Buschtrommeln
Es gab Zeiten, da konnte man am Computerterminal das Erscheinen jedes einzelnen Buchstabens verfolgen, bis nach Minuten ein vollständiger Text lesbar wurde.
Stand dieser Text dann auch noch in einem sinnvollen Zusammenhang zur Situation des Empfängers, ergab sich aus den Daten so etwas wie Information.
Es gibt ein sehr beachtenswertes Buch mit dem Titel: „Die Information – Geschichte, Theorie, Flut“. Bestsellerautor James Gleick erzählt, wie die Information zum Kernstück unserer heutigen Zivilisation wurde.
Beginnend bei den Wörtern, den „sprechenden“ Trommeln in Afrika, über das Morsealphabet bis hin zur Internetrevolution beleuchtet er, wie die Übermittlung von Informationen die Gesellschaften prägte und veränderte.
Gleick erläutert die Theorien, die sich mit dem Codieren und Decodieren, der Übermittlung von Inhalten und dem Verbreiten der Myriaden von Botschaften beschäftigen. Er stellt die bekannten und unbekannten Pioniere der Informationsgesellschaft vor: Claude Shannon, Norbert Wiener, Ada Byron, Alan Turing und andere.
Er bietet dem Leser neue Einblicke in die Mechanismen des Informationsaustausches.
Offensichtlich ist SAP für James Gleick kein Untersuchungsgegenstand, denn hier hätte er beschreiben können, wie man sich in der Informationsspirale zwar sehr schnell, aber rückwärts bewegt.
SAP hat das Kunststück zuwege gebracht, zwei schnelle, auf Hana basierende Systeme mit einer der ältesten und primitivsten Datenübertragungen zu koppeln: auf der einen Seite die SAP Business Suite on Hana (SoH), auf der anderen Seite die Cloud-Handelsplattform Ariba – ebenfalls als Herz und Antrieb mit Hana.
Weil aber in einem sinnvollen Geschäftsszenario das ERP-System mit der Verkaufsplattform kommunizieren sollte – Daten austauschen muss –, beauftragte man einen Hana-versierten SAP-Partner und einen SAP-Entwickler in Indien mit der Lösung für einen veritablen Datenweg.
Die Lösung liegt wesentlich näher bei der Technik von Buschtrommeln als bei modernen Kommunikationsprotokollen, wie sie im Internet üblich sind.
Aus dem SAP’schen ERP-System gelangen die Geschäftsdaten mittels CSV–Datei über NetWeaver PI in die Ariba-Cloud.
Dieses Konzept ist fast so effizient wie die sprechenden Trommeln aus Afrika oder das Morsealphabet: Eine CSV–Datei ist nichts anderes als eine lange Kette von Begriffen, die jeweils durch einen Strichpunkt getrennt werden.
Fehlen in einem Datensatz einige Argumente, folgen zwei oder mehrere Strichpunkte hintereinander. Am Ende des jeweiligen Datensatzes befindet sich ein Absatzsymbol – auch bekannt als Carriage Return, was der gute alte Wagenrücklauf einer mechanischen Schreibmaschine ist.
SAP übermittelt somit die Daten zwischen zwei eigenen Systemen auf Basis eines Konzepts, das aus der mechanischen Informationsübermittlung stammt.
Naturgemäß muss im SAP-Weltreich auch dieser Datenfluss nach Compliance- und Governance-Regeln erfolgen, was den SAP NetWeaver PI (Process Integration) ins Spiel bringt. Richtig! Nach SAP-Vorstellung handelt es sich bei der CSV–Datenübermittlung um einen integrierten Informationsprozess.
NetWeaver PI nimmt die CSV-Dateien vom SoH-System in Empfang, protokolliert alles fein säuberlich und reicht das Konglomerat aus Strichpunkten und Wagenrücklauf an Ariba weiter. Ein zeitgemäßer Ersatz für Buschtrommeln?
Laut jüngsten Informationen arbeitet Ariba an einer modernen Web-Schnittstelle für die Datenübermittlung aus SAP-Systemen.
Zum Redaktionsschluss war ein Ende der Arbeiten jedoch noch nicht übermittelt – vielleicht lag es jedoch auch an der Tatsache, dass aktuelle E-Mail- und Web-Systeme alte CSV-Dateien nicht mehr lesen können.