Die SAP-Community hat die Zeichen der Zeit unfreiwillig und zähneknirschend zur Kenntnis genommen: An Hana führt kein Weg vorbei! Eine Katastrophe bahnt sich an, weil SAP jede Sorgfaltspflicht gegenüber den Anwendern, IT-Entscheidern und der Geschäftsleitung vernachlässigt. Während SAP-Partner, CCC-Leiter, Basisadministratoren und IT-Personal mittlerweile über Hana hinreichend gut Bescheid wissen, ist in die Fachabteilungen und in die Leitungsgremien bisher noch kaum Hana-Wissen vorgedrungen.
Wie auf der SAP TechEd vergangenes Jahr in Barcelona gut zu beobachten war, wissen viele SAP-Entscheider noch nicht einmal, dass man dafür als Basis Linux braucht. Die fehlende Bildungsarbeit der SAP in Sachen Hana erklärt stringent die niedrige Adoptionsrate. Immer nur von Realtime und Höchstgeschwindigkeit zu reden, wie es Ex-SAP-CTO Vishal Sikka vormachte, war kontraproduktiv.
Immer neue Hana-Kunststücke aus dem Hut zu zaubern, wie es SAP-Technikvorstand Bernd Leukert macht, ist sehr unterhaltsam, aber auch nicht überzeugender.
Echte Aufklärung, was S/4, Hana und HEC (Hana Enterprise Cloud) können, fehlt: Was DSAG-Mitglieder benötigen, um einen Einsatz von S/4 abwägen zu können, sind konkrete Informationen, welche Funktionen die Lösung abdeckt. Für 72 Prozent der befragten DSAG-Mitglieder ist dies das wichtigste Entscheidungskriterium: „Der Erfolg eines ERP für Kunden wird sich über die Funktionalität entscheiden. Sie ist der Schlüssel für Digitalisierungsvorhaben“, erläutert der DSAG-Vorstandsvorsitzende Marco Lenck. „SAP stellt diese Informationen derzeit noch nicht ausreichend zur Verfügung.“
In dem etwa 300 Seiten starken SAP-Papier mit dem Titel „Simplification List for SAP S/4 Hana, on-premise edition 1511“ findet sich nur ein konkreter Hinweis: S/4 ist nicht der rechtliche Nachfolger der Business Suite 7. Somit werden alle zukünftigen Anwender für einen Releasewechsel von S/7 (ECC 6.0) auf S/4 neue Lizenzen kaufen müssen.
Aber nach Meinung von Marco Lenck kann es nicht sein, dass SAP-Bestandskunden über Jahre hinweg mit ihrer Pflegegebühr die Entwicklung neuer ERP-Software finanzieren und am Ende SAP dafür Lizenzgebühren verlangt. Laut der DSAG ist S/4 eine Software, die im Rahmen der normalen Wartung als Upgrade für einen Versionswechsel kostenfrei zur Verfügung stehen muss. SAP hat andere Pläne!
Ein wenig kryptisch war die Katastrophe bereits Ende vergangenen Jahres bekannt, als PAC-Analyst Frank Niemann in einer Research-Note schrieb, dass etwa jeder dritte Bestandskunde plant, S/4 in den kommenden Jahren einzuführen, und fast 40 Prozent davon den Neuanfang wagen. Sie wollen oder müssen ihre Systeme komplett neu aufsetzen. Eine S/4-Preisliste soll es noch vor der CeBIT geben.
Aber auch dieser Schritt wird nicht das Paradoxon lösen, dass insgesamt die Bestandskunden S/4 eher als einen Weg zu besseren SAP-Anwendungen betrachten. Das mögliche Innovationspotenzial in Richtung neuer Prozesse und Geschäftsmodelle ist ihnen dabei nicht präsent, hat Frank Niemann recherchiert.
Somit ergibt sich die Erkenntnis, dass S/7 Hana, also die SAP Business Suite on Hana, die bessere Wahl ist. Selbst Professor Hasso Plattner erklärte in einem Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Blog-Eintrag, dass momentan nichts an die Funktionsvielfalt von S/7 heranreicht. Zudem befassen sich viele Organisationen mit der Optimierung ihrer bestehenden SAP-Landschaften, sodass für sie wenig Raum und Budget bleibt, eine Einführung von S/4 zu stemmen.
PAC-Analyst Niemann erkennt somit ganz richtig: Was an Aufwand und an Kosten für ein S/4-Projekt auf die Bestandskunden zukommt, können diese oftmals noch gar nicht beziffern. Zudem müssen die Anwender S/4-Lizenzen und unter Umständen auch neue Hardware anschaffen. Es braucht gute Argumente, um diese Investitionen zu rechtfertigen angesichts bereits bestehender SAP-Landschaften in den Unternehmen und der damit anfallenden laufenden Kosten.
Die Zeit drängt! 2025 soll Schluss sein mit S/7, aber noch läuft Hana nicht rund. Auf Seite 86 dieser Ausgabe liest man, wo Hana langsamer ist als ein ECC-6.0-System auf Any-DB. Was passiert mit den zahlreichen Partner-Add-ons? Wenn diese auf S/4 übertragen werden müssen, sollten sie vorab getestet werden – das könnte sich aber auch erübrigen, weil kaum jemand bereit ist, für die indirekte Nutzung zu zahlen (NetWeaver Foundation for 3rd Party).
Als Kompromiss könnte sich somit anbieten, dass S/7 auf Any-DB (Oracle, SQL-Server, MaxDB und IBM DB2) noch bis 2030 in Wartung bleibt, SoH – ein S/7 auf Hana – aber bis 2035 gepflegt wird. Mit aktuell etwa 100 operativen S/4-Installationen wurde das Klassenziel bei Weitem verfehlt und die Wachstumsraten sind gering. Somit erscheint es vollkommen berechtigt, dass sich Professor Plattner in seinem Blog-Eintrag deutliche Sorgen bezüglich seines Erbes macht.