aus Eingangsrechnungen ausliest, zu 100 Prozent zuverlässig sind. Die dadurch ausgelösten automatisierten SAP-Buchungen sind korrekt.
E-3: Heißt die Zukunft also doch nur noch Cloud?
Schaal: Keineswegs. Unsere Lösungen stehen freilich weiterhin auch on premise zur Verfügung oder in einer sogenannten privaten Cloud, also in unseren Rechenzentren und von uns betreut.
Ein Beispiel: Unsere digitale Personalakte ist in SuccessFactors von SAP integriert. Aber es ist immer heikel, besonders schützenswerte Personaldokumente in einer öffentlichen Cloud zu lagern. Mit unserer Lösung muss das nicht sein.
Die Funktionalität kommt aus der öffentlichen Cloud, die Inhalte liegen im Unternehmen oder in der privaten Cloud-Umgebung. So vereinfachen wir den Aufwand, den die Kunden für ihre Plattformen betreiben müssen.
Darüber hinaus optimieren wir mit unseren Lösungen die Geschäftsprozesse, die nicht immer vom SAP-System ausgelöst werden.
E-3: Wie meinen Sie das?
Schaal: Ein Drittel aller SAP-Daten eines Unternehmens wird durch Prozesse generiert, die ihren Ursprung außerhalb der Firma haben. Diese Daten stammen überwiegend aus Dokumenten oder EDI-Übertragungen wie zum Beispiel eingehenden Bestellungen oder Lieferbestätigungen.
Unsere Lösung Business Center for SAP Solutions (siehe Seite 47) liest die in den Dokumenten enthaltenen Informationen vollautomatisch und dank Selbstlernmechanismen korrekt aus und transferiert sie in SAP.
Die Lösung ist im Grunde in allen Dokumentenprozessen einsetzbar, zum Beispiel auch im Einkauf und Personalwesen. Und eine SAP Fiori App gehört auch dazu. So entstehen optimale, weil weitgehend automatisierte, schnelle und flexible sowie anwenderfreundliche Geschäftsprozesse.
E-3: Bleibt noch „Simplify Your Digital Transformation“.
Schaal: Wir stehen unseren Kunden auf ihrem Weg in die digitalisierte Wirtschaft beratend zur Seite. Dafür sind unsere speziellen Workshops konzipiert (siehe Seite 51).
In einem auf zwei Tage ausgelegten Seminar analysieren wir anhand von acht Kriterien den digitalen Reifegrad eines Unternehmens. Das ist die Basis, um die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung des Geschäftsmodells auszuloten und eventuell bereits zu konkretisieren.
Dazu gehören dann auch nach Prioritäten geordnete, ganz konkrete Schritte wie die Vereinfachung der Plattform und die Optimierung der Prozesse. Selbstverständlich bieten wir an, dieses Vorgehen in regelmäßigen Abständen zu wiederholen und dabei einen langfristigen Projektfahrplan zu entwickeln.
E-3: Warum gehen die Unternehmen nicht zu produktunabhängigen Beratern?
Schaal: Auch wenn sie nicht genau wissen, wie das neue digitale Geschäftsmodell aussehen wird, ist eines gewiss: Die Menge an unstrukturierten Informationen wird durch die Digitalisierung explosionsartig zunehmen.
Man denke nur an „Beweis“-Fotos von Produkten, die in Zukunft direkt im Einzelhandel ausgedruckt werden, oder an die weiter zunehmenden Selbstbedienungsszenarien, ob im Laden um die Ecke oder zu Hause am Rechner.
Zudem ist den Unternehmen bewusst, dass Informationen nicht am SAP-System oder an den eigenen vier Wänden halt machen. Sie brauchen also ein prozessorientiertes Informationsmanagement entlang der gesamten Wertschöpfungskette, vom Lieferanten des Lieferanten bis zum Endkunden. Sie wissen, dass wir das können.
E-3: Spielen die Endkunden die zentrale Rolle bei der Digitalisierung?
Schaal: Wir sind davon überzeugt. Das gilt sowohl für Endkonsumenten als auch für Unternehmenskunden. Es gilt aber auch für die Endanwender in den Unternehmen.
Die Digitalisierung gelingt nur, wenn die Nutzung einfach ist, auf jedem Gerät, zu jeder Zeit und intuitiv funktioniert. Deshalb werden alle unsere SAP-Lösungen auf die neue Fiori-Oberfläche umgestellt und wir stellen zahlreiche Funktionalitäten unserer SAP-Lösungen sukzessive auch als SAP Fiori Apps zur Verfügung.
So sorgen wir für ein konsistentes Anwendererlebnis, der Schulungsaufwand sinkt entsprechend. Das dahinter stehende Konzept einer rollenbasierten Anzeige kommt uns hier sehr zupass.
E-3: Wie meinen Sie das?
Schaal: Wir haben immer schon in unseren Lösungen das Prinzip angewandt, dass der Anwender nur diejenigen Informationen angezeigt bekommen soll, die für ihn entsprechend seiner Rolle relevant sind.
Alles Überflüssige oder nicht Autorisierte wird ausgeblendet. Genauso geht SAP mit Fiori vor. Man muss keine Transaktionscodes mehr kennen, um die eigenen Aufgaben zu erledigen, sondern wird mithilfe von Kacheln durch den Prozess geführt.
Die unstrukturierten Inhalte freilich und das Wissen, wie diese Inhalte miteinander und mit den SAP-Daten in Beziehungen stehen, liefern wir.
E-3: … um sie situations- und anwenderspezifisch bereitzustellen.
Schaal: Exakt. Das ist das Wichtigste bei der Automatisierung von Prozessen. Irgendwann greift immer der Mensch ein, er darf aber nicht seine Zeit damit verschwenden, erst einmal alles zusammenzusuchen, was er benötigt.
Die Unternehmen müssen in Endkundenerwartungen denken. Wir wollen doch alle personalisierte Informationen, aber keine Werbung und Kundenansprache nach dem Gießkannenprinzip.
E-3: Ist Personalisierung ein weiterer Baustein der Digitalisierung?
Schaal: Ein ganz wesentlicher sogar. Nehmen Sie Hybris als Beispiel. Die kundenspezifische Informationsbereitstellung steht hier im Mittelpunkt. Das geht aber nur, wenn alle dafür nötigen Assets sauber gemanagt werden, inklusive der Markenrechte übrigens.
In welchem Markt darf ich welches Video zeigen, welches Logo verwenden? Es ist daher kein Wunder, dass unser Digital Asset Management in Hybris die dafür bevorzugte Lösung ist.
Wieder ist die Funktionalität, falls gewünscht, aus der Cloud beziehbar, die Assets aber bleiben unter der Kontrolle der Unternehmen.
E-3: Also alle Kraft voraus in die digitale Wirtschaft?
Schaal: Ja, aber nur nichts dabei überstürzen. Digitalisierung ist schließlich kein Selbstzweck. Auch digitale Geschäftsmodelle müssen nachhaltig sein. Aber die Unternehmen brauchen keine Angst davor zu haben.
Der Übergang wird schrittweise erfolgen, Altes und Neues miteinander vereinen. Niemand wird zu etwas gezwungen. Wir begleiten die Unternehmen auf ihrem je eigenen Weg in die Digitalisierung.