Herausforderung IoT – Die digitale Logistikkette
Technologien wie IoT und fortgeschrittene Bilderkennungssysteme bergen speziell für die Logistik eine Vielzahl von günstigen Optimierungsmöglichkeiten. Bisher steht das Thema jedoch in vielen Unternehmen noch am Anfang. Gerade weil die Logistik ein Zusammenspiel unterschiedlichster Partner mit jeweils ganz eigenen Ausgangslagen ist, stellt sich die Frage nach der Finanzierung neuer technologischer Lösungen als besonders komplex dar.
So hat beispielsweise ein Industrieunternehmen vielleicht die Motivation, seine Hoflogistik zu automatisieren, der Logistikdienstleister jedoch nicht die Mittel, sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen bei seinen Kunden einzustellen.
„Die größte Herausforderung bei der Einführung von neuen Technologien liegt in der Inkompatibilität mit bestehenden Systemen“: Das stellt die Studie „Chancen der digitalen Transformation“ der Bundesvereinigung Logistik (BVL) fest, für die rund 1350 Teilnehmer befragt wurden. Zwar schätzen 73 Prozent der befragten Unternehmen die Chancen der digitalen Transformation für ihr Unternehmen als hoch bis sehr hoch ein. Doch mehr als die Hälfte der Unternehmen will erprobte Praxislösungen abwarten.
„Diese Haltung kann geschäftsschädigend sein, denn im digitalen Zeitalter ist eine hohe Innovationsgeschwindigkeit wichtiger denn je“
mahnen die Autoren der Studie.
Datenbasierte Logistik
Der Preisverfall bei Sensoren, RFID-Chips und Kameras macht es möglich: Heute kann ein avisierter Transport am Werkstor per kognitivem Service mit OCR-Nummernschilderkennung verifiziert, ihm automatisch vom System die Schranke geöffnet und ein Platz zugewiesen werden.
Immer mehr logistische Objekte wie Container, Wechselbrücken, Bahnwaggons, Paletten, Behälter, Trucks, Tanks und Schiffe sind mit entsprechender Technologie ausgestattet, generieren Daten und stellen diese bereit.
Technologien zur Standortbestimmung, zum Echtzeittracking und zur Echtzeitvisualisierung schaffen die massiven Probleme ab, die heute in der Praxis entstehen, weil man nicht genau weiß, wo genau sich zum Beispiel ein Transport, Equipment oder Produkt befindet.
Sensoren für die Temperaturüberwachung oder Füllstandsmessung lösen automatisiert Prozessschritte aus, Drohnen helfen bei der Inventur, Apps auf mobilen Devices ersetzen manuelle Schritte und erfassen Daten direkt am Ort des Prozessgeschehens.
Neue Daten kommen
Die wohl größte Umstellung auf die digitale Logistik liegt im Umgang mit zahlreichen Hardware-Daten aus Sensoren und anderen Edge-Devices: Darauf sind derzeit die wenigsten Unternehmen vorbereitet.
Zum einen ist eine gezielte Ausrichtung der IT-Infrastrukturen und -Architekturen auf den Umgang mit unterschiedlichsten Datenformaten notwendig. Zum anderen erschweren die Architekturen der prozesssteuernden SAP-Systeme, die sich bewusst nach außen abschotten, die Integration von Non-SAP-Echtzeitdaten.
Unternehmen stehen dabei vor zahlreichen Herausforderungen: So sind nicht nur die Systeme intelligent zu öffnen, sondern es steht auch die Identifikation an, welche Daten konkret an welcher Stelle des Prozesses helfen können.
Das bedeutet: In der digitalen Supply Chain müssen die Systeme an der jeweiligen Stelle im Prozess in der Lage sein, Daten unterschiedlicher Herkunft smart zu integrieren und den Prozess zu orchestrieren.
Das Beispiel eines Unternehmens aus der Lebensmittelbranche zeigt, wie Daten zur Prozessautomatisierung beitragen können: Die Trailer müssen hier vor dem Transport eine bestimmte Kühltemperatur aufweisen.
Zuvor fand dieser Prozess rein manuell statt, indem ein Mitarbeiter auf dem Bildschirm die Informationen zu Kühltemperaturen verfolgte und dann entsprechende Prozesse im System anstieß.
Heute meldet ein Sensor im Trailer, wenn die Temperatur erreicht ist, und der Trailer wird automatisch im System für die Beladung freigegeben. Die Connectivity zwischen Endgeräten und dem SAP-System ist vor allem für große Konzerne eine besondere Herausforderung, deren Systeme in Internet- und Intranet-Zonen unterteilt sind: Die Diskussion der Sicherheitsaspekte dauert hier oft länger als die eigentliche Umsetzung.
Flexible Zwischenschicht organisiert Daten
Erforderlich sind für die digitale Supply Chain neben einem transparenten Daten- und Prozessmodell auch ein Integrations-Layer, auf dem Daten zusammenfließen und per Regelwerk festlegt ist, was mit welchem Datum geschieht und welche Prozessschritte wie beeinflusst werden: keine kleine Herausforderung.
Perspektivisch könnten auch intelligente Algorithmen für selbstlernende Systeme bei der Erstellung und Pflege dieser Regelwerke helfen. Eine Integrationsebene ist auch deshalb wichtig, weil Logistik- und Industrieunternehmen mit immer mehr (IoT-)Plattformen in Berührung kommen – also mit immer mehr Datendrehscheiben zur Anbindung externer Partner.
Entscheidend sind deshalb generische Integrationsservices für die flexible Interaktion mit neuen Datenquellen. Ein typisches Beispiel ist der klassische Inventurprozess, bei dem per Scanner etwas im Lager gezählt wird.
Ein solcher Service „Zählauftrag“ sollte also so programmiert werden, dass er mit beliebigen Technologien unterstützt werden kann, als Resultat jedoch ein Zählergebnis für die jeweiligen Inventurbelege systemseitig erfasst und verarbeitet wird.
Verladende Unternehmen müssen analysieren und entscheiden, mit welchen Anbietern sie zusammenarbeiten und wie die Schichten zwischen den externen Partnern und eigenen Systemen aussehen. Anstatt Hunderte Schnittstellen zu entwickeln und auf immer neue Lösungen, die aktuell wie die Pilze aus dem Boden schießen, individuell einzugehen, kann nur ein generischer Ansatz funktionieren.
Auch Sensorik und andere Hardware im Elektronikbereich unterliegt zunehmend kurzen Produktlebenszyklen: Sie sollte sich daher schnell durch neue austauschen lassen. Die Software-Lösung Leogistics Digital Supply Chain bildet die Ausgangsbasis für diese flexible Vorgehensweise.
Digitalisierung in der Automobilindustrie
Die Autoindustrie ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich im Bereich von Equipment-Bewegungen deutliche Optimierungspotenziale heben lassen. Der Materialbestand ist oft in Containern auf Hängern im Trailer Yard untergebracht und muss just in time oder just in sequence zum Ladetor an die Produktionsstätte gebracht werden.
Weil täglich viele Bewegungen stattfinden, lohnen sich Ansätze wie Big Data Analytics. Die Datenanalyse zeigt dann klar, unter welcher Konstellation welcher Anstellauftrag wie lange gedauert hat. Aus diesen Informationen lässt sich eine nachhaltige, lernende Standortlogistik aufbauen.
Erst wenn die Bewegungsbedarfe transparent sind, wird klar, wie diese sich durch intelligente Werksumfuhren decken lassen. So konnte ein deutscher Premiumhersteller an seinem größten, US-amerikanischen Produktionsstandort in Spartanburg mit Leogistics seine Zulaufsteuerung in der Inbound Supply Chain optimieren.
450.000 Autos laufen hier jährlich vom Band: Der Standort ist ein Knotenpunkt für Verkehrs- und Materialfluss in einer monumentalen Größenordnung. Pro Tag kommen allein 1100 Lkw hier an, abgesehen von 50 Schiffscontainern mit importiertem Material, die per Bahn vom Hafen transportiert werden.
In der Verbindung von SAP ERP und Telematik-Daten sorgt heute ein zentraler Supply Chain Control Tower für eine durchgängig transparente Visualisierung der Zulaufsteuerung über alle Transportwege hinweg. Dabei werden Wetter- und Verkehrsdaten einbezogen, Geofences machen Lieferverzögerungen frühzeitig einplanbar.
Flaschenhals Laderampe
Laut BVL-Studie sind 61 Prozent der Datenbedarfe zu Materialflussstörungen heute beispielsweise noch unbefriedigt. Ein besonders kritischer Flaschenhals in der Standortlogistik ist das Be- und Entladen von Fahrzeugen am Produktionsstandort.
Da an der Rampe nur begrenzt Platz ist, gibt es sogenannte Zeitfenster (Slots). In gängigen Slot-Lösungen beinhaltet das Slot-Management erst einmal nur die verbindliche Zuweisung von Zeitfenstern. Kommt eine Lieferung zu spät, müssen die Verladestandorte mit der Spedition telefonieren und die wiederum oft noch mit ihren Subunternehmern.
So verstreicht wertvolle Zeit, oft ist es dann für ein Umplanen zu spät. Erst eine erweiterte Lösung wie beispielsweise der durch Leogistics implementierte Ansatz eines Supply Chain Control Tower bezieht die Echtzeitdynamik ein. Sie stellt dar, wie valide die geplanten Slots im jeweiligen Moment noch sind. Gegebenenfalls wird ein für später geplanter Lkw vorgezogen, der schon in der Nähe ist.
Politik der kleinen Schritte
Die Umsetzung der Digitalisierung ist eine umfassende Aufgabe, die oftmals aufgrund fehlender Kapazitäten oder angespannter Budgetlage nicht angegangen wird. Dennoch ist sie essenziell, um mit der entstehenden Dynamik der Geschäftsmodelle Schritt halten zu können.
Um in Bewegung zu kommen, helfen oft schon kleine Schritte. In vielen Projekten konnten gemeinsam mit Anwenderunternehmen auf Basis von Ansätzen des Design Thinking und Proof-of-Concept-Projekten erste handhabbare Schritte entwickelt werden, die ganz konkreten Nutzen bringen.
Ein Leogistics-Anwender aus der chemischen Industrie beispielsweise löst mit einer automatisierten Echtzeitlösung das Problem einer nicht sehr großen Laderampe, über die Fässer mit temperierten Inhalten verladen werden.
Kommt der Lkw nicht pünktlich, mussten früher die Fässer erneut erwärmt und bereitgestellt werden. Heute kann das System durch ein digitales und echtzeitbasiertes Zulaufmonitoring eingehender Transporte verlässlich sagen, dass ein Lkw pünktlich ist, sobald er einen um das Werk herum skizzierten Geo-Fence durchfährt und damit verlässlich 20 Minuten später am Werkstor erscheinen wird. So lässt sich erheblicher Aufwand einsparen.