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Die Schattenentwickler der SAP

Die Salzburger Festspiele sind beendet und Don Giovanni war ein überwältigender Erfolg. Während er sich in Spanien mit 1003 Frauen verabredet, hat Christian Klein weltweit mehrere 10.000 Entwickler.
Peter M. Färbinger, E3 Magazin
27. August 2024
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Es gibt bei SAP zahlreiche Entwickler, die nicht auf den offiziellen Personallisten stehen oder die Vorzüge eines SAP-Angestelltenvertrags genießen: SAP bedient sich vieler Leiharbeiter in der Software-Entwicklung. Dieses Personal wird von SAP-Partnern bereitgestellt und über Projektkosten abgerechnet.

Eine Umfrage des E3-Magazins hat ergeben, dass ausgewählte SAP-Partner bis zu 1000 Entwickler zur Verfügung stellen. Weltweit könnte die Zahl der Schattenentwickler somit deutlich 10.000 Personen übersteigen. Die Motivation von SAP-Chef Christian Klein dürfte sehr unterschiedlich sein: Teils geht es um fehlendes Spezialwissen und teils um Kapazitätsmängel.

Während also in der Wiederaufnahme der Mozart-Oper Don Giovanni durch den Intendanten Markus Hinterhäuser in Salzburg diesen Sommer Teodor Currentzis, musikalische Leitung, und Romeo Castellucci, Regie, Bühne, Kostüme und Licht, einen triumphalen Erfolg feierten, musste sich virtuell und real Don Giovanni auf der Bühne des Großen Festspielhauses mit weniger Personal begnügen. Sein Diener Leporello singt in der Mozart-Oper: „In Italien sechshundertvierzig; in Deutschland zweihunderteinunddreißig; hundert in Frankreich; in der Türkei einundneunzig; doch in Spanien sind’s schon tausenddrei.“ In der Realität waren es 120 Statistinnen in wunderbaren Gewändern und eine davon war meine Lebenspartnerin, somit weiß ich ganz genau, von was ich hier schreibe.

Was sind die Beweggründe des SAP-Chefs Christian Klein, einem Don Giovanni nachzueifern und ihn in absoluten Zahlen dann bei Weitem zu übertreffen? Ein über dreißig Jahre zurückliegendes Erlebnis eröffnete mir zum ersten Mal die Logik des Geschäfts- und Börsenlebens: Ich arbeitete damals für DEC, einen US-amerikanischen IT-Hersteller, der in Quartalen dachte. Wurden in einem Quartal die Kündigungen von Mitarbeitern angekündigt, so stieg im nächsten Quartal der Börsenkurs.

An diesem ursächlichen Zusammenhang von Stellenkürzungen und Entwicklung des Börsenkurses scheint sich bis heute nichts geändert zu haben: Anfang dieses Jahres verlautete Christian Klein zusammen mit dem SAP-Finanzvorstand Dominik Asam, dass 8000 Stellen wegrationalisiert werden sollen. Später wurde die Zahl auf 10.000 erhöht. Anfang des Sommers erreichte der SAP-Aktienkurs ein Allzeithoch. Mit weniger Personal und steigendem Umsatz erhöht sich die Rentabilität und wahrscheinlich auch die Dividende. Und der Rest?

Aus guten Gründen macht sich die SAP-Community viele Sorgen um die ERP-Weiterentwicklung. Die aktuellen Kernthemen von SAP-Chef Klein sind KI und Cloud. Für diese Megatrends braucht er naturgemäß weniger Personal: KI-Innovationen werden zugekauft und lizenziert; Cloud-Infrastruktur kann preiswert bei den Hyperscalern und Unternehmen wie Cloudflare zugebucht werden. Aber eine inhaltliche und strukturierte Weiterentwicklung des ERP können nur die Spezialisten und Entwickler von SAP.

SAP ist ERP-Weltmarktführer, weil es dieses betriebswirtschaftliche Wissen nirgendwo sonst gibt – eine Anekdote: Vor einigen Jahren gab es schon einmal ein Restrukturierungsprogramm mit zahlreichen Stellenstreichungen. SAP war mit dem Abfindungsprogramm großzügig, sodass auch erfahrene und verdiente Mitarbeiter das Angebot akzeptierten, weil sie genau wussten, mit dem erarbeiteten SAP-Wissen schnell eine neue Aufgabe zu finden. Einer dieser Executives war APO- und MRP-Spezialist mit umfangreichem Wissen über Supply Chain Planning. Aktuell arbeitet er als freier Berater für einen SAP-Bestandskunden mit zweistelliger Kundennummer. Es wird ein APO-Nachfolger gesucht: SAP hat das On-prem-Produkt APO (Advanced Planner and Optimizer) abgekündigt; den Nachfolger, IBP (Integrated Business Planning), gibt es nur als Cloud-Produkt. Mithilfe des ehemaligen SAP-Mitarbeiters ist der SAP-Bestandskunde bei einem anderen Unternehmen fündig geworden. Ein APO-ähnliches Produkt wird nun on-prem customized!

Die SAP-Personalpolitik erscheint somit kontraproduktiv und ist lediglich dem Ziel eines hohen Aktienkurses verpflichtet. SAP-Software ist nicht kompliziert, aber komplex. Der ERP-Konzern braucht Tausende erfahrene Entwickler und Software-Ingenieure – ganz unabhängig von KI und dem Infrastrukturmodell, ob Cloud, On-prem oder Hybrid. Die SAP-Bestandskunden erwarten in erster Linie eine inhaltliche Weiterentwicklung des ERP-Kerns, ob nun im S/4 selbst oder auf der SAP Business Technology Platform. Auch Christian Klein kennt diesen Umstand, aber er kann sich auf die zahlreichen Schattenentwickler der SAP-Partner verlassen. Es dürften weit mehr sein, als Positionen jetzt zur Disposition stehen.

Das Ende ist tragisch: Don Giovanni und Leporello treffen sich auf einem Friedhof. Don Giovanni erzählt von seinen Abenteuern, als die Statue des Komturs zu ihm zu sprechen beginnt. Don Giovanni lädt den Komtur zum Abendessen ein. Donna Elvira warnt Don Giovanni vor seinem Untergang. Der Komtur erscheint. Er versucht, Don Giovanni zur Umkehr zu bewegen. Doch Don Giovanni bereut nichts und muss dafür in die Hölle fahren. Alle kommen zu dem Schluss: „So geht es dem, der Böses tut.“

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Peter M. Färbinger, E3 Magazin

Peter M. Färbinger, Herausgeber und Chefredakteur E3-Magazin DE, US und ES (e3mag.com), B4Bmedia.net AG, Freilassing (DE), E-Mail: pmf@b4bmedia.net und Tel. +49(0)8654/77130-21


1 Kommentar

  • Hallo Herr Färber,
    Irgendwie kommt mir diese Anekdote bekannt vor.
    So wie sich die unvergessenen Karikaturen von Robert Platzgummer fast jede Dekade wieder den Nagel auf den Kopf treffen, so sind die Pläne der SAP immer wieder die selben, wie Sie so schön geschrieben haben.
    Da ist sogar der Vergleich mit Don Giovanni schon fast schmeichelhaft … 😉
    Übrigens: Nicht nur SAP Entwickler wollten/durften/sollten die SAP verlassen. Es gab auch unzählige technische Mitarbeiter denen dieses Schicksal nicht erspart geblieben ist.
    Somit gibt es noch einen dritten Grund für die SAP’sche Personalpolitik: Mündige Fachkräfte sind weitaus schwerer zu führen, weil Sie bereits mehrere Iterationsschritte vor- bzw. rückwärts erlebt haben. Mangelndes (SAP) Fachpersonal wird überall gesucht, nur an einen Ort nicht: bei der SAP. Unglücklicherweise kommt umfangreiches und tiefgreifendes Fachwissen oft mit einem gewissen Grad an Sozialkompetenz.
    In diesen Sinne auf weitere Zehn Jahre SAP im Spiegel der Karikatur …
    Freundlichst und immer gut gelaunt, Ihr Roland Kramer – get it done

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Die Arbeit an der SAP-Basis ist entscheidend für die erfolgreiche S/4-Conversion. 

Damit bekommt das sogenannte Competence Center bei den SAP-Bestandskunden strategische Bedeutung. Unhabhängig vom Betriebsmodell eines S/4 Hana sind Themen wie Automatisierung, Monitoring, Security, Application Lifecycle Management und Datenmanagement die Basis für den operativen S/4-Betrieb.

Zum zweiten Mal bereits veranstaltet das E3-Magazin in Salzburg einen Summit für die SAP-Community, um sich über alle Aspekte der S/4-Hana-Basisarbeit umfassend zu informieren.

Veranstaltungsort

Mehr Informationen folgen in Kürze.

Veranstaltungsdatum

Mittwoch, 21. Mai, und
Donnerstag, 22. Mai 2025

Early-Bird-Ticket

Verfügbar bis Freitag, 24. Januar 2025
EUR 390 exkl. USt.

Reguläres Ticket

EUR 590 exkl. USt.

Veranstaltungsort

Hotel Hilton Heidelberg
Kurfürstenanlage 1
D-69115 Heidelberg

Veranstaltungsdatum

Mittwoch, 5. März, und
Donnerstag, 6. März 2025

Tickets

Reguläres Ticket
EUR 590 exkl. USt
Early-Bird-Ticket

Verfügbar bis 20. Dezember 2024

EUR 390 exkl. USt
Veranstalter ist das E3-Magazin des Verlags B4Bmedia.net AG. Die Vorträge werden von einer Ausstellung ausgewählter SAP-Partner begleitet. Der Ticketpreis beinhaltet den Besuch aller Vorträge des Steampunk und BTP Summit 2025, den Besuch des Ausstellungsbereichs, die Teilnahme an der Abendveranstaltung sowie die Verpflegung während des offiziellen Programms. Das Vortragsprogramm und die Liste der Aussteller und Sponsoren (SAP-Partner) wird zeitnah auf dieser Website veröffentlicht.