„Embrace“ Cloud-Trends
Anfang Februar veröffentlichte „Der Aktionär“ einen Blogeintrag mit dem Titel „SAP-Restrukturierung: Kann die Aktie endlich dem Cloud-Trend folgen?“. Selten steckten so viel Botschaften in einer Zeile!
SAP hat sich in den vergangenen Jahren schlecht und falsch positioniert: Aus einem ERP-Alleinstellungsmerkmal ist ein Gemischtwarenladen geworden, der schwerfällig jedem IT-Trend hinterherläuft.
Zusammen mit Ex-SAP-Chef Professor Henning Kagermann hätte man die Chance gehabt, die IoT- und Industrie-4.0-Revolution fast vollständig zu vereinnahmen. Heute muss man sich das Feld mit einer Vielzahl potenter Mitbewerber teilen. Ein zweites Alleinstellungsmerkmal hat der ERP-Konzern leichtfertig verspielt.
Die „SAP-Restrukturierung“ bezieht sich nur an der Oberfläche auf etwa 4000 Mitarbeiter, von denen sich der Konzern trennen will. Die wahren Probleme liegen tiefer: Finanzvorstand Luka Mucic hat bei der Bilanzpressekonferenz im Januar dieses Jahres vorsichtig und sehr verhalten angedeutet, dass es nicht nur die falsch positionierten Mitarbeiter sind, die eine Schieflage des Konzerns verursachen.
Bill McDermott und er planen, Standorte aufzulösen oder zusammenzulegen. Der ERP-Weltmarktführer ist heillos fragmentiert und atomisiert. Wahllose Zukäufe und der Glaube, dass die Cloud alles heilen wird, haben zu einem Unternehmenskonglomerat und einer unüberschaubaren Infrastruktur geführt, die auch der beste CEO nicht mehr überblicken und steuern kann.
Von SAP National Security Services (SAP NS2) über Sybase bis zu Qualtrics erstreckt sich das Reich der SAP und angesichts der Unternehmen, Standorte und Themen erscheint der SAP-Vorstand sehr schlank aufgestellt.
Wenn hier einiges aus dem Ruder läuft, ist es nur logisch und nicht verwunderlich. Und Bill McDermott bringt immer noch neue Themen ins Spiel: Auf seiner Bilanzpressekonferenz dieses Jahr erweiterte er den SAP-Leonardo-Baukasten für die digitale Transformation um das Thema Quantencomputer!
Aus dem Organisations- und Rendite-Desaster gibt es bei SAP zwei Exit-Strategien, beide sind genau genommen eine Niederlage von Bill McDermott: Er restrukturiert gemeinsam mit seinem Finanzvorstand Luka Mucic das SAP-Universum hinsichtlich Mitarbeiter und Standorte und er überträgt seine „Cloud First“-Strategie den Hyperscalern und SAP-Partnern, die momentan den Cloud-Trend angeben und sehr erfolgreich sind. Auf der SAP Fkom 2019 wurde „Embrace“ geboren: SAP will die Hyperscaler und SAP-Cloud-Partner umarmen und umklammern.
Die Quadratur des Kreises versucht McDermott wieder einmal: Zwischenzeitlich will er sich per „Golden Parachute“ von 4400 Mitarbeitern verabschieden und in einem Jahr dennoch über 100.000 Angestellte vorweisen (aktuell etwa 95.000).
Gleichzeitig hat sein Finanzchef Mucic angekündigt, dass Unternehmensstandorte konsolidiert und zusammengelegt werden. Wahrscheinlich wird auch das Produktportfolio restrukturiert – nur darüber redet man bei SAP nicht gerne:
Die SAP-Bestandskunden haben oft viele Ressourcen in das Customizing und die Weiterentwicklung von SAP-Produkten investiert. Wenn aus Sicht von SAP bei diesen Produkten die Rendite aber nicht stimmt, wird sehr schnell und ohne Rücksicht das Produkt abgekündigt – der Anwender hat keinen Ersatz und das Nachsehen.
„Embrace“ – Umarmung – galt nicht nur auf dem Field-Kick-off-Meeting (Fkom 2019) in Las Vegas und Barcelona, sondern soll das neue SAP’sche Partnerprogramm sein, damit die Cloud-Story des Bill McDermott gerettet werden kann.
Ganz unzweifelhaft ist die „Cloud First“-Strategie gescheitert: Es fehlt bei SAP an Ressourcen sowie Know-how und der Skalierungseffekt ist gering. Der Bestandskunde erwartet bei SAP nicht nur einen funktionierenden Rechenzentrumsverbund, sondern auch Beratungsleistung und Cloud-Wissen.
Denn die Cloud-Preise bei SAP sind wesentlich höher – im Vergleich zu den Hyperscalern. Weil dem aber nicht so ist, gilt aktuell Microsoft mit Azure als Star in der SAP-Cloud-Community. „If you can’t beat them, join them“, mag sich Bill McDermott gedacht haben und hat zur Fkom das Motto „Embrace“ ausgegeben.
„Der Aktionär“ bringt es auf seinem Webportal auf den Punkt:
„Es ist rund vier Jahre her, seitdem SAP den letzten großen Umbau ankündigte, jetzt steht die nächste Restrukturierung an. Das Ziel: Schulden abbauen, Geschäftsprozesse vereinfachen und sich auf die Cloud konzentrieren. Das verspricht dem Softwarekonzern endlich wieder einen positiven Margentrend – ein Aufwärtstrend der Aktie könnte folgen.“