SAP Customer Evolution


SAP Business Suite 7 bremst die ERP-Modernisierung
Die IT-Modernisierung zählt seit Jahren zu den Top-Prioritäten von CIOs. Allerdings gibt es aufgrund der hohen Komplexität oft nur geringe Fortschritte, argumentiert Marktbeobachter Lünendonk in einer aktuellen Studie. Und von der Seitenlinie kommt der Zuruf des alten Informatikspruchs: Never change a running system!
Mehrere Faktoren bremsen die digitale S/4-Conversion in der SAP-Community: Allen voran der sehr hohe Reifegrad einer gut customized SAP Business Suite. In den vergangenen Jahren wurde viel Aufwand betrieben, um diese SAP-ERP-Generation technisch stabil und betriebswirtschaftlich innovativ zu halten. In den allermeisten Fällen ist dieses Vorhaben sehr erfolgreich gelungen, sodass das Beharrungsvermögen große ist.
IT-Management und ERP-Fachbereiche erkennen zunehmend die Notwendigkeit von Modernisierungsmaßnahmen. Dabei gewinnt die Cloud stark an Bedeutung: 2028 wollen laut Lünendonk bereits neun von zehn Unternehmen mehr als 40 Prozent ihrer Anwendungen cloudbasiert betreiben – derzeit sind es vier von zehn. Durch die Verknüpfung verschiedener Betreibermodelle werden IT-Landschaften zunehmend hybrider. Um diese Bestrebungen umzusetzen, planen 83 Prozent der Unternehmen, ihr IT-Modernisierungsbudget im Jahr 2026 zu erhöhen – fast jedes vierte davon sogar um mehr als 5 Prozent. Nachzulesen in der Lünendonk-Studie „IT-Modernisierung zwischen Legacy, Cloud und KI“, die unter luenendonk.de kostenfrei erhältlich ist.
SAP Cloud ERP
Die „neue“ Business Suite bei SAP soll ein Cloud-System sein. Dieser Schritte entspricht dem aktuellen Markttrend und eine allgemeine Customer Evolution wird sich final in die Cloud-Richtung bewegen, wie auch Lünendonk in der Studie feststellt.
SAP Cloud ERP und S/4 haben jedoch als fundamentale Codebasis das erfolgreiche ECC 6.0 und sind somit per Definition keine Cloud-Native-Produkte. Mit „Lift and Shift“ lässt sich naturgemäß jede Software in die Cloud oder zu Hyperscalern transformieren. Der Makel eines On-prem-Systems haftet aber Rise, Grow und Cloud ERP an – die SAP-Bestandskunden sind skeptisch, ob sie mit der SAP Customer Evolution ein Lift-and-Shift-System oder ein Cloud-System bekommen.
SAP war mit S/4 Hana seiner Zeit weit voraus und präsentierte damit die nächste ERP-Generation zu einem Zeitpunkt, wo weder Bestandskunden, Technik noch der Markt dafür bereit waren: Bei der allerersten Präsentation von S/4 in New York, USA, an der Stock Exchange war von Cloud Computing keine Rede. Damals hatte niemand das neue Betriebs- und Architekturmodell im Fokus. Erst durch die engagierte Arbeit von SAP CEO Christian Klein begann sich SAP langsam und stetig in Richtung Cloud Computing zu transformieren.
SAP-Revolution in einem evolutionären ERP-Markt
Mit S/4 und Hana eröffnete SAP ein neues ERP-Kapitel. Dieser Schritt war zwingend notwendig, aber die Voraussetzungen dafür waren schlecht: Die meisten SAP-Bestandskunden hatten ein stabiles und funktionales ERP-System und jede Menge andere Probleme: Weltwirtschaftskrise, Währungskrise, Logistik- und Handelskrise.
Aber Lünendonk schreibt in der IT-Studie: „62 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass Teile ihrer geschäftskritischen Anwendungen bereits so veraltet sind, dass sie den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden und erneuert werden müssen. Zudem sind Betrieb, Pflege und Weiterentwicklung der Altsysteme in jedem zweiten befragten Unternehmen mittel- bis langfristig nicht mehr sichergestellt. 76 Prozent der Unternehmen erwarten daher, dass mindestens 20 Prozent aller geschäftskritischen Kernapplikationen in den nächsten fünf Jahren einen Modernisierungsbedarf haben werden.“
SAP war mit S/4 seiner Zeit voraus und verschreckte nachhaltig den ERP-Markt. Aktuell ist aber die Customer Evolution mit Rise, Grow und Cloud ERP ein möglicher Schritt zu einem modernen Composable ERP. „IT-Modernisierung ist kein kurzfristiges Projekt, sondern eine dauerhafte Transformationsaufgabe. Unternehmen benötigen klare Zielbilder, abgestimmte Strategien und ein Zusammenspiel aus Technologie, Organisation und Kultur. Nur so lassen sich IT-Architekturen schaffen, die den Anforderungen von morgen gerecht werden“, kommentiert Tobias Ganowski, Consultant bei Lünendonk und Studienautor.
SAP Customer Evolution 2.0
Aufgrund der Erfahrungen aus den vergangenen Jahren sollte SAP die Aufgaben und Ziele von „Customer Evolution“ nachschärfen, fokussieren und den aktuellen Bedürfnissen wie hybriden Landschaften, KI-Agenten und Composable -ERP anpassen. Große Hoffnungen verortet Lünendonk im Einsatz von generativer KI. 74 Prozent erwarten, dass KI in der Lage sein wird, künftig Sicherheitslücken in Altsystemen aufzudecken und zumindest teilweise selbstständig zu beheben. 69 Prozent erhoffen sich zudem ein besseres Verständnis der Programmier- und Codestrukturen. Trotz der hohen Erwartungen sind die praktischen Erfahrungen aber bisher noch gering: Nur acht Prozent der Unternehmen verfügen über fortgeschrittene Ansätze zur automatisierten Codeanalyse mittels KI, immerhin 22 Prozent nutzen KI jedoch bereits im Bereich der Dokumentation.
Die Orchestrierung der digitalen Conversion und Transformation wird für die SAP-Community das zentrale Thema. SAP wird sich für diese Herausforderung mit „Customer Evolution“ neu und agil aufstellen müssen. Ein finales Ende des S/4-Releasewechsels mit 2033, restriktive Lizenzmodelle und keine Diskussion über ein Composable ERP sind für die Customer Evolution kontraproduktiv. SAP sollte zu dem alten Servicegedanken eines SolMan (SAP Solution Manager) und CCC (Customer Competence Center) zurückfinden.
Bei der Umsetzung der Modernisierung verfolgen die Unternehmen unterschiedliche Ansätze, weiß auch Lünendonk: So setzen 79 Prozent auf flexible, modulare Composable Architectures. Für 74 Prozent kommt Replatforming in Frage, um bestehende Anwendungen in die Cloud zu migrieren. Auch Refactoring und der Wechsel auf On-prem- oder Private-Cloud-basierte Standardlösungen zählen zu den favorisierten Maßnahmen. Nur 47 Prozent der Befragten sehen in der vollständigen Neuentwicklung (Rebuild) einen gangbaren Weg. Das sollte den Befürwortern von Rise und Grow bei SAP zu denken geben.