DSAG-Investitionsreport 2019: Mehr Aufklärung zur Digitalisierung notwendig
Wie jedes Jahr wurde auch diesmal Ende Januar der DSAG-Investitionsreport veröffentlicht, der immer wieder ein glasklares Bild der SAP-Community abgibt, das nur allzu oft im diametralen Gegensatz zu den Aussagen von SAP-Chef Bill McDermott und seinem Finanzvorstand Luka Mucic auf der SAP-Bilanzpressekonferenz steht.
SAP ist der Meinung, wirklich alles richtig gemacht zu haben und bestens unterwegs Richtung 2025 zu sein. Der DSAG-Investitionsreport zeigt deutliche Lücken in der SAP-Strategie und zeichnet ein ernüchterndes Bild bezüglich operativer Adaption von Hana, S/4 und Leonardo.
Sollte der Investitionsreport auch nur teilweise stimmen, werden viele SAP-Bestandskunden bis 2025 den S/4-Releasewechsel nicht schaffen. Was dann?
Aus Sicht des DSAG-Investitionsreports gibt es zahlreiche Themen, die die SAP-Bestandskunden beschäftigen. Aufseiten der SAP ist es überschaubar: C/4, Hana und Cloud.
Aber SAP weiß auch, dass im Bereich „Cloud Computing“ einiges aus dem Ruder läuft – die Gegenstrategie: Embrace! Auf dem diesjährigen SAP’schen Field-Kick-off-Meeting (Fkom) versuchte SAP, die Partner und allen voran die Hyperscaler zu umarmen und zu umklammern, um von der SAP-Cloud-Strategie irgendetwas noch zu retten!
Denn SAP hat es noch immer nicht geschafft, ihren Bestandskunden eine „atmende“ Cloud zur Verfügung zu stellen. Bei AWS, GCP und Azure kann es immer in beide Richtungen gehen. Der Anwender zahlt den Verbrauch. Bei SAP hingegen bucht der Bestandskunde Services und Lizenzen ohne Möglichkeit der Rückgabe.
Mit „Embrace“ will sich der ERP-Weltmarktführer nun an den Erfolg der Hyperscaler anhängen. Ob das gelingt, ist jedoch auf Basis des DSAG-Investitionsreports sehr zweifelhaft. Kämpfen doch Google und Amazon selbst mit großen Akzeptanzproblem in der SAP-Community. Nicht unwahrscheinlich, dass für SAP, Google und Amazon „Embrace“ eine Schlacht bei Waterloo wird.
Parallel zur SAP’schen Fkom vermittelt der DSAG-Investitionsreport ein differenzierteres Bild: Big Data, Internet of Things und künstliche Intelligenz beziehungsweise Machine Learning sind die Top-3-Digitalisierungsthemen bei den Mitgliedern der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG). In diesen Bereichen haben SAP-Anwender Projekte geplant oder bereits begonnen. Das hat der DSAG-Investitionsreport 2019 ergeben.
Bei den Digitalisierungsbestrebungen in ihren Unternehmen sind die Befragten jedoch skeptischer als noch vor einem Jahr. Der SAP-Leonardo-Motor stottert: SAP tut sich sehr schwer, das Framework Leonardo in der SAP-Community zu positionieren.
Selbst auf dem SAP Capital Markets Day 2019 am 7. Februar an der New Yorker Börse konnte „Leonardo“ nicht korrekt eingeordnet werden: Die dort gezeigte Grafik verlegte die „Geburtsstunde“ von SAP Leonardo in das Jahr 2018 – SAP Leonardo gibt es jedoch seit 2016 und bereits 2017 veranstaltete SAP eine erfolgreiche Leonardo-Konferenz in Frankfurt/M.
Ablaufdatum 2025
SAP’sche Deadline 2025: Noch immer hält SAP offiziell am ERP/ECC-6.0-Ablaufdatum fest. Der DSAG-Investitionsreport zeigt jedoch ein Bild, nach dem dieser Plan kaum noch gelingen kann. Die Business Suite (ERP/ECC 6.0) auf Hana und S/4 umzustellen ist bei einer Vielzahl der befragten Unternehmen geplant.
Nur die Umsetzung verläuft aktuell nicht so schnell wie erwartet und abgeschlossene Projekte sind noch nicht in großer Anzahl verfügbar. Bezüglich der Relevanz von SAP-Produkten lautet ein Ergebnis: Die Business Suite ist in vielen Unternehmen bereits ausgereift.
Hauptinvestitionen in die ERP-Lösung nehmen daher das dritte Jahr in Folge und auch deutlich ab (2017: 33 Prozent, 2018: 29 Prozent, 2019: 10 Prozent). Die Investitionen in S/4 steigen aber nicht in gleichem Maße. Sie verharren bei 14 Prozent.
In Zusammenhang mit Investitionen für Digitalisierungsbestrebungen differenzieren DSAG-Mitgliedsunternehmen weiterhin zwischen bestehenden und neuen Geschäftsmodellen. Der Fokus auf bestehende Geschäftsprozesse ist dabei erneut gestiegen (plus fünf Prozentpunkte) und erreicht damit 90 Prozent.
„Viele Unternehmen beschäftigen sich mit dem ERP und das bedeutet, sie betrachten bestehende Geschäftsprozesse. Das erklärt die hohe Anzahl an geplanten S/4-Hana-Projekten, wird S/4 doch oftmals mit Digitalisierung gleichgesetzt“
erklärt Marco Lenck, Vorstandsvorsitzender der DSAG.
Investitionen in neue Geschäftsmodelle schätzen über zwei Drittel der Befragten als wichtig ein. Damit steigt ihre Relevanz um zwei Prozentpunkte.
DSAG-Mitgliedsunternehmen investieren nach wie vor allgemein in die IT. Bei 40 Prozent der Befragten steigt das Budget um rund 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Bei rund der Hälfte bleiben die Budgets gleich. Die Investitionen differenzieren sich nicht nach Branchen. Handel, Dienstleistungen und produzierendes Gewerbe verhalten sich ähnlich.
Investitionen in ERP und Cloud
Teilweise wandern die frei gewordenen Budgets in Cloud-Lösungen. 16 Prozent der Unternehmen planen mittlere und hohe Investitionen in SuccessFactors. Der Wert liegt auf Vorjahresniveau.
Die SAP Analytics Cloud ist mit einem Plus von sechs Prozentpunkten deutlich auf neun Prozent gewachsen. Die SAP Cloud Platform verdoppelt sich bei den mittleren Investitionen auf acht Prozent. Die Planungslösung Integrated Business Planning bringt es ebenfalls auf acht Prozent.
Das neue SAP’sche CRM C/4, worunter sich Lösungen wie Hybris vereinen, ist zwölf Prozent der Unternehmen mittlere und hohe Investitionen wert. Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch C/4 gleich Hybris und dieses Schweizer E-Commerce-Produkt ist von bekannt guter Qualität.
In welche Richtung sich C/4 mit der Callidus-Cloud und Qualtrics entwickeln wird (siehe SAP-Grafik), war naturgemäß zum Zeitpunkt der DSAG-Umfrage zum Investitionsreport 2019 noch nicht bekannt.
Darüber hinaus investieren DSAG-Mitglieder in Projekte zu den genannten Schwerpunkten Big Data, Internet of Things, künstliche Intelligenz/Machine Learning und Robotic Process Automation.
Ende der Fahnenstange
Nach dem erwähnten SAP Capital Markets Day kommentierte ein Finanzanalyst des Nachrichtennetzwerks Dow Jones die Worte des SAP-Finanzvorstands Luka Mucic auf der Technologiekonferenz von Goldman Sachs – ebenfalls in New York – folgend: Der SAP-Finanzvorstand hat das Commitment des Managements für eine Margensteigerung in diesem Jahr bekräftigt.
„Die Investoren werden nicht lange warten müssen, um die Fortschritte zu sehen“
versprach Mucic auf der Technologiekonferenz von Goldman Sachs.
Für die nächsten zwei Jahre schloss er zudem Großübernahmen, die über Schulden finanziert werden müssten, definitiv aus. Das Portfolio sei jetzt gut zusammengesetzt, der Fokus liege darauf, die Vorteile aus den jüngsten Übernahmen für das weitere Wachstum zu nutzen.
2018 hatte SAP rund zehn Milliarden Dollar für die zwei großen Zukäufe Callidus und Qualtrics investiert und dies unter anderem mit Euroanleihen über 4,5 Milliarden Euro finanziert.
Die Marge wird nach den Worten von Luka Mucic durch eine Reihe von Faktoren angekurbelt werden: Im Cloud-Geschäft soll die Bruttomarge um acht Prozentpunkte steigen, was auch der Gesamtquote einen kräftigen Schub geben werde.
Neben dem erwarteten starken Wachstum in der Cloud und damit Skaleneffekten sorgten auch die zunehmenden Vertragsverlängerungen für weniger Kosten als Neuabschlüsse. Helfen werde auch der Abschluss der Plattformmigration, die für dieses Quartal angepeilt ist.
Außerdem würden die Sales- und Marketingkosten insgesamt nach unten gehen. Mucic warb erneut um Vertrauen für das neue Geschäftsmodell. Jetzt würden die Arbeiten an der Cloud- Plattform C/4 priorisiert, nachdem die Anpassungen bei der Datenbankplattform Hana finalisiert seien.
Was SAP von anderen unterscheide, sei die Verknüpfung beider Strukturen. Damit könne das Unternehmen Komplettlösungen anbieten, vom Kundenbeziehungsmanagement hin zur Lieferkette und zur Unternehmenssteuerung mit Enterprise Resource Planning. (Ende des Dow-Jones-Zitats)
Die Rede von Finanzvorstand Luka Mucic auf dem SAP Capital Markets Day und bei Goldman Sachs lässt sich folgend zusammenfassen: SAP hat alle Hausaufgaben perfekt gelöst.
Das Geschäftsmodell besteht nun aus Umsatzzielen und mehr Profit! Die Wirklichkeit ist jedoch eine andere, wie der DSAG-Investitionsreport und auch beispielhaft ein Blick auf Hana zeigen:
Es gab drei Notfall-Patches in den vergangenen vier Monaten und selbst in der SAP-internen IT ist die Umstellung von Hana 1 auf Hana 2 noch lange nicht abgeschlossen. Mit Stand 1. Oktober vergangenen Jahres standen bei SAP noch 41 Prozent aller Hana-Systeme auf Version 1.
Wie jedes Jahr wurden die Mitglieder zur Umstellung der Business Suite auf S/4 Hana befragt. An den Zahlen lässt sich ablesen, dass die Unternehmen weitreichende Pläne in dieser Hinsicht haben.
Fünf Prozent wollen in diesem Jahr noch umstellen, 39 Prozent in den kommenden drei Jahren (plus sechs Prozentpunkte), weitere 30 Prozent nach diesem Zeitraum (plus zehn Prozentpunkte).
„Bis auf ein Viertel haben die Firmen eine klare Entscheidung für die Umstellung getroffen“
deutet Marco Lenck die Ergebnisse.
„Trotzdem stockt die Rate derer, die Projekte realisiert haben. Diese bleibt bei drei Prozent.“
Das könnte daran liegen, dass Firmen aktuell Projekte initiieren, die länger dauern, oder auf Brownfield-Implementierungen setzen, bei denen der Komplettumzug von einem System ins andere komplex ist. Oft wurde aber auch der Aufwand zunächst falsch eingeschätzt.
In Zusammenhang mit Investitionen für Digitalisierungsbestrebungen differenzieren DSAG-Mitgliedsunternehmen weiterhin zwischen bestehenden und neuen Geschäftsmodellen. Der Fokus auf bestehende Geschäftsprozesse ist dabei erneut gestiegen (plus fünf Prozentpunkte) und erreicht 90 Prozent.
„Viele Unternehmen beschäftigen sich mit ERP und das bedeutet, sie betrachten bestehende Geschäftsprozesse. Das erklärt die hohe Anzahl an geplanten S/4-Hana-Projekten, wird S/4 Hana doch oftmals mit Digitalisierung gleichgesetzt“
erklärt Marco Lenck.
Investitionen in neue Geschäftsmodelle schätzen über zwei Drittel der Befragten als wichtig ein. Damit steigt ihre Relevanz um zwei Prozentpunkte.
Fazit: Gemeinsam aufklären
Aus den Ergebnissen des DSAG-Investitionsreports lassen sich folgende Forderungen und Aufgaben ableiten. Es braucht weiterhin Aufklärungsarbeit zur Digitalisierung in den Unternehmen. Hier fehlen anschauliche Beispiele und Best Practices. Die DSAG legt hierauf einen Schwerpunkt.
Dazu Marco Lenck:
„Gemeinsam mit SAP wollen wir daran arbeiten, DSAG-Mitglieder mit wertvollen Informationen und Einschätzungen zum Lizenzmodell, zu S/4 Hana, C/4 Hana und weiteren Lösungen, mit denen sich Digitalisierungsvorhaben realisieren lassen, zu unterstützen.“
Aber: Auch wenn die Bedeutung von S/4 Hana weiter zunimmt, die Business Suite hat nach wie vor Bestand:
„SAP-Kunden, die mit der Umstellungsgeschwindigkeit nicht mithalten können, dürfen nicht abgehängt werden, etwa durch eine deutliche funktionale Ausdünnung der Business Suite“
fordert Marco Lenck.
„Es wird noch eine lange Übergangszeit geben, in der beide Lösungen zum Einsatz kommen.“
Thematisch wird sich die DSAG 2019 weiterhin verstärkt um Big Data, Internet of Things und künstliche Intelligenz sowie Machine Learning kümmern, um ihre Mitglieder fit für die Digitalisierung zu machen.