Lieferketten und Auftragsmangel
Ende dieses Jahres befindet sich die Welt und im Speziellen Deutschland in einer anderen Situation: Die Lieferketten wurden weitgehend optimiert und orchestriert. Der internationale Warenverkehr funktioniert wieder. Viele Lager sind voll. Kaufen und verbrauchen will offenbar niemand.
Die jüngste ifo-Konjunkturumfrage von Anfang November 2024 ergibt ein desillusionierendes Bild, denn laut ifo verschärft sich der Auftragsmangel weiter. Die deutsche Wirtschaft leidet immer stärker unter fehlenden Aufträgen. Im Oktober berichteten 41,5 Prozent der Unternehmen über Auftragsmangel, nach 39,4 Prozent im Juli. Das ist der höchste Wert seit der Finanzkrise 2009. „Der Mangel an Aufträgen hemmt weiterhin die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen. „Kaum eine Branche bleibt verschont.“
Auch viele CIOs sind davon schon betroffen, dass Unternehmen den Rotstift ansetzen. Die konjunkturelle Entwicklung hat die IT-Budgetverhandlungen diesen Herbst nachhaltig gedämpft. Mit großer Spannung wird die SAP-Community auf die alljährliche Investitionsumfrage des Anwendervereins DSAG e. V. Anfang kommenden Jahres warten. Dann werden die Ergebnisse aus den Verhandlungen dieses Jahres sichtbar. Eine Blitzumfrage des E3-Magazins unter ausgewählten CIOs lässt für die SAP-Budgets bei den Bestandskunden nichts Gutes hoffen.
Mitten in der S/4-Conversion mit zahlreichen Baustellen wie Clean Core, Abap-Modifikationen, Business Technology Platform und Hana-Datenbankplattform braucht es mehr Ressourcen, aber schon DSAG-Chef Jens Hungershausen und SAP-Vorstandsmitglied Thomas Saueressig kritisierten die langsame und schleppende „digitale Transformation“ in ihren jeweiligen Keynotes auf dem diesjährigen DSAG-Jahreskongress in Leipzig. Warten sei keine Lösung, meinten beide Sprecher. Vielfach bekommen die CIOs aber nicht die notwendigen Mittel, um S/4-Conversion und Transformation im gebührenden Maße voranzubringen.
In der Industrie berichtete laut ifo-Konjunkturumfrage fast jedes zweite Unternehmen von fehlenden Aufträgen. Gerade die Kernbranchen Maschinenbau, Metall- und Elektrosektor sorgen sich. „Die im September wieder gestiegenen Auftragsbestände können ein Hoffnungssignal sein. Aber es ist noch ein weiter Weg zu gehen, bis die Bücher wieder voll sind“, so Klaus Wohlrabe.
Bei den Dienstleistern ist der Anteil leicht von 31,2 auf 32,1 Prozent gestiegen. Insbesondere der Transportsektor ist von der schlechten Industriekonjunktur betroffen. Aufgrund der schwachen Arbeitsnachfrage berichten rund zwei Drittel der Personalagenturen von mangelnden Aufträgen. „Leiharbeiter sind in der aktuellen Lage weniger gefragt“, sagt Klaus Wohlrabe. Etwas mehr als ein Drittel der Gastronomiebetriebe hat zu wenige Gäste. In der Veranstaltungsbranche liegt der Anteil von Unternehmen, die über zu wenige Aufträge klagen, bei 48,5 Prozent nach 38,5 Prozent im Juli. „Die Großereignisse haben sicherlich etwas Kaufkraft für kleinere Konzerte und Veranstaltungen abgezogen“, sagt Klaus Wohlrabe. Rechts- und Steuerberater sowie Wirtschaftsprüfer blicken im Moment weniger sorgenvoll auf ihre Auftragslage. Hoher Bürokratie- und Regulierungsaufwand bescheren ihnen eine hohe Nachfrage nach Beratung.