Walldorf, wir haben ein Problem
Cloud only?
Kurz vor Weihnachten gab es in den Bürogängen in Walldorf die Diskussion über ein S/4-Code-Splitting. Der Diskurs entstand aus dem Topos „Cloud only“. Christian Klein und Thomas Saueressig versuchten gegenüber der deutschsprachigen SAP-Community mit einem hybriden Ansatz und einem verbalen Bekenntnis zu On-premises, das feste Cloud-Schema zu relativieren – sehr überzeugend waren die beiden Vorstände nicht.
Bis heute ist in der SAP-Community die Frage nicht geklärt, ob SAP das feststehende Bild eines „Cloud only“ Computing aus innerer Überzeugung oder in Reaktion auf die Hyperscaler inklusive Oracle vor sich herträgt. Nun wurde in der SAP-Zentrale zum Jahreswechsel die Exit-Strategie eines S/4-Code-Splittings diskutiert. Der Diskurs ist noch nicht weit fortgeschritten und vielleicht wird er die SAP-Community auch nie erreichen, aber neu sind solche Überlegungen nicht: Bereits beim Übergang von SAP R/2 auf R/3 stand zur Diskussion, dass für die chemische und pharmazeutische Großindustrie eine eigene Entwicklungsgesellschaft eingerichtet wird, die den R/2-Code für die IBM-Mainframes weiterentwickelt, während für die aufkommenden Client/Server-Systeme das neue R/3 customized wird. Wie wir wissen, kam es anders.
S/4-Code-Splitting in On-premises und „Cloud only“ kann erfolgreich sein, es würden jedoch zwei SAPs entstehen. Beide Seiten einer Medaille können erfolgreich werden, aber hybride ERP-Landschaften wird es dann nicht mehr geben. Konzerne wie wir werden sich offensichtlich für On-premises entscheiden, weil wir die Ressourcen und das Fachwissen bei mir in der Abteilung haben. Neukunden werden das Cloud Computing bevorzugen, weil es den leichtesten Einstieg in das SAP-Universum darstellt.
Paradigmen verändern sich und einer meiner Lieblingsautoren, Professor Henrik Müller von der Technischen Universität Dortmund, brachte es wieder einmal auf den Punkt: Der Davos-Mensch ist vom Aussterben bedroht. Keine falschen Schlüsse ziehen – Christian Klein lebt noch, er fuhr dieses Jahr mit dem Zug zum Weltwirtschaftsgipfel nach Davos. Die Gespräche in Davos mit anderen CEOs waren erhellend. Warum aber bei einer sterbenden Veranstaltung gleich ein ganzes SAP House eingerichtet werden muss, erschließt sich mir nicht. Reitet SAP in Davos ein totes Pferd?
Der verstorbene Harvard-Politikwissenschafter Samuel Phillips Huntington machte den Begriff „Davos Man“ 2004 populär, als er eine neue Elite von Globalisierungsjüngern beschrieb. Henrik Müller schrieb im Manager Magazin: „In derart angespannten Zeiten ist ein Abstecher nach Davos schwierig zu vermitteln, den Wählern daheim wie auch Mitarbeitern und Aktionären. Mal eben die Welt retten – und nebenbei die eigene Bedeutung herausstreichen – ist für viele offenkundig kein ausreichender Reisegrund mehr, wenn anderswo die Hütte brennt.“ Von den sieben führenden Industrienationen war lediglich unser Bundeskanzler Olaf Scholz mit großem Gefolge in Davos.
Ich hoffe, dass Christian Klein in Davos viele Erkenntnisse gefunden hat, denn wir Bestandskunden wollen wissen, wie es strategisch mit SAP weitergeht. Professor Hasso Plattner ist nur noch ein Jahr Aufsichtsratsvorsitzender. Der langjährige und erfolgreiche Finanzvorstand Luka Mucic verlässt in wenigen Wochen den Konzern. Sein Nachfolger, Dominik Asam, wird schon mit Vorschusslorbeeren überhäuft. Aus meiner Perspektive passt er aber kein bisschen in den aktuellen Vorstand. Er wird ein erfolgreicher Mucic-Nachfolger werden. Ob aber am Ende dieses Jahres noch alle bekannten Vorstandsmitglieder anwesend sind, wage ich zu bezweifeln.
Tatsache ist, dass eine Sabine Bendiek hinsichtlich Managementerfahrung mit Dominik Asam auf einer Stufe steht. Bei den „SAP only“-Karrieren von Christian Klein, Thomas Saueressig und Jürgen Müller sehe ich aber große Defizite. Die drei jungen Vorstände werden schnell vom weitgereisten und erfahrenen Asam ausgebremst werden. Es wird spannend werden, die Gruppendynamik des SAP-Vorstands zu beobachten. Ein Korrektiv von außen wird es kaum geben, weil Hasso Plattner und Gerd Oswald mit der Suche und Inthronisierung eines neuen Aufsichtsratsvorsitzenden beschäftigt sein werden.