Überraschung
Es hat bei SAP Tradition, nahezu aus dem Nichts vollkommen sinnlose Produkte und Strategien zu präsentieren. Der jüngste SAP’sche Zaubertrick lautet auf den Namen Rise und wurde von Christian Klein und seinen Vorstandskollegen Jürgen Müller und Thomas Saueressig in einem virtuellen Studio unter Beteiligung von Partnern wie Microsoft und Bestandskunden wie Siemens präsentiert.
Ja, diesmal war es nicht ganz so peinlich wie bei der legendären S/4-Präsentation in New York City an der Börse. Damals standen Professor Hasso Plattner, SAP-Chef Bill McDermott, Technikvorstand Bernd Leukert und der CFO des Chemieriesen Bayer, ein langjähriger SAP-Bestandskunde, auf der Bühne.
Während Plattner, McDermott und Leukert versuchten, die Notwendigkeit eines Releasewechsels von ERP/ECC 6.0 (SAP Business Suite 7) auf Hana und S/4 zu verdeutlichen, schwärmte der Bayer-CFO von R/3: Nach zehn Jahren des Customizings habe nun SAP-Anwender Bayer ein globales R/3-System und damit ein perfektes Reporting ohne Excel.
Dieser CFO war ein wirklich glücklicher SAP-Bestandskunde – aber sein enthusiastischer und ehrlicher Vortrag war auch die größte Themenverfehlung. Ziel war die übernächste Generation! Der aktuelle SAP-Chef Christian Klein hat nun Ende Januar diese SAP-Tradition der gefloppten Ankündigungen weitergeführt.
Überraschung: Er präsentierte eine Lösung, deren Problem vielen Bestandskunden seit Langem bekannt ist – sonst wären sie nicht erfolgreich. Vielleicht sind die Aris-Tapeten der IDS Scheer nicht die optimale Lösung, aber Professor Scheer hat das Konzept weiterentwickelt und somit die meterlangen Tapeten gezähmt.
Wer erst später auf die Herausforderung des Business Process Reengineering stieß, fand im Unternehmen Celonis schon vor vielen Jahren einen guten Lösungspartner, der nicht nur von SAP gefördert wurde, sondern sich auch auf der SAP- Preis- und -Konditionenliste wiederfindet.
Christian Klein präsentierte zur Überraschung der Community die Übernahme des Berliner Start-ups Signavio zum Thema Process Mining. Was nun, Herr Klein? Celonis customizen, weil es auf Ihrer Preisliste steht, oder Signavio eine Chance geben, weil Sie es für viel Geld übernommen haben?
Gut gemeint ist nicht gut genug und mit billigen Zaubertricks haben sich die SAP-Bestandskunden noch nie zufriedengegeben. Bereits unter Léo Apotheker, Jim Hagemann Snabe (siehe Illustration) und Bill McDermott wurden immer wieder vermeintliche Sensationen aus dem Zylinder hervorgezaubert.
Konkrete Antworten wie etwa auf die Frage nach dem zukünftigen Lizenzstatus von AnyDB nach einem Wechsel auf Hana und S/4 bleiben hingegen seit Jahren unbeantwortet. Selbst der Anwenderverein DSAG kapitulierte vor dieser Frage und hat sich offensichtlich mit dem Schweigen aus Walldorf abgefunden.
Die Bestandskunden und die SAP-Community sind unzufrieden, weil Rise nach Run Simple, Asap und Conversion keine finale Antwort ist. Die Analysten und Journalisten sind unzufrieden, weil eine Zukunftsstory fehlt. Die Aktionäre sind unzufrieden, weil der Aktienkurs der Mitbewerber stetig steigt, während SAP eine deutliche Seitwärtsbewegung aufweist. Ex-SAP-Chef Bill McDermott hat bei ServiceNow seit dem Corona-Crash im März vergangenes Jahr den Aktienkurs nahezu verdoppelt.