S/4-Vorspiel
Auswirkungen, Abhängigkeiten und Transparenz einer S/4-Conversion
SAP hat beim Einnorden und der notwendigen S/4-Bildungsarbeit vollkommen versagt. Noch vor einem Jahr reichte SAP-Chef Christian Klein den DSAG-Mitgliedern die Hand und sprach auf dem Jahreskongress in Leipzig von hybridem Cloud Computing. Ein Jahr später auf dem DSAG-Jahreskongress in Bremen heißt es aus seinem Mund: Cloud only, und nur in der Public Cloud wird es weitere Innovationen für die SAP-Bestandskunden geben.
Die SAP-Community ist verunsichert, wie nun eine neue Studie von Basis Technology feststellte. Das Unternehmen befragte 200 SAP-Anwender und die Hälfte scheut die S/4-Conversion, weil man die Auswirkungen von Prozessänderungen nicht abschätzen kann. Die Situation der SAP-Bestandskunden lässt sich bezüglich S/4 Hana als Bildungsnotstand interpretieren.
Etwa 42 Prozent der von Basis Technology Befragten fürchten eine Abhängigkeit von externen Partnern durch den notwendigen Aufbau oder eben das Fehlen von internem Know-how. Das Wissensdefizit über Hana und S/4 ist für viele CEOs, CFOs und CIOs eine große Herausforderung. Hier helfen auch keine IT-Werkzeuge von SAP, um während eines Wochenendes die S/4-Conversion durchzudrücken, wenn die eigenen Mitarbeiter mit neuen Geschäftsprozessen, Fiori und Anwenderrollen überfordert sind.
Ebenfalls 42 Prozent meinten, dass eine Verbesserung der S/4-Prozesstransparenz und des Umgangs mit Compliance hilfreich vor und während einer S/4-Conversion wäre. Was für SAP stringent und logisch ist, das muss für die SAP-Bestandskunden noch lange keinen Sinn ergeben.
S/4-Lizenzmodell
Als 2015 Professor Hasso Plattner, der damalige SAP-CEO Bill McDermott und Technikvorstand Bernd Leukert in New York der ERP-Welt ein neues Release als Nachfolger der SAP Business Suite 7 präsentierten, waren alle SAP-Bestandskunden überzeugt, dass das On-prem-Modell unverändert fortgesetzt wird. Durch die jährliche Zahlung der Software-Pflegegebühr bekommen die Kunden automatisch das komplette Zugriffsrecht auf die neue ERP-Version. Jeder ging von einem lizenztechnischen Releasewechsel aus, wie er seit R/3 schon vielfach erprobt war.
Mit S/4 begann SAP tief in die Lizenztrickkiste zu greifen: Es begann mit dem Damoklesschwert der indirekten Nutzung und setzte sich mit zahlreichen Engine-Lizenzpreisen und Sonder-Usern fort. Die SAP-Preisliste wurde zum Excel-Monster mit unzähligen Spalten und Ausnahmen. Die PKL (Preis- und Konditionenliste) verstand ein SAP-Bestandskunde nur noch unter Zuhilfenahme von Spezialisten und Juristen.
Mittlerweile ist die SAP-Lizenzpolitik im Übergang von On-prem zu Cloud Computing ein nahezu undurchdringbarer Dschungel geworden, der nur noch mit den besten Fährtenlesern bewältigt werden kann. Unter Zuhilfenahme von Lizenzexperten und Juristen lassen sich dann aber bis 50 Prozent der vorgeschriebenen Gebühren einsparen.
Cloud – ja, nein, vielleicht
Der SAP-Chef spricht und träumt von Cloud only und er weiß offensichtlich nicht, dass SAP kein Cloud-System besitzt. Alles, was SAP in den vergangenen Jahren versucht hat, war ein Lift-and-Shift eines ursprünglich als On-prem-System geplanten Hana und S/4. Nun existieren Cloud-Versionen der Datenbank Hana und des ERP-Systems S/4, aber Cloud Computing ist es im Vergleich zu den Anbietern wie Salesforce, Workday, ServiceNow und vielen anderen noch lange nicht. S/4 als Cloud-System zu betreiben ist eine inkommensurable Architektur. Es passt nicht und On-prem, Private sowie Public Cloud lassen sich auch nicht miteinander vergleichen.
Ein S/4-System, wie es 2015 präsentiert wurde und als On-prem-Anwendung aktuell noch existiert, ist mit einem echten Private-Cloud-Konzept inkommensurabel. Erst vor wenigen Wochen, acht Jahre nach der S/4-Präsentation in New York, vermeldete SAP, dass nun die erhoffte Cloud-Version der existierenden On-prem-Version funktional ebenbürtig wäre. Wie soll jemals Cloud only mit S/4 funktionieren?
Die lesenswerte Basis-Technology-Studie schreibt über die Kernelemente einer Transformationsstrategie, wenn diese erfüllt wären, könnte man eine S/4-Conversion in Betracht ziehen: 56 Prozent fordern sorgfältige Zeitplanung und richtige IT-Tools, 49 Prozent bitten um ausreichende Unterstützung durch die Geschäftsleitung, 43 Prozent suchen die Existenz interner Fachkenntnisse und Ressourcen und 37 Prozent verlangen nach externen Partnern mit dem richtigen Know-how. SAP hat es verabsäumt, in den vergangenen acht Jahren eine notwendige Infrastruktur, Bildungsarbeit und S/4-Community zu entwickeln, und steht nun vor einer desaströsen Konversationsrate.