IoT für alle
Es war ein internes Meeting in Toronto, das unsere weltweiten IoT-Aktivitäten konsolidieren und neu einnorden sollte. Herausgekommen ist Bekanntes und Überraschendes – leider schauen meine Freunde von SAP und DSAG nun ziemlich alt aus.
Der letzte gute Rat: Schuster, bleib bei deinem Leisten.
Es ist eine ambivalente Situation. End-to-End bedeutet, dass der ERP-Anbieter am Tisch sitzen sollte, somit ist auch bei uns ein Platz für SAP reserviert. Schwierig wird es, wenn SAP sich als IoT-Spezialist und Anbieter in Szene setzt.
Wir hatten kurz überlegt, Technikvorstand Bernd Leukert einzuladen, aber sein vergangenes Jahr in Rom vorgetragenes Verständnis von IoT war wenig überzeugend. Vorausschauende Wartung basierend auf Sensoren in den modernen Lokomotiven der italienischen Staatsbahn ist wahrscheinlich eine gute Idee, aber weder eine Referenz für Hana noch ein typisches IoT-Szenario.
IoT im Industrie-4.0-Umfeld ist in erster Linie ein Sensor- und Very-Big-Data-Thema. In keinem der Felder hat sich SAP in der Vergangenheit verdient gemacht. Kurz dachte ich, dass dieser bedauerliche Umstand auch unserer DSAG bekannt ist.
Die Gründung einer IoT-Initiative gab Anlass zur Hoffnung – anstatt sich aber mit wahren IoT-Spezialisten wie Bosch, General Electric oder Siemens zusammenzutun, wählte man die alte Seilschaft:
„DSAG und SAP haben ihre Zusammenarbeit im Bereich Internet of Things (IoT) vertieft.
Dazu zählt auch der enge Austausch zum IoT-Portfolio SAP Leonardo. Geplante Schwerpunkte der Zusammenarbeit bestehen darin, sich zu Themen der digitalen Transformation strategisch auszutauschen.
Außerdem sollen die Integration von Dingen, Menschen und Prozessen im Unternehmen sowie damit verbundene Wirtschaftlichkeitsmodelle gemeinsam mit SAP-Anwenderunternehmen beleuchtet werden.
Um dem gemeinsamen Vorgehen ein Gesicht zu geben, wird eine IoT-Governance-Gruppe gegründet, die aus Führungskräften beider Organisationen besteht und sich auch auf die jeweiligen Ökosysteme ausweiten kann.“
Das ist ordentlich schiefgelaufen und unsere DSAG ist der SAP ins offene Messer gerannt: Leonardo ist bei Weitem nicht das IoT-Portfolio der SAP.
Vielleicht hätte es einmal ein IoT-Framework werden sollen, aber das ist Schnee vom vergangenen Jahr. Was jetzt fehlt, ist echte Kompetenz im Bereich Sensorik und Very Big Data.
DSAG und SAP haben ihre Zusammenarbeit im Bereich Internet of Things (IoT) vertieft
Ich habe bei unseren Produktions- und Fabrikleitern nachgefragt und bekam unter anderem zu hören, dass bereits der aktuelle IoT-Datenfluss jedes Hana-System zum Explodieren bringen würde.
Die Menge an Sensordaten ist heute schon gewaltig und wächst nahezu mit jedem Tag. Es gibt spezialisierte Firmen, die mit Very Big Data umgehen können und nach einer Filterung auch Ergebnisse an Hana übergeben.
Ein Freund erklärte es mir am Beispiel des Kernforschungszentrums Cern bei Genf in der Schweiz. Wenn dort Elementarteilchen tief unter der Erde aufeinanderstoßen, registrieren die Sensoren Milliarden von Impulsen. Alle diese Daten lassen sich weder schnell genug transportieren noch in Echtzeit abspeichern.
Vorgeschaltete Filter sortieren aus und schicken nur die „wertvollen“ Daten ins Cern-Rechenzentrum. Ähnlich werden wir auch bei uns verfahren müssen, wenn Hunderte von Sensoren in CNC-Maschinen, Klimaanlagen, Hochregalen etc. positioniert sind.
Gemeinsam mit einem Berliner Unternehmen installieren wir momentan weltweit eine Million Sensoren in Aufzügen – für vorausschauende Wartung. So gesehen hat SAP natürlich recht, IoT ist auch ein betriebswirtschaftliches und organisatorisches Thema.
Aber die Herausforderungen und Aufgaben sind mannigfaltig und überfordern in jeder Hinsicht SAP. Zur Bewältigung der IoT-Sensorik braucht es jahrelange Industrieerfahrung, das funktioniert nicht mit drei Sensoren in einem Kaffeevollautomaten, der auf einer SAP-TechEd-Bühne in Barcelona steht und von Technikvorstand Bernd Leukert bedient wird.
IoT wird ein Thema für jede Industrie, für jede Aufgabe. Aber der Erfolg ist abhängig vom tiefen Verständnis der Materie, wenn es gilt, existierende Maschinenparks an das Industrie-4.0-Zeitalter heranzuführen.
Leonardo mit und ohne KI, wie es jetzt auf der Sapphire präsentiert wurde, greift hier viel zu kurz. Die vorausschauende Wartung eines Aufzugs, dieses Beispiel wollte Bernd Leukert in Orlando erklären, hängt unter anderem vom Standort des Gebäudes und der Windrichtung ab. Hohe Gebäude neigen sich zur Seite, so auch die Aufzugschächte, damit wird das Tragseil einseitig belastet und abgenutzt.
Nur wer diese Feinheiten und Details kennt, wird im IoT-Geschäft ernst genommen. Wenn man dann Hana PAL für die statistischen Berechnungen eines optimalen Wartezyklus verwendet, soll es recht und billig sein.
SAP wird bei uns Zulieferer für IoT-Projekte bleiben, aber eine Leonardo-Initiative kann es definitiv nicht geben. Diesen Trend hat SAP verschlafen. Das weltweite IoT-Geschäft haben bereits andere Unternehmen unter sich aufgeteilt.
Leonardo wird einer der vielen Marketinghypes von Bill McDermott bleiben.