Process Mining: Es werde Licht
Wer hat einen Prozess wann, warum und wofür angelegt? Nach welchem Schema verläuft er? Gibt es Prozessvarianten, die durch unterschiedliche Parameter gesteuert sind?
Diese Fragen können viele Unternehmen nicht beantworten und ihre betrieblichen Abläufe nicht optimieren – mit der Folge, dass sie weder ihre Transparenz steigern noch die Kosten senken und von Wettbewerbsvorteilen profitieren können. Insbesondere für Unternehmen im Finance-Umfeld ist eine transparente, aktuelle Dokumentation Pflicht.
Nur so können Wirtschaftsprüfer oder Revisionsabteilungen Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen Compliance-Richtlinien in Prozessen identifizieren und nachweisen, dass Firmen normative Vorgaben wie die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) einhalten.
Prozesse sichtbar machen
Durchblick gewährt das Process Mining. Es macht die in Technik verborgenen Prozesse sichtbar. Als Bestandteil des Business-Process-Managements (BPM) ermöglicht es, Prozesse aus ihren digitalen Spuren in ERP-, CRM- oder proprietären Systemen zu rekonstruieren und auszuwerten.
Viele Unternehmen wissen nicht, wie viele digitale Abläufe es gibt, wie sie chronologisch vonstattengehen, wie sie zusammenhängen, welche Prozessvariante wie viele Anwender wie häufig durchlaufen – und was das kostet.
Ausgangspunkt des Process Mining ist eine Sammlung der Prozessschritte. Mit statistischen Modellen lässt sich dann der Kernprozess ermitteln, der als Basis für alle Prozessabläufe Abweichungen offenbart.
In SAP besonders gut
Ein System, das eine besonders gute Analyse der digitalen Spuren ermöglicht, ist SAP ERP. In vielen Unternehmen seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten im Einsatz, haben verschiedenste Anwender für sich relevante Prozesse im Laufe der Zeit angepasst und damit unzählige Prozessvarianten geschaffen.
Die Folge: Den ursprünglichen Standardprozess wendet niemand mehr an – sofern er überhaupt noch bekannt ist. Betriebliche Abläufe in den Modulen SD, CRM, FICO, PP und MM lassen sich mittels Process Mining zielführend unter die Lupe nehmen:
Da jede noch so kleine Transaktion optimal dokumentiert ist, können Unternehmen aussagekräftige Ergebnisse gewinnen, auf deren Basis sie die entsprechenden Prozesse im Nachhinein anpassen beziehungsweise optimieren können – für einen Zugewinn an Effizienz.
Bestellanforderung in SAP anlegen
Der Standardprozess beinhaltet nur wenige Schritte: Bestellanforderung im SAP-ERP-System eingeben, an Prozessfreigeber senden, von ihm prüfen und freigeben lassen. In der Realität kann sich der Prozess aber ganz anders gestalten:
Mitarbeiter A schickt eine E-Mail an Mitarbeiter B mit der Bitte, den Prozess einer Bestellanforderung in SAP anzulegen. Daraufhin sammelt Mitarbeiter B relevante Informationen in einer Excel-Liste und legt sie auf dem Server ab – bereits eine Abweichung zum definierten Standardprozess.
Da Mitarbeiter B der Arbeitsanweisung nicht ohne Freigabe des Vorgesetzten von A nachkommen darf, fragt er den Chef per E-Mail, ob er die Bestellung auslösen darf – eine weitere Abweichung.
Als Reaktion auf die Freigabe des Vorgesetzten schickt Mitarbeiter B die Bestellung an den Lieferanten, ohne zuvor eine Bestellanforderung in SAP anzulegen – schließlich drängt die Zeit.
Das hat zur Folge, dass im ERP-System weder eine Bestellanforderung noch eine Freigabe vermerkt ist. Wie es dazu gekommen ist – und warum –, kann im Nachhinein niemand mehr nachvollziehen.
Einkaufsprozess in SAP analysieren
Daneben kann Process Mining zum Beispiel auch über den Status quo des Einkaufsprozesses und mögliche Varianten Aufschluss geben. Indem man relevante Kennzahlen erhebt, lassen sich Abweichungen zum definierten Standardprozess aufdecken:
Welche Lieferanten durchlaufen welche Prozessvarianten? In welcher Zeit? Wie häufig? So kann sich beispielsweise herausstellen, dass nur ein einziger Zulieferer vom Hauptprozessstrang abweicht.
Unter Berücksichtigung von Kennzahlen wie Mengen, Zeit und Kosten ergibt sich dann vielleicht die Notwendigkeit, sich von ihm zu trennen, weil der abweichende Prozess zu hohe Kosten verursacht, oder aber den Prozess für alle Lieferanten anzupassen, weil die Variante sehr viel effizienter ist.
Vertriebsprozess in SAP untersuchen
Process Mining kann auch im Kundenbeziehungsmanagement wertvolle Erkenntnisse liefern. Vertriebler dokumentieren verschiedene Schritte der Neukundengewinnung, wie etwa Vertriebschancen bewerten, Termin vereinbaren, Termin durchführen etc., im SAP-CRM-Modul.
Auf Lead-Ebene lässt sich dann genau herausfinden, wie lange es dauert, einen Lead zu gewinnen oder zu schließen, was die Akquise eines Neukunden kostet, wie lange sie dauert und wie viele parallel verlaufende Prozessäste es gibt.
Betrachtet man die Kosten pro Lead, könnte es sich zeigen, dass in einer bestimmten Lead-Gruppe die Kosten zu hoch und die Margen zu gering sind. Dann wäre eine Maßnahme, sich zukünftig nicht mehr mit dieser Zielgruppe zu beschäftigen.
Visualisieren und modellieren
Licht ins Dunkel bringt die Prozessvisualisierung. Sind Prozesse in Dashboards, Diagrammen, Tabellen und Tachoelementen dargestellt, können Unternehmen einfach nachvollziehen, wie Prozesse samt Varianten ablaufen und wie sie verknüpft sind.
Auf Basis der Visualisierung ist es möglich, einzelne Abläufe zu modellieren: Man überträgt Prozessabläufe in ein standardisiertes Modell, das Prozessinformationen wie In- und Outputs, beteiligte Rollen, Dokumente und IT-Systeme beinhaltet.
Umfangreiche Analysen und Simulationen erlauben dann, Prozesse zu bewerten und Optimierungspotenziale aufzudecken. Ist nachvollziehbar, wie ein Gesamtprozess mit allen Varianten abläuft, können Unternehmen Modifikationen abbauen und einen effizienten Prozess definieren.
Neben der Prozessvisualisierung sollte die Process-Mining-Lösung auch die Prozessfreigabe unter Berücksichtigung der Governance-Vorgaben unterstützen. Das erlaubt, Mitarbeitern Rollen wie Prozesseigner, -freigeber oder -prüfer zuzuweisen und eine automatisierte Freigabe zu etablieren.
Sind die Daten sauber versioniert und zentral abgelegt, ist für eine lückenlose Dokumentation gesorgt. Um die Mitarbeiter entsprechend zu informieren, sollte das Tool eine einfache Publizierung unterstützen und Informationen zu Risiken, Kennzahlen und IT-Systemen bereitstellen. Außerdem sollten sich Mitarbeiter in die Prozessgestaltung einbringen können.
Auswerten in der Cloud
Um eine Prozessdokumentation automatisiert zu erstellen, braucht es einen Algorithmus, der prozessrelevante Informationen aus allen IT-Systemen und Applikationen in das BPM-Tool einspielt.
Über Konnektoren zu SAP ERP, Microsoft Dynamics CRM und proprietären IT-Lösungen lässt es sich an Bestandssysteme nahtlos anbinden. Das erlaubt, Informationen zielführend abzugleichen, bedarfsgerecht aufzubereiten und gewinnbringend zu nutzen.
Idealerweise ist eine Process-Mining-Software fester Bestandteil eines BPM-Systems (BPMS), das die Prozessplanung, -ausführung, -analyse und -optimierung unterstützt. Eine Monitoring-Komponente sollte es gestatten, Kennzahlen zu erfassen, zu überwachen und auszuwerten.
Für maximale Flexibilität ist gesorgt, wenn sich das BPM-System in der Cloud betreiben und bedarfsgerecht anpassen lässt. So können Anwender auf zyklische Lastspitzen mit einem individuellen Ressourcenmanagement reagieren.
Augen auf bei der Anbieterauswahl
Neben dem Funktionsumfang ist auch der IT-Dienstleister wichtig. Idealerweise bietet er eine BPM-Suite mit Process Mining als Teilkomponente. Ein großer, internationaler IT-Systemintegrator mit Erfahrung in allen Branchen hat die nötige Manpower und Erfahrung für komplexe BPM-Projekte.
Im Idealfall bietet er Unternehmen State-of-the-Art-Technologie und stellt ihnen kompetente, erfahrene Prozessberater zur Seite, die sie in technischen Belangen wie Setup, Integration und Inbetriebnahme sowie dem Auslesen der Daten aus IT-Systemen unterstützen – für eine zielführende Prozessoptimierung und ein wirksames Change-Management.
Wenn der Dienstleister über das BPM-Projekt hinaus wertvolle Hilfestellung leistet, können Unternehmen dank Process Mining wettbewerbsfähiger, innovativer und damit langfristig erfolgreicher werden.