SolMan ist nicht genug
SAP hat es nicht erfunden. Vor dem SAP Solution Manager (SolMan) gab es schon zahlreiche IT-Werkzeuge, die das Überwachen und Steuern von komplexen Softwareinstallationen wie eines ERP beherrschten.
Aber unter der weisen und vorausschauenden Führung von Ex-SAP-Vorstand Gerd Oswald entstand ein Werkzeugkasten, der kostenfrei und anfangs optional den SAP-Bestandskunden angeboten – später verordnet – wurde.
SAP lernte schnell und der SolMan wurde von Jahr zu Jahr besser. Die Akzeptanz in der Community wuchs hingegen nur marginal. Warum? SAP-Bestandskunden, die ein mächtiges IT-Verwaltungs- und Überwachungsprogramm brauchten, hatten sich schon Jahre zuvor bei IBM, HP und anderen Softwareunternehmen eingedeckt.
Viele SAP-Bestandskunden beherrschten aber auch die „manuelle“ Verwaltung ihres R/3-Systems und bedienten sich nach eigenen Vorgaben im SAP’schen Servicemarktplatz.
Anfangs durfte und konnte SAP die SolMan-Daumenschraube nicht fester anziehen, weil der Funktionsumfang noch viele Lücken aufwies, aber Gerd Oswald und seine Truppe arbeiteten fleißig – bis eines Tages feststand: SolMan ist eine Pflichtübung!
Der Aufschrei in der SAP-Community war gewaltig und verständlich, weil diese Zwangsverpflichtung für die SolMan-Nutzung mit hohen Kosten verbunden war. Naturgemäß war der SolMan weiterhin kostenfrei zu beziehen, aber die Schulungen, der Aufbau einer neuen IT-Infrastruktur, die Adaptierung der Basisprozesse kosteten die SAP-Bestandskunden viel Geld. Alles Know-how über die Mitbewerberprodukte wurde null und nichtig, weil der SolMan ab jetzt Pflicht war.
Der SolMan ist in der SAP-Community angekommen. Die Wogen der ersten Entrüstung haben sich gelegt. Inzwischen haben viele SAP-Bestandskunden die Vorteile des SolMan erkannt und selbst in diesem Magazin sind in den vergangenen Monaten viele lobende Texte zum SolMan publiziert worden.
Besonders hervorzuheben sind hier die fachlich perfekte und kompetente SolMan-Kolumne vom Matthias Kneissl und die vielen hilfreichen Texte von Carl Christoph Winter.
Aber der SAP’sche SolMan ist nicht genug, oder? Zur Verwaltung, Administration, zum Releasewechsel etc. eines On-premise-ERP-Systems wie ECC 6.0 oder S/4 reicht der SolMan allemal. SAP entwickelt sich jedoch weiter.
Anfang dieses Jahres wurde ein Multi-Cloud-Konzept präsentiert, das die Datenströme einer SAP Cloud Platform (SCP) auf die Cloud-Plattformen von Amazon, Google und Microsoft ausdehnt.
SAP hat in den vergangenen Jahren viele IT-Unternehmen übernommen und beginnt sein Softwareangebot zu konsolidieren: Hybris und andere Zukäufe werden zum neuen CRM-System C/4 basierend auf der Datenbank Hana; SuccessFactors soll zum universellen HCM-System in der Cloud werden.
Die Liste der Konsolidierungen, Pläne und Vorhaben lässt sich fast unendlich fortsetzen. Was fehlt, ist ein „Schweizer Taschenmesser“ für alle diese On-premise- und Cloud-Plattformen. Es fehlt ein SolMan für Hybris, SuccessFactors, Concur, Fieldglass etc.
Kaum ein SAP-Bestandskunde betreibt ein allein stehendes ERP/ECC 6.0 oder S/4. Wenn nicht mit Legacy-IT über den NetWeaver, dann ist die ERP-Basis zumindest mit anderen Softwarekomponenten von SAP verbunden.
Und hierbei ist immer öfter Schluss mit lustig, wenn der SolMan vor unlösbaren Problemen steht: System-Copy in einem ECC-6.0-System ist kein Problem. Aber wer macht denselben Job bei der SAP-Komponente Hybris?
Für SAP-Bestandskunden ist die Kombination aus ERP, CRM und Hybris mittlerweile nichts Besonderes mehr. Der SolMan hingegen bedient nur die „alte“ ERP-Basis, macht den CCoE-Leiter glücklich und lässt den Hybris-Verantwortlichen verzweifeln.
Multi Cloud mit SCP, Amazon, Google und Microsoft ist nur der Anfang. Weltweite Produktionsstätten mit Millionen von IoT-Sensoren, die über die Hunderten Cloudflare-Rechenzentren ihre Daten weiter an SAP Leonardo schicken, werden ebenso wenig vom SolMan „gesehen“ wie die Blockchain in der S/4-Logistik.
Kein IT-Thema lässt SAP momentan liegen. Überall versucht sich der ERP-Weltmarktführer ins Spiel zu bringen – aber auf der Strecke bleibt die SAP-Basis, die lediglich einen „kurzsichtigen“ SolMan zur Verfügung hat.
Aber vielleicht braucht der SAP-Bestandskunde in Zukunft keine System-Copy für Hybris, keine Managementsoftware für Multi Cloud, sondern lediglich das Vertrauen, dass statt SolMan nun Leonardo alle Probleme lösen wird.
PS: Am 4. Oktober bin ich in Wien und halte am VÖSI Software Day 2018 einen Vortrag zum Thema „Digitale Transformation bei den SAP-ERP-Kunden“.
Naturgemäß werde ich über den SAP’schen Tellerrand schauen und die Digitalisierung bei den SAP-Partnern und Mitbewerbern kommentieren. Den gleichen Vortrag werde ich dann am 11. Oktober bei AKI in Würzburg nochmals halten.
Wir sehen uns in Wien oder Würzburg.