Künstliche Intelligenz: Mensch gegen Maschine
Die Mitglieder des SAP-Vorstands reden gerne über KI, haben offensichtlich aber nicht die blasseste Ahnung davon. Finanzvorstand Luka Mucic versuchte in einem Gespräch mit dem Handelsblatt dieses Jahr die Ängste vor der KI zu minimieren.
Sinngemäß meinte er, dass man bei SAP in Verantwortung gegenüber dem Bestandskunden natürlich alle Algorithmen eines Machine-Learning-Algorithmus offenlegen würde. Ein nobler Ansatz, der nur einen Schönheitsfehler hat:
Meinte er damit etwa die Long-Short-Term-Memory-Algorithmen eines neuronalen Netzwerkes für Machine/Deep Learning? Diese sind durch zahlreiche White Papers seit über 20 Jahren bekannt, als Long-Short-Term-Memory von Sepp Hochreiter und Jürgen Schmidhuber entwickelt wurde.
Oder meint Luka Mucic das Ergebnis eines selbstlernenden, neuronalen Netzes? Diese Ergebnisse sind spektakulär, wie in den vergangenen Jahren am Brettspiel Go gezeigt wurde – nur leider lassen sich die gelernten Verbindungen eines neuronalen Netzes nicht auslesen. Noch kann kein Mensch erklären, warum der Go-Computer von Google spielt, wie er spielt, und immer gewinnt!
SAP ist abgeschlagen
Folgerichtig schrieb demnach auch Analyst und Barc-Geschäftsführer Carsten Bange vergangenes Jahr in seinem Blog:
„Leonardo ist SAP’s Versuch, anderen Anbietern wie IBM mit Watson oder Microsoft mit Azure eine Cloud-Plattform mit Advanced-Analytics-Algorithmen und -Fähigkeiten entgegenzusetzen.
Doch der Zug im Bereich Machine Learning für eine Differenzierung über die algorithmischen Fähigkeiten oder Entwicklungsframeworks ist abgefahren, hier wird die SAP nicht mehr aufholen.“
Um das Rahmenkonzept Leonardo und S/4 mit Hana in Richtung „Intelligent Enterprise“ zu führen, wird sich SAP der Hilfe vieler Marktbegleiter wie Microsoft, Nvidia, IBM, Google und der Open-Source-Community versichern müssen. Allein und aus eigener Kompetenz kann SAP in der KI-Szene keine Lorbeeren mehr erlangen.
KI-Partnerschaften
Not invented here! Aber SAP hat noch die Chance, durch Kooperationen und Lernen mit und von anderen die eigenen Anwendungen mit KI anzureichern.
Damit wird es für die SAP-Bestandskunden besonders wichtig, zu erfahren, was die KI-Community im Allgemeinen und für B2B-Anwendungen im Speziellen anzubieten hat.
Mit leonardo.report wird der E-3 Verlag quartalsweise als Magazin und fortlaufend online einen Überblick zum Thema KI und SAP-Integration geben.
Der Blick über den SAP’schen Tellerrand wird für Partner und Bestandskunden wichtig, um die digitale Transformation effizient umzusetzen.
Besonders im Bereich KI gibt es mittlerweile ein breites, sehr preiswertes Angebot durch die Cloud-Provider Microsoft, AWS und Google sowie ein nahezu unüberblickbares Angebot aus der Open-Source-Szene.
Die Chancen sind real, mit Machine Learning einen Mehrwert zu generieren – auch wenn die Fragen des Datenschutzes noch nicht überall geklärt sind.
Über den digitalen Assistenten SAP CoPilot sollen Kunden zukünftig direkt aus einer Anwendung heraus auf den Produktsupport von SAP zugreifen. Die Support-Anfragen von Bestandskunden werden mithilfe künstlicher Intelligenz und Chat-Funktionen analysiert.
Durch das Framework Leonardo stehen hierbei Machine-Learning- und Intent-Matching-Funktionen zur Verfügung. Der CoPilot verarbeitet zunächst den als informelle Support-Anfrage übermittelten Text und liefert dann aufgrund der vorhandenen Informationen zum Geschäftskontext einen individuellen Support.
„In Zeiten intelligenter Unternehmen müssen auch Support-Leistungen direkt und unkompliziert verfügbar sein“
meint Andreas Heckmann, SAP SVP für den Bereich Digital Business Services und Head of Support.
Daten werden zu Produkten
Die integrierte Support-Funktion ist in Cloud-Lösungen auf Basis von S/4-Hana-Cloud verfügbar. Der neue Support nutzt Technologien zur Verarbeitung natürlicher Sprache, um Fragen schnell zu verstehen und dem Kunden über dessen bevorzugten Kanal eine individuelle Lösungsanleitung anzubieten: für einen natürlichen Dialog zwischen Mensch und Maschine.
Aber die Verarbeitung von natürlicher Sprache entspricht derzeit nicht den EU-Datenschutzbestimmungen für Geschäftsprozesse und Kunden-Support. Daher können das Konzept aktuell nur Kunden nutzen, deren Prozesse nicht den EU-Datenschutzvorschriften unterliegen.
Über die Chat-Funktion des digitalen Assistenten CoPilot können Anwender situationsspezifische Aufgaben direkt mit einem internen Key-User besprechen und Fragen stellen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte Mitte Mai im Bundestag:
„Zu glauben, wir könnten bei der künstlichen Intelligenz vorne sein und bei den Daten so restriktiv wie möglich, ist genauso, wie wenn man Kühe züchten will und ihnen kein Futter gibt. […] Aus Daten kann man nämlich Produkte entwickeln.“
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW e. V.) hat in der Vergangenheit wiederholt auf diese wichtige Erkenntnis hingewiesen und lobt das neue Digitalisierungsverständnis der Bundeskanzlerin. Merkel bezeichnete die Digitalisierung als Deutschlands „ambitioniertestes Projekt“. „Die Erkenntnis kommt spät, aber immerhin“, kommentierte BVDW-Präsident Matthias Wahl.