SAP-Lizenzmodell 2019 vs. Voice & DSAG
Teil 1 – Autengruber
Da ich mehr als zehn Jahre bei SAP in der Rechtsabteilung war, gebe ich einen Ausblick, wie SAP denkt. Die erste Kartellrechtsbeschwerde wurde von Voice nach dem Scheitern von Gesprächen mit SAP Anfang 2018 eingebracht.
SAP war darauf vorbereitet und hat das neue Modell „Indirect Digital Access“ aus der Schublade gezogen. Es basiert auf den gleichen Grundsätzen wie das bisherige Lizenzmodell: Jeder Zugriff auf SAP-Software ist lizenzpflichtig. Auch der Austausch von Daten.
Geändert wurde die Messlatte für den Zugriff: SAP hat erkannt, dass ein Named-User-Zugriff optisch gesehen zu teuer wird, und stellt auf Dokumentenlizenzierung um.
Voice erkannte sofort, dass das neue Modell Indirect Digital Access den gleichen EU-Rechten widerspricht, die im Named-User-Nutzungsmodell für „indirekten“ Zugriff beanstandet wurden, und hat eine zweite Kartellrechtsbeschwerde eingereicht.
Logisch wäre es gewesen, dass SAP nun ein drittes Nutzungsmodell für „indirekte“ Nutzung aus der Schublade zieht. Dafür war aber die Zeit zu kurz. SAP muss und wird mit einem neuen Modell reagieren.
Strategisch gesehen wird SAP berücksichtigen: Erstens, der reine Datenaustausch bleibt (wird) lizenzfrei. Zweitens, Datenaustausch mit Nutzung von SAP-Funktionalität wird kostenpflichtig. Drittens, Named User und Dokumente sind über die Industrien zu unterschiedlich; es werden vergleichbare (und angemessene) Messeinheiten benötigt.
Daraus abgeleitet ergibt sich die folgende SAP-Strategie: Im Frühjahr 2019 wird das dritte Nutzungsmodell für „indirekte“ Nutzung vorgestellt: Dieses ist transaktionsbasiert und stellt jeden Programmzugriff unter Lizenzpflicht, der extern ausgelöst wird. Reiner Datenaustausch bleibt (wird) lizenzfrei.
Die Information kommt aus der SAP-Preisliste: Kunden sei geraten, die neue Position „SAP OpenHub for S/4 HANA“ zu beachten. Achtung: Es gibt keine OpenHub-Technologie in „S/4HANA“. Wozu ein Produkt mit Lizenzpflicht für etwas, das es nicht gibt?
Wer noch genauer hinsieht, bemerkt, dass SAP die eigene Nomenklatur nicht einhält. In „SAP OpenHub for S/4_HANA“ ist ein Leerzeichen. Damit ist es kein „S/4HANA“-Produkt mehr. Ich gehe davon aus, dass ein Schreibfehler vorliegt, und ersuche, dass SAP diesen Produktnamen korrigiert, um weitere Verwirrung zu vermeiden.
Wäre SAP OpenHub for „S/4_HANA“ nämlich kein „S/4HANA“-Produkt, bestünde mehrfache Lizenzpflicht beim Datenaustausch, was fatale Folgen hätte.
Teil 2 – Färbinger
So kann es nicht weitergehen! Was die meisten Mitglieder der SAP-Community vermuten, hat E-3 Autor und Lizenzexperte Stefan Autengruber glasklar erkannt und hier das erste Mal in Europa formuliert, verifiziert und definiert: 2019 wird es ein weiteres neues Lizenzmodell der SAP geben, denn der ERP-Weltmarktführer braucht die zusätzlichen Einnahmen aus der Position „indirekte Nutzung“.
Dieses SAP’sche Lizenzmodell ist zu einer der wichtigsten „Waffen“ im Arsenal der Walldorfer geworden. Warum? Cloud Computing ist ein Erfolgsmodell, aber nicht bei SAP. Die in der SAP-Bilanz ausgewiesenen Zuwachsraten sind beeindruckend, aber diese Erfolgszahlen stammen nur zu einem sehr geringen Teil von den ERP-Kernkomponenten.
Das SAP-Cloud-Wachstum kommt überwiegend aus den gekauften Unternehmen wie Ariba, SuccessFactors, Fieldglass, Concur, Callidus usw. Um die SAP-Bestandskunden in eine ERP-Cloud zu bewegen, bedarf es härterer Mittel: Die „indirekte“ Nutzung ist einer dieser Hebel.
Der SAP-Vertriebsbeauftragte droht mit gewaltigen Lizenznachzahlungen und verspricht gleichzeitig, dass eine Übersiedlung in die SAP-Cloud alle Probleme lösen würde.
Dieses taktische Vorgehen entspricht dem Gesamtbild: Entweder wird der Lizenzumsatz durch die Sonderposition „indirekte Nutzung“ erhöht oder man gewinnt zusätzliche Cloud-Anwender. Weil dieses Vorgehen stringent, aber vielleicht nicht ganz legal ist, wird es SAP mit einem neuen Lizenzmodell versuchen.
Der erste Versuch von April dieses Jahres war noch nicht optimal, ein zweiter Versuch soll laut Stefan Autengruber 2019 folgen. E-3 Autor Autengruber erklärt dazu Folgendes: Nach Abschaffung des Limited-Professional-Users und bedingt durch die kasuistische Definition der Industry-Specific-User verblieb nur mehr die Möglichkeit eines Professional-User zu 3200 Euro, um der SAP-Definition von „indirekter Nutzung“ gerecht zu werden.
Und Stefan Autengruber argumentiert weiter, dass SAP erkannt hat, dass ein Named-User-Zugriff auf die SAP-Software optisch gesehen zu teuer wird, und somit im April dieses Jahres auf Dokumentenlizenzierung umstellte.
Der „Indirect Digital Access“ ist also dokumentenbasiert, was aber auch nicht der EU-Gesetzgebung entspricht. Ob die Anwendervereine Voice e. V. und DSAG e. V. wollen oder es befürchten: Kommendes Jahr wird es SAP abermals mit einem neuen Lizenzmodell versuchen. Prosit Neujahr!