S/4-Engstellen
SAP-S/4-Hana-Migrationen und -Updates bei knappen Ressourcen
Die Mainstream-Wartung für Kernanwendungen von ECC 6.0 und SAP Business Suite 7 endet im Dezember 2027. Damit stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, mit knappen Ressourcen zu minimalen Kosten zu migrieren. Die Pandemie, anhaltende Lieferkettenschwierigkeiten und geopolitische Veränderungen weltweit haben bei einigen Unternehmen geplante S/4-Migrationen teils verzögert sowie Ressourcen zusätzlich begrenzt.
Der DSAG-Investitionsreport von vergangenem Jahr stellte fest, dass von den 198 befragten Mitgliedsunternehmen 75 Prozent noch SAP ERP beziehungsweise Business Suite 7 einsetzen, 32 Prozent S/4-On-premises nutzen und ein geringer Anteil auf S/4-Private-Cloud (6 Prozent) oder Public Cloud (2 Prozent) setzt. Gartner schätzte vergangenes Jahr, dass rund 70 Prozent der Business-Suite-7- und ECC-Kunden bis Mitte 2023 und knapp ein Viertel spätestens 2025 nach S/4 wechseln möchte.
Die Migrationswelle, die sich aus diesen Zahlen ergibt, gilt es innerhalb weniger Jahre zu stemmen. Für jedes einzelne dieser Migrationsprojekte braucht es unter anderem Geschäftsprozess-Experten für die Evaluierung von Verbesserungen und Mehrwerten von S/4, funktionale Experten für die Konfiguration und verschiedene technische Teams für die Migration von Schnittstellen, Erweiterungen und kundenspezifischen Inhalten. Eine Befragung von DSAG-Mitgliedern im Juni 2022 zeigt nicht überraschend, dass 63 Prozent der Befragten interne Fähigkeiten und Personalmangel als die mit Abstand größte Herausforderung bei Innovationsprojekten betrachten.
Deadline 2030
SAP bietet eine Wartungsverlängerung bis 2030 zu einem Aufpreis von 2 Prozent. Dies mag eine temporäre Notlösung für jene sein, die nicht rechtzeitig die Migration umsetzen können. Der große Nachteil ist jedoch die Wettbewerbsfähigkeit. Wer beispielsweise auf der letzten ECC-Version EHP 8 von 2015 ist, nutzt ein altes Kernsystem ohne Update oder neue Funktionalitäten. Würde dieses System erst 2030 abgelöst werden, liegt das Unternehmen im Kernsystem rund 15 Jahre technologisch zurück.
Gleichzeitig zahlen diese SAP-Kunden jährlich Wartung, ohne viele der gewinnbringenden Innovationen nutzen zu können. Von der ersten S/4-Version 1511 bis zu S/4 Hana 2021 sind insgesamt 2868 neue Funktionalitäten von SAP bereitgestellt worden. Mit dem S/4-Release 2022 sind weitere 873 Innovationen hinzugekommen. Ohne diese Innovationen entgehen den SAP-Bestandskunden Chancen für eine kontinuierliche Unternehmenstransformation, Produktivitätssteigerung und Vereinfachung von Geschäftsprozessen.
Seit 2015 wurden bereits acht S/4-Releases herausgegeben. Das nächste wird S/4-Release 2023 sein, ab dem es zukünftig alle zwei Jahre eine neue S/4-Hana-Version für On-premises geben wird. Die Mainstream Maintenance eines Releases besteht dann aus zwei Phasen: der Innovation Line, wo neue Funktionalitäten über die Feature Package Stacks (FPS) bereitgestellt werden, sowie der darauffolgenden Maintenance Line, bei der Änderungen über Support Package Stacks (SPS) verfügbar sind. Auf dem Innovationstrack bleibt man somit nur bei regelmäßigen Updates alle zwei Jahre.
Laut dem Statista Research Department sind weltweit bereits Ende des zweiten Quartals 2022 rund 20.000 Kunden auf der S/4. Die Releases S/4 1511, 1610 und 1709 sind schon nicht mehr mit dem Enterprise Support abgedeckt. Für die Version 2022 endet die Wartung im Dezember 2027, für die Version 2023 gilt dann die neue Frist bis 2030. Analog zur Extended Maintenance bei ECC bietet SAP für einen Aufpreis von 4 Prozent eine Wartungsverlängerung für S/4-On-prem-Kunden an. Upgrades in S/4 Hana können somit ebenfalls geschoben werden. Neben der verminderten Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit ist das Herauszögern von Upgrades in S/4 jedoch auch aus kaufmännischer Sicht für Unternehmen erfahrungsgemäß unattraktiv. Es ist daher anzunehmen, dass die Mehrheit der Unternehmen, die S/4-On-premises einsetzen, mit hoher Sicherheit innerhalb des regulären Wartungszeitraums ihrer S/4-Version updaten möchte. Diese erforderlichen S/4-Updates treffen somit auf die Migrationswelle. Zudem werden Unternehmen, die in der Innovation Line bleiben möchten, auch nach 2030 weiterhin jedes zweite Jahr auf die neueste Version updaten.
Handlungsoptionen
Der Kern des klassischen Ansatzes ist ein Beratungsprojekt. In Ausnahmefällen, wenn große Optimierungsschritte notwendig sind, ist dies ein neues Implementierungsprojekt „auf der grünen Wiese“ (Greenfield), mit dem auch ein sehr großer Ressourcenbedarf auf allen Seiten verbunden ist. In der Regel hat sich aber eine Konvertierung des bestehenden Systems in ein S/4-System bewährt (Brownfield). Hierbei werden die bestehenden Systeme zunächst eins zu eins nach S/4 Hana überführt, um dann im Anschluss die gewünschten Optimierungen vorzunehmen. Auch dieser Ansatz bedeutet für Kunden und Partner zwar immer noch ein nennenswertes Projekt, bietet aber den Vorteil, dass an manchen Stellen die Innovationen von S/4 genutzt werden können, auch wenn noch nicht alle Optimierungsdiskussionen abgeschlossen sind.
Möchte man nun den Ressourceneinsatz noch weiter optimieren, stehen Automatisierungswerkzeuge wie Mignow zur Verfügung. Diese SAP-zertifizierte Lösung nutzt zum einen den Software Update Manager (SUM) und ermöglicht damit eine echte Konvertierung des Systems. Darüber hinaus werden vor- und nachgelagerte Prozesse so weit automatisiert, dass das Projektteam sich auf die komplexeren Spezialthemen konzentrieren kann. Über den Gesamtprozess gesehen wird dadurch je nach Projekt eine Automatisierung von über 60 Prozent, im Bereich der Custom-Code-Konvertierung (Z-Namensraum) sogar 95 Prozent erreicht.
Um nun die Doppelbelastung aus Migrationen und Updates in den Griff zu bekommen, ist es entscheidend, dass mit dieser Form der Automatisierung auch die regelmäßigen Updates der Innovation Line abgedeckt sind. Auf Grundlage der oben genannten und weiterer Migrationsoptionen ist daher in jedem Einzelfall mit einem Migrationsexperten zu prüfen, welche Herangehensweise und Betriebsoption unter Berücksichtigung der individuellen Ausgangssituation optimal ist.
Fest steht allerdings, dass Unternehmen umso mehr Handlungsspielraum haben, je früher ihnen bewusst ist, wie sie sich zukünftig in SAP S/4 Hana aufstellen und in die Cloud transformieren möchten. Ein Kernsystem auf weitgehend neuem Stand ist schließlich der Schlüssel zu den neuesten Innovationen und infolgedessen zu mehr Wettbewerbsfähigkeit. Dies bestätigt auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e (DSAG e. V.) Jens Hungershausen, der in einer Pressemitteilung vom Oktober 2022 hervorhob, dass Cloud-Technologien das Potenzial haben, „Unternehmen beziehungsweise Organisationen dabei zu unterstützen, besser mit Veränderungen Schritt zu halten“.