ERP im Dilemma
Monopole – und dazu zähle ich SAP und Lufthansa – entwickeln eine unmissverständliche Eigendynamik: Für Lufthansas Miles & More scheint es ein betriebswirtschaftlicher Vorteil zu sein, die Fluggäste mit einer Bonuskarte zu binden, dann aber so wenig Meilen wie möglich gutzuschreiben.
Wenn sich das Problem meiner Meilengutschrift nicht lösen lässt, werde ich gemäß EU-DSGVO alle meine gespeicherten Daten anfordern, aus dem Club austreten und die nachweisliche Löschung beantragen.
Selbst Herr über ein weitverzweigtes und komplexes SAP-System, weiß ich, dass das die Lufthansa Tausende von Euro kosten wird. Ein lieber Bekannter (Rechtsanwalt in München und mit unserem Verein DSAG freundschaftlich verbunden) wird mir dabei helfen.
ERP im Dilemma:
Die Kombination aus monopolartigen Strukturen und komplexen ERP-Systemen hat SAP in eine schwierige Situation manövriert. Unser R/3 war eine „Blackbox“ mit Abap-Modifikationen.
ERP/ECC 6.0 inklusive NetWeaver änderte die Infrastruktur: Unser SAP-System wurde Teil der Corporate-IT. Unsere und die SAP’schen Kernprozesse harmonierten und arbeiten auf Basis von IBM DB2 und Oracle zufriedenstellend.
Aber SAP hat sich mit dem monopolistischen Gehabe „Hana“, „S/4“ und jetzt „C/4“ sehr weit von uns Bestandskunden entfernt. Gleichzeitig wurden der Service und die Weiterentwicklung der klassischen Kernkomponenten bei SAP zugunsten von Hybris, Ariba, Concur, SuccessFactors, Leonardo, Fieldglass und der SAP Cloud Platform (SCP) vernachlässigt.
Das SAP-Reich ist für uns Bestandskunden und wahrscheinlich auch für SAP selbst komplex und kaum mehr überblickbar geworden. Ein Beispiel: HR/HCM-On-premise versus SuccessFactors-HCM-Suite in der SAP’schen Wolke – wer da noch durchblickt: bitte melden! Unsere SAP-Basis arbeitet seit Monaten zusammen mit unserer globalen HCM-Abteilung an einer Machbarkeitsstudie.
SAP versucht aus dem „ERP-Dilemma“ mit einer Vorwärtsstrategie in Richtung Cloud Computing, Blockchain, KI und IoT zu entfliehen. Man ist sich bewusst, dass noch viele Anwender, wie wir, auf einer Business Suite mit IBM DB2 oder Oracle sitzen und dass es ebenso viele Klein- und Mittelständler gibt, die den MS-SQL-Server im Einsatz haben.
Die Datenbank Hana ist unausweichlich, aber noch lange nicht für jeden SAP-Bestandskunden administrierbar – was AWS und Microsoft freut und deren Cloud-Geschäft beflügelt. Auch das versprochene CRM mit dem innovativen Namen C/4 wird keine Welle in der SAP-Community erzeugen.
Aber ein Thema wird sich diesen Herbst und zu unserem DSAG-Kongress in Leipzig auftun, das das Potenzial für einen Game Changer hat: autonome Systeme und autonomes ERP.
Natürlich ist auch der Sammelbegriff „autonomes ERP“ nicht wirklich neu. Es erinnert an selbstheilende Software und RPA (Robotic Process Automation). Aber mit neuen Informatiktricks aus der KI-Schatzkiste Machine/Deep Learning könnte ich mir ein autonom fahrendes ERP-System gesteuert von KI-Robotern vorstellen. Ob es auch unsere Probleme im Z-Namensraum löst, sei dahingestellt.
Zu befürchten ist hingegen, dass SAP mit KI aus dem Leonardo-Baukasten keine Business Suite retten kann, sondern nur etwas positive Stimmung vermitteln will. „Autonome Systeme und autonomes ERP“ könnten somit ein ähnlicher Marketinggag wie C/4 werden. Viele Ideen, viele Baustellen und keine Roadmap! Und RPA bekommt man mittlerweile überall angeboten.
Abschließende Bemerkung: Wer meinen Text sorgfältig gelesen hat, wird bemerkt haben, dass ich in diesem ausführlichen Gebrauch von Anführungszeichen machte – ja, ich gestehe: Wir leben in unsicheren Zeiten!
Nicht nur unser Verein DSAG hat mit der Sommerumfrage und dem Kongress- thema „ERP im Dilemma“ ins Schwarze getroffen. Auch in Walldorf und bei vielen SAP-Partnern spürt man die Orientierungslosigkeit und Unsicherheit.
Es fehlt in der ganzen SAP-Community an klaren Aussagen, verifizierten Strategien und Vertrauen auf eine gemeinsame Zukunft.