Machtkonzentration SAP
Die erste Runde ging zu Gunsten von SAP: Zahlreiche Anwender und Institutionen versuchten eine Kartellklage gegen SAP. Mit der eigenen Marktmacht ist es ein leichtes Spiel, hohe Lizenz- und Wartungspreise durchzusetzen und einen Markt für Second-Hand-Lizenzen zu verhindern. Sowohl Beschwerden in Brüssel als auch in Bonn beim deutschen Kartellamt liefen ins Leere. Nur in der Schweiz konnte eine Interessengruppe bei der Behörde Preisüberwacher einen Etappensieg einfahren. Seit vielen Jahren steht SAP in der Schweiz unter verschärfter Beobachtung.
Das Risiko besteht nur zum Teil in den übermäßig hohen Wartungspreisen. Wie eine weltweite Computerpanne zeigte, ist die technische Abhängigkeit von wenigen IT-Lieferanten wesentlich bedrohlicher als ein finanzieller Schaden durch Kartellbildung. Auf Handelsblatt Online war zu lesen: „So äußerte sich die Chefin der US-Aufsichtsbehörde FTC, Lina Khan. […] Ohne Crowdstrike oder Microsoft beim Namen zu nennen, kritisierte Kahn, der Ausfall hänge auch mit der konzentrierten Marktmacht der Unternehmen zusammen. Diese schaffe „fragile Systeme. […] Das könne zu einer Risikokonzentration führen […] darunter regulatorische Abfragen bei Cloud- Unternehmen.“
Mit der Datenbank SAP Hana, der ERP-Software S/4, Cloud-Diensten für Beschaffung, Personalverwaltung sowie Logistik, und der IT-Plattform SAP BTP (Business Technolgy Platform) ist der Anwender in Abhängigkeit von SAP.
Dieses Klumpenrisiko und diese Machtkonzentration versuchen immer mehr SAP-Bestandskunden durch eine Best-of-Breed-Lösung zu umgehen. Im Bereich CRM (Customer Relationship Management) ist bei SAP-Anwendern die amerikanische Software Salesforce sehr beliebt und im HCM- (Human Capital Management) und Finanzbereich kommt immer öfters eine Cloud-Lösung von Workday zum Einsatz.
SAP selbst versucht mit weiterer Konzentration und Fokussierung auf die Public Cloud die eigene Marktdominanz zu festigen. Die jünsgten Quartalszahlen zeigen den SAP-Erfolg: Die Cloud-Umsätze steigen weiter deutlich und durch die fortschreitende Cloud-Standardisierung wächst die eigene Effizienz (was dem Börsenkurs zugutekommt) und fällt die Mitarbeiterzahl. Anfang dieses Jahres plante SAP bis zu 8000 Mitarbeiter freizusetzen, aufgrund des attraktiven Abfindungsprogramms und der weiteren Cloud-Konsolidierung sollen nun etwa 10.000 Stellen abgebaut werden.
Langjährige SAP-Bestandskunden und europäische SAP-Partner, die jedoch nicht den radikalen Weg in einer Public Cloud gehen können oder wollen, spüren bereits den Personalmangel bei SAP.
Für Neukunden kann die Public Cloud ein Angebot sein. Für SAP-Bestandskunden mit komplexen Aufbau- und Ablauforganisationen ist das eigene Rechenzentrum, der Hosting-Partner oder die private Cloud bei einem Hyperscaler die einzige Möglichkeit. Auch für alle SAP-Anwender, die ein Klumpenrisiko und eine Machtkonzentration vermeiden wollen, ist eine hybride Lösung aus On-prem und Cloud die wahrscheinlich wesentlich bessere Wahl.