Schutzbehauptung
Auf der S/4-Preisliste gibt es für SAP-Bestandskunden die Position Flatrate um 9000 Euro. Nach einmaliger Zahlung darf der ERP/ECC-6.0- und S/7-Inhaber (SAP Business Suite 7) alle seine existierenden Anwender mit neuen S/4-Lizenzen ausstatten.
Ein großzügiges Angebot der SAP, nachdem noch im Herbst vergangenen Jahres das Damoklesschwert über der Community hing, S/4 wäre nur durch eine Neulizenzierung aller ERP-Anwender zu erwerben. Der Anwenderverein DSAG protestierte dagegen und wurde offensichtlich in Walldorf erhört. Nun gilt es, einen Obolus von 9000 Euro zu überweisen.
Was bekommt der SAP-Bestandskunde dafür?
Das weiß nicht einmal SAP selbst so genau. Es gibt ein aufschlussreiches Dokument mit der Bezeichnung „Simplification List for SAP S/4 Hana, on-premise edition 1511“, aber schon der erste Satz ist die perfekte Schutzbehauptung:
Hier wird definiert, dass S/4 in keiner Weise irgendein Nachfolger irgendeines SAPschen ERP-Systems ist. Was letztendlich bedeutet, SAP darf nach Zahlung der 9000 Euro jede beliebige Software auf die Server schicken, ob die existierenden und wohlbekannten ERP-Funktionen dann immer noch funktionieren, ist offen.
In den vergangenen, goldenen R/3- und ECC-6.0-Zeiten sind zahlreiche Funktionen in Abap ausprogrammiert worden – manchmal auch doppelt und dreifach. Somit gibt es heute im SAPschen ERP-Universum mehrere Wege, die zum Ziel führen.
Nun haben sich die Verantwortlichen in Walldorf vorgenommen, diesen „Wildwuchs“ zu beseitigen. Aufräumen ist im SAP-Reich angesagt. Nur welchen Funktionen soll der Vortritt gegeben werden?
Falls man die „falsche“ Funktion stilllegt, wurde vorsorglich jene Schutzbehauptung eingeführt, dass S/4 kein Nachfolger irgendetwas sei. Damit könnte S/4 auch ein leeres Gefäß sein und SAP wäre rechtlich noch immer auf der sicheren Seite.
Den SAP-Bestandskunden bleibt nun nichts anderes übrig, als zu raten, welche Funktion überleben wird und welche Teile des alten ERP stillgelegt werden. Ein Umstand, der bereits zu lautstarker Kritik der DSAG geführt hat.
Wie soll unter diesen Umständen ein Projektplan für den S/4-Releasewechsel entstehen? Ein erster Anhaltspunkt kann natürlich das erwähnte 300-Seiten-Dokument sein, ob das jedoch ausreicht, ist aus heutiger Sicht zu bezweifeln.