Sapphire 2016: Sorry Folks
Er ist aber auch der Meinung, dass es SAP-Bestandskunden geben wird, die noch weitere zehn Jahre sehr erfolgreich ECC 6.0 nutzen werden.
Die Zukunft jedoch ist eine andere: Unmissverständlich demonstrierten sowohl SAP-Technikvorstand Bernd Leukert als auch Hasso Plattner in ihrer jeweiligen Keynote, dass sämtliche Werkzeuge für einen erfolgreichen Releasewechsel bereitstehen.
Hasso Plattner ließ während seiner Keynote einen simulierten Wechsel von ERP/ECC 6.0 mit Modifikationen und Add-ons auf AnyDB nach S/4 auf Hana zeigen.
Natürlich war nicht die Zeit, einen detaillierten Blick auf die eigen geschriebenen Z-Funktionen zu werfen, aber der Transport erfolgte mit fast fertigen SAP-Werkzeugen, sodass ein Standardwechsel schon bald ohne Eskalation möglich sein könnte.
Fairerweise räumte Hasso Plattner ein, dass sich der Prozess bei größeren Kunden mit vielen Modifikationen und Add-ons auch komplexer gestalten kann. Die wirkliche Herausforderung ignorierte der SAP-Aufsichtsratsvorsitzende jedoch:
Laut SAP-Definition ist S/4 kein rechtlicher Nachfolger von R/3 oder ECC 6.0 und somit garantiert SAP auch keine Weiterführung und Verwendbarkeit sämtlicher Funktionen.
Technisch hilft der SAP-Compatibility-View und wie Plattner eindrucksvoll in Orlando zeigte, kann es gut funktionieren – muss es aber nicht. Rechtlich ist SAP abgesichert. Und ja, 9000 Euro als einmalige Flatrate für die Wandlung der ECC-Lizenzen sind auch noch nach Walldorf zu überweisen.
AnyDB war in Orlando kein Thema, obwohl sich schwer feststellen ließ, ob Oracle, IBM und Microsoft vor Hana kapituliert haben oder nur abwarten und es die Ruhe vor dem Sturm ist.
Oracle lässt keine Strategie erkennen. Rein technisch wäre z. B. eine Hana-Portierung auf Solaris und Sparc möglich – auch IBM hat das zusammen mit SAP für Power geschafft. Hana on Power (HoP) ist mittlerweile nicht nur für BW, sondern auch für die SAP Business Suite freigegeben – also eine Suite on Hana on Power!
Bei IBM gibt es zumindest Datenbank-Anpassungen für SAP BW – für DB2 Blu, der In-memory-Computing-Komponente von DB2. Wesentlich entspannter und offener wirkte Microsoft auf der Sapphire, war doch auch MS-Chef Satya Nadella gemeinsam mit SAP-Chef Bill McDermott auf der Bühne.
In Arbeit ist eine Portierung des MS-SQL-Servers auf Linux und eine tiefere Integration von Fiori-Apps und dem App-Management von Microsoft.
Die wichtigste Neuigkeit ist die Hana-Zertifizierung für Microsofts Cloud Azure. Mittlerweile scheint Microsoft keine Berührungsängste mehr zu kennen.
Hauptsache: Am Ende des Tages findet sich alles auf Azure. Eines der ersten S/4-Hana-Projekte in der Azure-Cloud realisierte Alegri.
Deutlich war in Orlando die Pattsituation zu spüren: Wenn der SAP-Bestandskunde sich für eine Hana-Plattform entscheidet, muss der AnyDB-Anbieter ihn in Richtung SAP ziehen lassen.
Wehrhafte Kunden – gegenüber SAP – können zumindest bis 2025 auf ECC 6.0 und AnyDB bleiben. Mithilfe der SAP-Partner und AnyDB-Anbieter lässt sich dann möglicherweise ein erfolgreicher Best-of-Breed-Ansatz fahren – aber dann kommt das SAP-Problem der „indirekten Nutzung“ ins Spiel (NetWeaver Foundation for Third Party Applications).
Hasso Plattner erklärte es in Orlando ganz unmissverständlich: Es geht in Richtung Hana, denn das reduziert nachhaltig den Wartungsaufwand der SAP.
Er betonte die dadurch entstehende, höhere Agilität, einen geringeren Testaufwand und wesentlich schnellere Produktzyklen. Dies werde von Kunden gefordert und vom Wettbewerb vorgelebt.
Die Kenner der Szene und die Finanzanalysten sehen einen weiter steigenden Deckungsbeitrag aus dem Vorstandbereich von Michael Kleinemeier, dem Service und Support.
Für die SAP-Bestandskunden, die den Weg Richtung S/4 und Hana nicht mitgehen wollen, hatte Hasso Plattner nur ein „sorry folks“ übrig.
Etwa 60 Prozent der Präsentationen waren den Themen S/4 und Hana gewidmet. Der Rest bestand aus visionären und konzeptionellen Themen wie Machine Learning, Knowledge Management, Digital Boardroom, Concour-Integration mit MS-Outlook; auch dies wurde von Bill McDermott und Satya Nadella präsentiert, ohne aber Duet zu erwähnen.
Bei der Keynote von Bill McDermott sprang der Funke nicht recht ins Publikum über, kein Wunder bei einer Länge von zwei Stunden! Am Ende hatten sich viele Plätze im Saal schon geleert. SAP-Technikvorstand Bernd Leukert wirkte wie immer authentisch.
Plattner war Plattner: ohne Moderation und völlig autonom in Interpretation und Ankündigung. Wenn man genau hinhörte, konnte man viel lernen, was die marketinggeschulten Mitarbeiter von SAP immer wieder gern verschweigen.