Responsible Scaling Policy
Christian Klein und Dominik Asam machen finanztechnisch und strategisch einen hervorragenden Job. In der SAP-Zentrale knallen wahrscheinlich die Champagnerkorken. Auf dem DSAG-Jahreskongress 2024 in Leipzig war die Stimmung Mitte Oktober nicht so euphorisch. Viele Mitglieder der SAP-Community fragen sich, ob es ein Prinzip des verantwortungsvollen Wachstums (Responsible Scaling Policy) bei Christian Klein und Dominik Asam gibt.
Tatsache ist, dass der SAP-CEO und sein Finanzvorstand gnadenlos den ERP-Weltmarktführer auf Profitabilität trimmen: Es wurden bis zu 10.000 Stellen abgebaut, weitere Sparmaßnahmen eingeführt und erheblicher Druck bei den SAP-Bestandskunden in Richtung Public Cloud aufgebaut. Diese Maßnahmen greifen nun und zeigen ihre Wirkung in einem noch nie dagewesenen Allzeithoch der SAP-Aktie. Gratulation an Christian Klein und Dominik Asam.
Verantwortungsvolles Wachstum würde anders ausschauen: Ein künstlich herbeigeredetes Wartungsende der SAP Business Suite 7 mit 2027 beziehungsweise 2030 fördert die Profitabilität von SAP, aber nicht die Zufriedenheit der Bestandskunden. SAP-Vorstand Thomas Saueressig argumentierte in seiner Keynote auf dem DSAG-Jahreskongress in Leipzig, dass aufgrund der endenden Datenbankverträge von Oracle, IBM und Microsoft sowie der Lizenzänderungen bei Java eine Weiterführung der SAP Business Suite 7 nicht möglich sei.
Falsch! Hier irrt sich Thomas Saueressig: Dem E3-Magazin liegen verlässliche Aussagen von Oracle und IBM vor, dass sich beide Datenbankanbieter sehr wohl in der Lage sehen, ihre Produkte an die S/4-Anforderungen anzupassen. Im Fall von IBM stellte einst SAP-Ex-Technikvorstand Bernd Leukert unmissverständlich klar, dass IBM mit DB2 Blu Hana im S/4-Umfeld ebenbürtig sein könnte.
Ebenso ist das Java-Argument von Thomas Saueressig falsch: Einst gab es den SAP NetWeaver mit Dual-Stack (Abap und Java). Diese Verquickung wurde jedoch aufgelöst. ECC 6.0 läuft autonom auf einem Abap-Stack. Java wurde und wird für ausgewählte Formularverarbeitung verwendet, jedoch könnte hierfür schnell Ersatz gefunden werden.
Eine Weiterführung von ERP/ECC 6.0 mit einem NetWeaver-Abap-Stack und adaptierter Formularverarbeitung sowie AnyDB basierend auf Oracle und IBM ist demnach kein Problem. Die künstliche und nur dem SAP-Profit verpflichtete Grenze von 2030 könnte schnell überwunden werden. Verantwortungsvolles Wachstum würde dann in die SAP-Community einziehen. Die SAP-Bestandskunden könnten sich ganz frei zwischen On-prem, Private oder Public Cloud entscheiden. Zum Leidwesen von Christian Klein und Dominik Asam würde durch „Responsible Scaling Policy“ wahrscheinlich der SAP-Aktienkurs ein wenig niedriger ausfallen.
Die Frage der Verantwortung gegenüber den eigenen Bestandskunden und einer Community wird aktuell im Silicon Valley bei den großen KI-Anbietern diskutiert. Aufgrund des S/4- und Rise-Diskurses auf dem DSAG-Jahreskongress 2024 stellt sich auch in der SAP-Community die Frage nach einem verantwortungsvollen SAP-Wachstum und Aktienkurs.