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Befinden Sie sich im Tauziehen zwischen der Beibehaltung eines sauberen ERP-Kerns von S/4 Hana und der Nutzung der unbegrenzten Anpassungsmöglichkeiten mit klassischen Methoden? Die Herausforderung: ein Gleichgewicht zwischen Standardfunktionen und Anpassungen.
Siarhei Valenda, LeverX
4. Oktober 2024
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Das Gleichgewicht zwischen der ERP-Standardfunktionalität und dem Streben nach neuen, innovativen Geschäftsfunktionen zu finden, die nicht vom System abgedeckt werden, ist bei S/4-Hana-Transformationen von zentraler Bedeutung. Eine saubere Core-Praxis fördert die Einfachheit der Systemerweiterung und hilft dabei, System-Upgrades mit weniger Aufwand und Risiken zu verwalten und sich an der langfristigen Road­map von SAP zu orientieren.

Auf der anderen Seite müssen SAP-Bestandskunden oft interne Prozesse in S/4 umfassend anpassen, um einzigartige Marktanforderungen zu erfüllen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie können SAP-Bestandskunden auf der Grundlage ihrer individuellen Prioritäten die richtige Balance finden?

Clean Core vs. Customization

Sobald die Entscheidung für S/4 Hana gefallen ist, müssen SAP-Bestandskunden festlegen, inwieweit sie sich auf die Standardfunktionen von S/4 verlassen wollen. Ein sauberer Kern ist eng mit den Standardfunktionen eines ERP abgestimmt, reduziert die technischen Schulden, vereinfacht Aktualisierungen und gewährleistet die Ausrichtung auf die Cloud- und Innovationsstrategien von SAP. Ein sauberer Kern bedeutet auch, dass er aktuell, transparent, unverändert, effizient und cloudkompatibel bleibt. Dazu gehört, dass keine Änderungen vorgenommen werden, redundante Erweiterungen eliminiert werden, nur freigegebene APIs verwendet werden, um die Stabilität zu gewährleisten, und die Erweiterbarkeit von Anwendungen in vollem Umfang genutzt wird.

Größere Erweiterungsanwendungen und Integrationen sollten über die Business Technology Platform (SAP BTP) abgewickelt werden. Andererseits bietet eine tiefe Anpassung, die den Kern des Systems berührt (direkter Zugriff auf Systemtabellen, Funktionen und Klassen), die Flexibilität, S/4 an spezifische betriebliche Anforderungen anzupassen, führt aber zu Komplexität und bringt uns weit weg von der gewünschten Standardisierung.

Herausforderung: Clean Core

Um festzustellen, ob sich SAP-Bestandskunden strikt an die Clean-Core-Praxis halten oder mit dem klassischen Erweiterungsansatz fortfahren, sollte zunächst geprüft werden, ob die Geschäftsprozesse so angepasst werden können, dass sie in die Standardfunktionen von S/4 Hana passen. Ist eine Anpassung dennoch erforderlich, sollte geprüft werden, ob bewährte Erweiterungsmethoden wie Key-User-, Entwickler- und Side-by-Side-Erweiterung mit BTP die Anforderungen erfüllen können.

Wenn diese Methoden für kritische Geschäftsfunktionen nicht ausreichen, müssen möglicherweise klassische benutzerdefinierte Erweiterungen innerhalb von S/4 Hana implementiert werden, wobei sich SAP-Bestandskunden der Risiken bewusst sind und einen Plan zum Abbau dieser technischen Schulden in der Zukunft erstellen sollten, wenn dies möglich ist.

Letztendlich geht es darum, ein Gleichgewicht zwischen den Vorteilen eines sauberen Kerns und der Abdeckung aller Geschäftsfunktionen und Szenarien der Anpassung zu finden, mit einem klaren Verständnis für Ihre aktuellen und zukünftigen Geschäftsanforderungen.

Das richtige Gleichgewicht

Schritt 1: Definieren Sie Ihre Geschäftsstrategie und bewerten Sie saubere Kernprozesse gegenüber benutzerdefinierten Prozessen. Ist Ihr Unternehmen auf betriebliche Effizienz oder auf Differenzierung ausgerichtet? Wenn Ihr Hauptziel die betriebliche Effizienz und die Senkung der Kosten sind, sollten Sie einem sauberen Kern mit minimalen Anpassungen den Vorzug geben und Standard-ERP-Prozesse wie Buchhaltung, Beschaffung und Bestandsverwaltung nutzen.

Differenzierung: Wenn Ihr Unternehmen eine Anpassung an bestimmte Geschäftsprozesse benötigt, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, sollten Sie die Anpassung von S/4 Hana Core für einzigartige Services oder Abläufe in Betracht ziehen.

Schritt 2: Mit Experten zusammenarbeiten! Wir empfehlen Ihnen, sich bereits in einem frühen Stadium mit Experten zu beraten, die Erfahrung mit BTP- und S/4-Hana-Implementierungen haben: sobald Sie die Einführung eines Clean-Core-Ansatzes für Ihre S/4-Hana-Implementierung in Betracht ziehen. Die Spezialisten von LeverX können Ihnen maßgeschneiderte Ratschläge und Lösungen auf der Grundlage von Best Practices anbieten, damit Sie fundierte Entscheidungen treffen können. Wir bieten umfassende Lösungspakete für die S/4-­Hana-Implementierung und Clean Core Practice mit interaktiven Lernsitzungen im Workshop-Stil. Mit einem menschenzen­trierten Ansatz bewertet unser Team Geschäftsszenarien, identifiziert Prozesslücken und moderiert gemeinsame Sitzungen, in denen Business Stakeholder und technische Experten zusammenarbeiten, um effektive Lösungen zu finden.

Schritt 3: Analysieren Sie die langfristigen und kurzfristigen Auswirkungen. Ist Ihnen langfristige Flexibilität wichtiger als unmittelbare funktionale Anforderungen? Wenn Sie agil bleiben und für künftige SAP-Updates gerüstet sein wollen, sollten Sie der Beibehaltung eines sauberen Kerns und der Externalisierung von Anpassungen Priorität einräumen. Wenn Ihre aktuellen Geschäftsanforderungen zu einzigartig für Standardlösungen sind, sollten Sie begrenzte und gezielte Anpassungen vornehmen, während Sie den Plan für eine langfristige Einhaltung der Clean-Core-Prinzipien erstellen und befolgen.

Schritt 4: Wählen Sie die richtige Plattform für die Anpassung. Welche Plattformen können für die Anpassung gewählt werden? Prüfen Sie, welche Plattformen für die Entwicklung benutzerdefinierter Anwendungen und Arbeitsabläufe genutzt werden können. Plattformen wie BTP ermöglichen es Ihnen beispielsweise, die Systemfunktionen zu erweitern, ohne Ihr Kernsystem direkt zu beeinträchtigen. Dieser Ansatz kann langfristige Vorteile wie einfachere Upgrades und geringere technical debt bieten. Alternativ kann die Anpassung auch direkt auf der S/4-Hana-Seite mit zwei bewährten Ansätzen erfolgen: Key User Extensibility oder Developer Extensibility (Embedded Abap-Umgebung).

Schritt 5: Durchführen einer Kosten-Nutzen-Analyse. Wie hoch sind die Kosten für Anpassungen im Vergleich zu den Vorteilen? Wägen Sie die Kosten für die Wartung benutzerdefinierter Lösungen (z. B. höhere TCO, technical debt) gegen den strategischen Wert ab, den Sie für Ihr Unternehmen haben.

Schritt 6: Entwicklung einer sauberen Kernstrategie. Erstellen Sie mit Ihrem Entwicklungsteam oder Anbieter eine Strategie und Meilensteine und berücksichtigen Sie dabei den Governance-Prozess für S/4-Hana-Erweiterungen. Dazu gehören Pläne für die Verwaltung und den Abbau technischer Schulden, die Einrichtung der erforderlichen Systemkomponenten und Lösungen sowie der Lizenzierungsansatz, die Entwicklung von Roadmaps mit wichtigen Meilensteinen und die Identifizierung von Risiken zusammen mit einem Plan zur Risikominderung.

Schritt 7: Iterieren und weiterentwickeln! Wenn Ihr Unternehmen wächst, sollte auch Ihr Ansatz wachsen: Bewerten Sie regelmäßig Ihre SAP-Landschaft, um sicherzustellen, dass Ihre Anpassungen relevant bleiben. Erforschen Sie neue Technologien, die bestehende individuelle Lösungen vereinfachen oder ersetzen können. Nutzen Sie Leistungsanalysen und Rückmeldungen von Anwendern, um die Wirksamkeit Ihrer Anpassungen und deren Auswirkungen auf die Systemleistung zu bewerten. Passen Sie Ihre Strategie bei Bedarf an neue Erkenntnisse, neue Technologien oder veränderte Geschäftsziele an.

Anhand dieser Schritte können Unternehmen fundierte Entscheidungen treffen, die den Bedarf an Innovation mit den langfristigen Vorteilen eines sauberen und leicht zu aktualisierenden Systems in Einklang bringen. Wenn das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Strategien falsch eingeschätzt wird, kann dies kostspielige Folgen haben.

Ein mögliches Szenario wäre z. B., dass ein Unternehmen sein System umfassend anpasst, um den Betrieb zu optimieren. Dies kann zwar kurzfristig Vorteile bringen, führt aber im Laufe der Zeit zu mehr Komplexität, verlangsamt Up­grades und erhöht den Wartungsaufwand. Im Ge­gensatz dazu kann eine saubere Kern­praxis das System flexibel halten, aber möglicherweise nicht in der Lage sein, spezifische Anforderungen zu erfüllen, die über die klassischen kundenspezifischen Erweiterungen von SAP hinaus­gehen.

Komplementäre Strategien

Was ist also die Lösung? Anstatt Clean Core und Anpassung als Gegensätze zu betrachten, sollten sie als komplementäre Strategien gesehen werden. Hier kommt die BTP ins Spiel, die es Unternehmen ermöglicht, die Funktionen ihres Systems zu erweitern, ohne den Kern zu beeinträchtigen, und die einen modularen Ansatz für Innovationen bietet. Mit dieser Lösung können Unternehmen ihre Anwendungen an die sich ändernden Anforderungen anpassen und gleichzeitig ein sauberes, leicht aufrüstbares System für die Zukunft erhalten.

BTP für Anpassungen

Um zu veranschaulichen, wie SAP BTP einen Ausgleich zwischen der Debatte um einen sauberen Kern und die Anpassung an Kundenwünsche schaffen kann, lassen Sie uns ein Beispiel aus der Praxis betrachten, das auf der Erfolgsgeschichte eines LeverX-Kunden basiert. Ein globales Bekleidungsunternehmen stand vor der Herausforderung, unterschiedliche regionale Anforderungen zu bewältigen und gleichzeitig den S/4-Kern zu optimieren.

Anstatt sein Kernsystem mit umfangreichen Anpassungen zu überarbeiten, entschied sich das Unternehmen für BTP. Dies ermöglichte es dem Unternehmen, benutzerdefinierte Anwendungen und Workflows zu erstellen, die speziell auf die regionalen Anforderungen zugeschnitten sind, z. B. die Einhaltung lokaler Steuervorschriften und das Lieferkettenmanagement, ohne das Kernsystem zu verändern.

Durch den Einsatz von BTP mit LeverX konnte das Unternehmen diese Ziele erreichen: Sie haben sich schnell an die Anforderungen des lokalen Marktes angepasst. Ihr S/4-Kern blieb sauber und beweglich. Sie haben ein System beibehalten, das leicht zu aktualisieren und an die neuesten Innovationen von SAP angepasst ist.

Nicht ohne Change-Management

Die Einhaltung von S/4-Hana-Systemstandards und die Implementierung neuer Technologien wie BTP können transformativ sein, aber es ist wichtig, die menschliche Komponente der digitalen Landschaft zu berücksichtigen. Widerstand gegen Veränderungen ist eine häufige Herausforderung, die oft aus der Angst vor dem Unbekannten oder der Störung etablierter Arbeitsabläufe resultiert. Dieser Widerstand kann den Erfolg Ihres Projekts erheblich beeinträchtigen und zu Verzögerungen oder einer unzureichenden Nutzung der neuen Systeme führen.

Darüber hinaus wirkt sich die digitale Transformation nicht nur auf die Technologie aus, sondern verändert auch die Unternehmenskultur. Änderungen an Systemen und Prozessen können Arbeitsabläufe, Rollen und Teamdynamik verändern. Der Umgang mit diesen kulturellen Veränderungen durch Change-Management-Praktiken ist entscheidend für einen reibungslosen Übergang und die Aufrechterhaltung von Mitarbeiterengagement und Produktivität.

Um diese menschlichen Aspekte besser zu verstehen und zu steuern, laden wir Sie ein, am 28. November 2024 am Strategic IT Leadership Day im SAP AppHaus Heidelberg teilzunehmen.

Wenn Sie an dem Thema interessiert sind, aber nicht an der Veranstaltung teilnehmen können, ist das kein Problem: Die Spezialisten von LeverX sind über LeverX on Tour buchbar. Wir können Treffen arrangieren und Change-Management-Workshops in verschiedenen Ländern durchführen, um auf Ihre spezifischen Bedürfnisse einzugehen und zu diskutieren, wie Sie Ihre SAP-Implementierung verbessern können. Setzen Sie sich mit uns in Verbindung, um einen Termin zu vereinbaren und zu erfahren, wie wir Sie bei Ihrer digitalen Transformation unterstützen können.

Fazit

Es gibt keine allgemeingültige Lösung für das Gleichgewicht zwischen einem sauberen Kern und Anpassungspraktiken in SAP S/4 Hana. Der richtige Ansatz hängt ganz von den spezifischen Anforderungen Ihres Unternehmens, Ihren langfristigen Zielen und dem Branchenkontext ab. Eine sorgfältige Bewertung Ihrer aktuellen SAP-Landschaft wird Ihnen helfen, Entscheidungen zu treffen, die sowohl den unmittelbaren Anforderungen als auch den zukünftigen Bestrebungen gerecht werden. Um diesen Spagat zu meistern, sollten Sie sich von den Experten von LeverX beraten lassen.

Sie können uns auf dem DSAG-Jahreskongress 2024 von 15. bis 17. Oktober in Leipzig treffen, um Ihre individuellen Anforderungen persönlich zu besprechen. Sie finden unsere Experten an Stand Q2, Halle 3. Alternativ können Sie uns jederzeit über unsere Website kontaktieren, um herauszufinden, wie wir Sie bei der Umstellung auf ein zukunftsfähiges System unterstützen können.

leverx.com

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Siarhei Valenda, LeverX

Siarhei Valenda ist Leiter der Abteilung Entwicklung automatisierter Informationssysteme bei LeverX.


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Die Arbeit an der SAP-Basis ist entscheidend für die erfolgreiche S/4-Conversion. 

Damit bekommt das sogenannte Competence Center bei den SAP-Bestandskunden strategische Bedeutung. Unhabhängig vom Betriebsmodell eines S/4 Hana sind Themen wie Automatisierung, Monitoring, Security, Application Lifecycle Management und Datenmanagement die Basis für den operativen S/4-Betrieb.

Zum zweiten Mal bereits veranstaltet das E3-Magazin in Salzburg einen Summit für die SAP-Community, um sich über alle Aspekte der S/4-Hana-Basisarbeit umfassend zu informieren.

Veranstaltungsort

Mehr Informationen folgen in Kürze.

Veranstaltungsdatum

Mittwoch, 21. Mai, und
Donnerstag, 22. Mai 2025

Early-Bird-Ticket

Verfügbar bis Freitag, 24. Januar 2025
EUR 390 exkl. USt.

Reguläres Ticket

EUR 590 exkl. USt.

Veranstaltungsort

Hotel Hilton Heidelberg
Kurfürstenanlage 1
D-69115 Heidelberg

Veranstaltungsdatum

Mittwoch, 5. März, und
Donnerstag, 6. März 2025

Tickets

Reguläres Ticket
EUR 590 exkl. USt
Early-Bird-Ticket

Verfügbar bis 20. Dezember 2024

EUR 390 exkl. USt
Veranstalter ist das E3-Magazin des Verlags B4Bmedia.net AG. Die Vorträge werden von einer Ausstellung ausgewählter SAP-Partner begleitet. Der Ticketpreis beinhaltet den Besuch aller Vorträge des Steampunk und BTP Summit 2025, den Besuch des Ausstellungsbereichs, die Teilnahme an der Abendveranstaltung sowie die Verpflegung während des offiziellen Programms. Das Vortragsprogramm und die Liste der Aussteller und Sponsoren (SAP-Partner) wird zeitnah auf dieser Website veröffentlicht.